Vier Freundinnen auf Roadtrip in China – Joy Ride ist ein derbes, unterhaltsames Spektakel, wie wir es wohl seit Brautalarm nicht mehr hatten.
von Susanne Gottlieb
23. August 2023: Asian American Kino hat gerade einen Lauf. Vor ein paar Jahren wurde Crazy Rich zu einem Hit, heuer gewann Everything Everywhere All At Once einen Oscar nach dem anderen, und nun beweist die Community, dass sie auch den knallharten, ordinären Humor, der bisher in Filmen männlichen weißen Comedians vorbehalten war, perfekt beherrschen.
Wer sich also unbedingt wieder einmal eine richtig fiese, unterhaltsame Komödie geben will, der ist hier bestens aufgehoben. Wir verraten euch, warum ihr euch den Film nicht entgehen lassen solltet. Was der September dann für neue Kinokracher bringt, kannst du übrigens hier nachlesen.
Einst wurden Audrey Sullivan (Ashley Park) und Lolo Chen (Sherry Cola) als Kinder die besten Freundinnen. Zum Teil, weil sie sich so gut verstanden, zum anderen, weil sie die einzigen asiatischen Kinder in der Stadt waren. Doch während Lolo mit einem starken Bezug zu ihren chinesischen Wurzeln aufwuchs, war Audrey das Adoptivkind weißer Eltern, und hatte wenig Berührungspunkte zu ihrer Community.
Jahre später ist Audrey eine erfolgreiche Anwältin und muss ins “Mutterland” China, um einen Business Deal dort abzuschließen. Mit im Gepäck: Lolo, die inzwischen als freie Künstlerin mit Penis-Skultpuren mehr schlecht als recht über die Runden kommt und Deadeye (Sabrina Wu), Lolos exzentrische Cousine. In Peking treffen sie auf Audreys ehemalige College-Zimmergenossin Kat (Stephanie Hsu), die dort ein großer Fernsehstar ist. Nun ist das Quartett komplett. Doch Business-Partner Chao (Ronny Chieng) will erst Audreys biologische Mutter kennenlernen, bevor er den Deal unterzeichnet. Also machen sich die vier auf den Weg in die chinesische Provinz, um sie zu finden. Dabei wird der Roadtrip zum absoluten Chaostrip, mit der einen oder anderen tieferen Erkenntnis über das Leben.
Jahrelang war der schlüpfrige, perverse Humor fast ausschließlich weißen, männlichen Comedians des Typs Seth Rogen vorbehalten. Umso fairer ist es, dass der Schauspieler gemeinsam mit seinem kreativen Partner Evan Goldberg diese weibliche People of Color-Version nun produziert hat. Im Regiestuhl nimmt erstmals die Drehbuchautorin von Crazy Rich, Adele Lim, Platz. Und sie versteht es auch, die tiefgründige, aber vor allem auch zottige Geschichte effektiv und pointiert in Szene zu setzen. Ob nun wilde Dreier mit einem Sportteam, exzessiver Drogenkonsum, bunter K-Pop oder emotionale Konfrontationen zwischen den Damen – der Film versteht es, sowohl auf die Lachmuskeln als auch auf die Tränendrüsen zu drücken.
Denn zwischen all dem Spaß verhandelt der Film auch Fragen von Identität und Herkunft. Audrey, die in einer weißen Familie aufgewachsen ist, wird zwar einerseits als “im Kern weiß” betitelt, und der Film setzt sich mit der durch ihr Aufwachsen inhärenten Diskriminierung ihrer eigenen Community auseinander. Doch der Film lässt ihr zwischen all den Zoten den Raum zu wachsen, zeigt ihren Konflikt, Teil einer Minderheit zu sein, von der sie so wenig weiß. Aber auch die anderen Figuren bekommen den Raum zu wachsen. Lolo muss lernen, ihr Künstlerdasein mit realistischen Zielen zu vereinbaren, Kat sie selbst zu sein, Deadeye an sich selbst zu glauben.
Dass der Film so gut funktioniert, liegt aber vor allem an seinem starken Schauspielensemble. Ashley Park begeisterte bereits als eines der stärkeren Elemente in Emily in Paris und perfektioniert die stoische, verklemmte, aber doch verunsicherte, Audrey perfekt. Stephanie Hsu, frisch von ihrer Oscar-Nominierung für Everything Everywher All At Once, brilliert als penible, ehrgeizige Kat. Und Sherry Cola und Sabrina Wu, die in diesen Breitengraden noch keine Stars sind, sind tolle Entdeckungen. Dass die K-Pop liebende, exzentrische Deadeye nicht allen die Show als Breakout-Charakter stiehlt, liegt vor allem daran, wie toll die vier Damen miteinander harmonieren.
Joy Ride ist einer der unterhaltsamsten und schrägsten Filme des Sommers. Nicht ganz so brillant wie der große Meilenstein Brautalarm, ist er dennoch ein weiterer (eigentlich unnötiger) Beweis dafür, dass Frauen verdammt witzig sind.
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Alle Fotos: (c) Constantin Film
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.