In seinem ersten Programm seit 17 Jahren lässt Josef Hader den reichen Ungustl raushängen. Zynisch, bitterböse und mit viel schwarzem Humor läuft er in Hader on Ice zu alter Höchstform auf – und führt uns mit seiner neuen Figur gnadenlos und schmerzhaft die Doppelmoral unserer Gesellschaft vor Augen.
von Christoph König
“Es gibt noch so viel, auf was man sich im Alter freuen kann. Depressionen, Herzinfarkt, das silberne Ehrenzeichen der Stadt Wien”. Wer gefürchtet hat, dass Josef Hader bei seinem ersten neuen Programm seit 2004 (Hader muss weg) nicht mehr so rücksichtslos und hart in den wunden Punkten unserer Gesellschaft stochert – vielleicht ein bisserl Altersmilde walten lässt – der kann beruhigt sein. Der König des schwarzens Humors geht auch mit Hader on Ice und 59 Jahren dahin, wo es uns beim Zusehen zum Teil weh tut und schert sich um politische Korrektheit ungefähr so viel, wie seine Figur um das Wohlbefinden seiner Mitmenschen.
Seit 10. Juni 2021 spielt Josef Hader sein neues Programm Hader on Ice. Wir waren bei der Premiere im Wiener Stadtsaal dabei und verraten euch, warum ihr euch das als Hader-Fan auf gar keinen Fall entgehen lassen solltet. Apropos tolles Kabarett: Werft unbedingt auch einen Blick auf unsere Kritik zum neuen Programm von Klaus Eckel.
Josef Hader sinniert aus seinem Leben – oder besser – dem Leben einer steinreichen und zynischen Version seiner selbst. Die wohnt nicht mehr in Wien, sondern ist in ein großes Anwesen im tiefsten Weinviertel an der tschechischen Grenze gezogen – als Flucht vor den nervigen Bobos der Stadt, die ihm viel zu freundlich ein Mineralwasser zum Kaffee andrehen zu wollen, statt das zu sein, was sie als Wiener sein müssten: grantige Arschlöcher. Doch auch am Land wird der Mistelbach-Flüchtling nicht glücklich: “Das Weinviertel ist die Toskana Österreichs – genauso überschätzt”, scherzt er. In seinem Dorf sei es im Winter so ungewöhnlich kalt, dass alle Tiere im Wald erfrieren, die er entspannt durch das Zielfernrohr seines Jagdgewehrs beobachte. Die Menschen und Kirchen seien so klein, dass man fast über sie stolpert und der Ort so abgelegen, dass die Bewohner nach einer Wien-Reise nie mehr heimfinden.
Spätestens wenn Hader dann über seine Altersleiden erzählt und seine eigenen Lebenserfahrungen geschickt mit der seiner Figur verschränkt, wächst uns diese irgendwie ans Herz. Wir identifizieren uns mit ihr, was dann umso mehr schmerzt, wenn sie uns wie ein Spiegel unsere eigenen Schwächen vor Augen hält. Wie die Doppelmoral, mit der sich so mancher vorgaukelt, umweltbewusst und nachhaltig zu leben – nur um sein Gewissen zu beruhigen. So schlürft der “Bühnen-Hader” Co2 freundlichen Rum, der aus der Karibik per Segelboot importiert wurde, hat sich auf ein Auto (eine Mischung aus Sport- und SUV) “runterreduziert” und ernährt sich vegetarisch – bis auf Tiere, die keine Schmerzensschreie von sich geben (wie thailändische Entenembrios).
Spätestens da bleibt einem wieder so mancher Lacher im Hals stecken. Seine Figur ist der Meister des Schönredens. Seinem schwarzen Hausdiener Jimmy habe er ja von der Straße als Sandler aufgelesen, seine jungen Freundinnen hätten keinen Vaterkomplex mehr mit ihm, weil er nehme sie sich jetzt schon im Enkelinnen-Alter (“Da lassen sie sich noch so gut formen”) und die Spritzpistole, mit der er Briefboten und tatsächlich auch das Publikum im Saal nass macht, sei ja eh mit Desinfektionsmittel gefüllt. Die größten Emotionen kommen bei Haders Alter Ego noch auf, wenn sein Luxuswein am Wörthersee über Bord geht oder seine Frau, eine Studentin, nach der Trennung keine bezahlte Abschiedsnummer schieben will.
Und doch haben wir am Ende wieder Mitleid mit dem Ungustl, wenn ihm nur noch sein imaginärer Wolfsfreund Rudl bleibt, dem er 5 Kilo Billa-Fleisch zu einem feinen Carpaccio aufschneidet und mit dem er zum Schluss Somewhere over the Rainbow im Duett heult.
So lange haben wir auf ein neues Josef Hader Programm gewartet – und es hat sich ausgezahlt! In Hader on Ice – gekonnt minimalistisch inszeniert von Regisseurin Petra Dobetsberger – spielt Österreichs Kabarett-Großmeister wieder seine größte Stärke aus und eine Figur, in deren Schwächen er ganz viel bissige Gesellschaftskritik und Selbstkritik verpackt. So schmerzt es doppelt, dass man als Zuseher auch so einiges von sich selbst in ihr wiederfindet. Hader schafft es aber, dass man darüber herzlich lachen kann – und das ist wohl das Schönste daran. Wer auf schwarzen Humor steht, der kommt auch an Haders neuem Programm nicht vorbei. Bis zum nächsten ist dann vielleicht eh wieder 17 Jahre Zeit. Wir wollen es aber nicht hoffen.
Apropos, schwarzer Humor: Für den jungen Kabarettisten David Stockenreitner ist Hader ein großes Vorbild. Lies hier, warum er ein besonderer Held der Szene ist.
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Alle Fotos: (c) www.lukasbeck.com
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