Ein letztes Mal Dino-Chaos. Im Abschluss der Jurassic World Trilogie geht es nicht nur um die Ko-Existenz mit den Riesen, sondern auch um eine … Heuschreckenplage? Warum das über zwei Stunden lange Epos einfach nicht zündet, liest du in unserer Kritik mit Plotbeschreibung.
von Susanne Gottlieb
9. Juni 2022: Jurassic Park ist Kult. Die Sequels Vergessene Welt und Jurassic Park III sind unterhaltsam bis unfreiwillig komisch. Macht nichts, dachten sich die Hollywood Produzenten. Denn 2015 schickten sie mit Chris Pratt und Bryce Dallas Howard eine neue Generation in den Kampf gegen die Urzeitgiganten. Wenn die Filmserie in einem Recht hat, dann darin, dass die Menschheit einfach nicht dazulernt. Egal, ob es darum geht, nicht “Gott zu spielen”, wie Ian Malcolm (Jeff Goldblum) es einst so schön formulierte, oder darum, dass sich nicht jedes Franchise ausschlachten lässt.
Lohnt es sich, nach dem etwas mauen Jurassic World: Das gefallene Königreich sich nun auch noch den letzten Teil der Reihe anzusehen? Wenn man einen Abschluss mit der Geschichte haben will, sicher. Aber besonders viel Spaß wird man dabei nicht haben. Die Gründe dafür gibt’s hier. Falls du nach Alternativen suchst: Hier die weiteren Kinohighlights des Monats.
Vier Jahre nachdem die Dinos in die freie Wildbahn entwischt sind, kämpft die Menschheit noch immer gegen die neuen Alpha-Beutetiere um ihren Lebensraum. Wie in alter Ausbeuter-Manier hält sie das mal wieder nicht davon ab, aus den Dinosauriern Profit zu schlagen. Firmen beginnen zu erforschen, inwieweit sich die genmanipulierte Dino-DNA zum Heilen von Krankheiten eignet. Dinos als Versuchskaninchen in Gefangenschaft. Etwas was Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) nicht mit ansehen will.
Doch ihre aktivistischen Tage, und die ihres Freundes Owen Grady (Chris Pratt), neigen sich dem Ende zu. Ihre Ziehtochter Maisie Lockwood (Isabella Sermon), die geklonte Enkeltochter aus Teil 2, ist zur gesuchten Person geworden, nachdem sich die Kunde ihrer genetischen Wunder-DNA wie ein Lauffeuer verbreitet hat. Das Verstecken in den Wäldern ist für die zusammengewürfelte Familie keine Dauerlösung. Kopfgeldjäger finden Maisie und verschleppen sie mit Blues Zögling Beta. Endziel: das Dinosaurier Schutzgebiet der BioTech-Firma BioSyn, das interessanterweise auch an genetischen Innovationen forscht.
Zeitgleich machen die Jurassic Park Veteranen Elli Sattler (Laura Dern) und Alan Grant (Sam Neill) ebenfalls eine interessante Entdeckung. Die aggressive Heuschreckenplage, die gerade ganze US-Landstriche zerstört, beruht ebenfalls auf einer urzeitlichen Gattung. Und dann hat Ian Malcolm (Jeff Goldblum) Ellie auch noch eine kryptische Nachricht über BioSyn geschickt. So machen sich beide Gruppen, Owen, Claire und die Pilotin Kayla Watts (DeWanda Wise), sowie Ellie und Alan auf den Weg in das global größte Sammelbecken an Dinosauriern.
Heuschreckenplage und Dinosaurier? Was wie zwei zwanghaft zusammengeklatschte Skripts klingt, schaut sich auch so. 146 Minuten dauert der Film – und jede einzelne spürt man. Es wirkt, als hätten die Drehbuchautoren Emily Carmichael und Colin Trevorrow ihren Film anhand von Papierschnitzeln aus einem Hut zusammengesetzt. Eine wilde Actionszene mit Dinosauriern jagt die nächste, dem Zuschauer wird keine Minute eine Verschnaufpause, geschweige denn so was wie Charakterentwicklung gegönnt.
In der Buchvorlage Jurassic Park von Autor Michael Crichton waren die Dinosaurier ein Mahnmal für die Menschheit, nicht mit der Natur und ihrer natürlichen Ordnung zu spielen. Sie waren das Chaos in Ian Malcolms propagierter Chaostheorie. Eine Manipulation, die nicht kontrolliert werden kann und die sich naturgemäß verselbstständigt. Der Mensch ist kein Gott, alles was er schafft hat Konsequenzen. Steven Spielberg inszenierte die Dinos in seiner wesentlich freundlicheren Buchadaption als technisch herausragende Naturgewalten und Horrorfiguren. Seine Charaktere erschauderten ob ihrer unkontrollierbaren Brutalität oder ihrer majestätischen Schönheit.
In Jurassic World sind die Dinosaurier inzwischen ein bisschen etwas von allem. Abgesehen von der Fangewohnheit, alle auftauchenden Lieblingsdinos zu zählen, was bleibt dann? Die Tiere sind Gral und Untergang der Welt, sie gelten als die Rettung der Menschheit und deren Ende. Malcolm etabliert sie in einer seiner legendären Ansprachen als der neue Platzhirsch – damit geht die Hinterfragung und realpolitische Sensibilisierung des Menschen als “Krönung der Schöpfung” einher und somit so etwas wie ein kritischer Denkanstoß.
“Kann eine Replika wirklich das Original sein? Und wenn ja: Was macht es zu dem?”, fragt sich Maisies Originalbauteillager Charlotte Lockwood in einer alten Videobotschaft, nur um später zu ergänzen: “Wenn wir überleben wollen, müssen wir lernen, uns aufeinander zu verlassen und zu koexistieren.” Ein netter Gedanke, aber zwischen all den überdrehten Actionsequenzen und zu vielen verschiedenen Ideen und Figuren geht das unter. Genauso wie die Tatsache, dass es in diesem Film um Dinos gehen sollte. Denen nehmen aber wieder ein menschlicher Klon und diesmal auch Monsterheuschrecken den Wind aus den Segeln.
Wer sich jetzt noch wundert, wer noch so alles aus der Mottenkiste der Jurassic Park Alt-Stars ausgegraben wurde, der sollte sich oben gezeigte Szene nochmals in Erinnerung rufen. Heute eher bekannt als “See, nobody cares” Meme trifft sich Wayne Knights Denis Nedry im Original in einer kurzen Szene mit Dr. Lewis Dodgson, einem Vertreter des Konkurrenten, der ihn besticht Dino-Eier zu stehlen. Kick-off des Originalfilms also. Diesmal hat Dodgson seinen Wunsch nach Dinos und Ruhm bekommen, musste aber dafür sein Gesicht verändern. Statt den wegen Pädophilie einsitzenden Cameron Thor wird Dodgson diesmal von Campbell Scott gespielt. Auch wieder dabei: BD Wong als Wissenschaftler Dr. Henry Wu und Omar Sy als Barry.
Jurassic World: Ein neues Zeitalter ist laut, anstrengend und für so viel Action eigentlich überraschend langweilig. Top Gun: Maverick (hier unser Review) hat uns gerade erst gezeigt wie man ein Sequel richtig dreht. Der neue Jurassic World demonstriert hingegen, dass viele Studios leider noch immer auf Standardware setzen.
Welche Höhepunkte bringt der Monat noch? In unserem Seher-Bereich findest du Vorschauen, Bestenlisten und Reviews zu Kino, Netflix und Co:
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Fotos: © Universal Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.