Ein letztes Mal Daniel Craig als James Bond. Lange war es angekündigt, verschoben, und immer geteast worden. Ob sich Bond in seinem letzten Auftritt vor dem unweigerlichen Relaunch noch einmal beweisen darf, und ob dieser Abschied auch wirklich gelungen ist, lest ihr hier.
von Susanne Gottlieb
30. September 2021: Am Ende hatten wir doch mehr Zeit als erwartet. Eigentlich wollte Daniel Craig, der die Rolle 2006 übernommen hatte, schon nach Spectre den Job an den Nagel hängen. Gutes Zureden von Produzentin Barbara Broccoli hatte ihn dann aber anscheinend nochmals umgestimmt. Somit füllte der Brite die Rolle, wenn man die Corona-bedingten Verschiebungen mit einberechnet, für ganze 15 Jahre aus. Damit überholt er Roger Moore und dessen zwölf Jahre im Dienste ihrer Majestät, auch wenn Moore in dieser Zeit zwei Einsätze mehr, insgesamt sieben, als Craig absolvierte (lest hier unser Ranking der besten Bond-Darsteller).
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Nach dem etwas zu exzentrischen, schwammig umgesetzten und von Kritikern zerrissenen Stirb an einem anderen Tag mit Pierce Brosnan – der Tod zieht sich durch Abschiedsfilme – rückte mit Craig nicht nur der erste blonde Bond aus, es wurde auch an dem Format selber geschraubt. Statt voneinander unabhängigen Missionen mit dem jeweiligen Bösewicht des Films gab es eine zusammenhängende Handlung, die es erlaubte die Figuren zu entwickeln und neue Schlüsselfiguren einzuführen. Von der Quantum Sektion zur Mutterorganisation Spectre bis hin zu jener Figur, die auch diese auslöschen möchte.
Casino Royale und Skyfall gehören inzwischen zurecht zu den besten Bondfilmen, die gedreht wurden. Quantum Trost und Spectre hatten zwar ihre Schwächen, leisteten aber den notwendigen Beitrag um die Handlung und das Seelenleben des Protagonisten weiter zu entwickeln. Wie passt nun der letzte Streifen Keine Zeit zu Sterben in das Schema? Kann er die Erwartungen für einen gelungenen Abschluss erfüllen? Wir verraten es euch hier.
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Blofeld (Christoph Waltz) ist am Ende von Spectre besiegt, England wieder einmal gerettet und James Bond (Daniel Craig) macht sich mit Madeleine Swann (Léa Seydoux) aus dem Staub. Ende gut, möchte man meinen. Aber wie immer kommt etwas dazwischen. Man habe alle Zeit der Welt, sagen sich die Liebenden noch zu Beginn. Doch die Vergangenheit kann nicht ruhen. Denn, “solange wir über unsere Schultern schauen ist es nicht vorbei”. Über seine Schulter schauen muss Bond ab dem Moment, in dem er in Apulien am Grab Vespas Abschied nehmen will und dieses vor ihm in die Luft fliegt. Spectre hat ihn gefunden, und Madeleine scheint auf den ersten Blick irgendwie mit ihnen verbunden zu sein. Bond, auf die eigene Sicherheit bedacht wie immer, erklärt die Beziehung für beendet und schickt Madeleine weg.
Fünf Jahre später sucht ihn sein alter Freund Felix Leiter (Jeffrey Wright) in seinem jamaikanischen Domizil auf. Spectre hat einen Einbruch auf ein geheimes britisches Forschungslabor, das dem MI6 und Bonds ehemaligen Chef M (Ralph Fiennes) unterstand, begangen. Das Diebesgut: eine DNA-Massenvernichtungswaffe, die nur die Leute attackiert und tötet, die diesen spezifischen DNA-Strang in sich tragen. Doch statt nur einzelne Personen auszusondern, droht die Waffe nun nach einer Modifikation sämtliche Verwandte oder ganze Volksgruppen attackieren zu können.
Mastermind scheint zunächst Bonds alter Widersacher Blofeld zu sein, doch schon bald stellt sich heraus, dass hier noch eine andere Partei ihre Finger im Spiel hat. Der düstere Sarin (Rami Malek) scheint nicht nur mit Blofeld und Spectre eine Rechnung offen zu haben. Er dürfte auch ein persönliches Interesse an Madeleine haben, die mehr über das Unterfangen weiß als es zunächst aussieht. Gemeinsam mit der neuen 007 (Lashana Lynch), die für Bond zunächst nur schnippische Kommentare übrig hat, und der zögerlichen Zustimmung Ms, versucht Bond nicht nur eine drohende Gefahr für die Menschheit abzuhalten, sondern auch Madeleine zu retten.
Der letzte Bond Film mit Craig ist nicht einfach nur ein Abgesang auf den Agenten. Es ist ein dreistündiges, mit Action, Charme und Kugelhagel vollgepacktes Epos, ein Abschiednehmen mit dem Helden auf voller Oktanzahl. Und er ist auch ein Zeichen, dass es Zeit wurde, dass der Brite die Rolle an den Nagel hängt. Craigs Bond stand wie einst Timothy Dalton stets für die Rückkehr zum bodenständigen Agententhriller. Zum rauen, ruppigen Agenten, den Fleming ursprünglich geschaffen hatte. Statt übertriebener Gadgets und Effekte ging es um Stunts, geerdete Konfrontationen und minimalistisch gehaltene Konflikte. Keine Zeit zu sterben ist hingegen ein erstes Flirten mit alten Egomanien und größenwahnsinnigen Weltherrschaftsplots. Da wundert es auch nicht, dass mancher Dialog oder manche Actionsequenz etwas zu kitschig, zu übertrieben geraten ist.
Wohingegen die Bond-Serie versucht an den modernen Zeitgeist Anschluss zu finden, ist im Schreiben seiner Figuren, vor allem seiner weiblichen. Bond ist und bleibt männlich, so viel wurde bereits festgestellt. Doch sein eiskalter Chauvinismus hatte schon in den Vorgängerfilmen Lücken bekommen. In diesem Abenteuer darf er sogar das erste Mal ungefiltert und bedingungslos lieben. Die Bondgirls als solche existieren nicht mehr. Zwar mag Ana de Armas CIA-Agentin Paloma etwas naiv wirken, sie weiß sich aberim Feld eiskalt durchzusetzen. Die neue 007 fordert Bond nicht nur in seiner Eignung und Männlichkeit heraus, sie schmettert seinen alt hergeholten Charme gekonnt ab. “Ich verstehe, warum du ihn angeschossen hast”, erklärt sie Bonds alter Kollegin Moneypenny (Naomi Harris).
Ganz kann sich der Film aber doch nicht aus der Ummantelung seiner Vorgänger befreien. Nomi mag zwar ein progressives Zugeständnis sein, aber letztendlich ist sie dem alten 007 nicht ebenbürtig. Ihre Missionen werden entweder von diesem vereitelt, selber erledigt, oder sie benötigt seine Hilfe. Judi Dench darf zwar von einem Porträt finster auf ihren Nachfolger runter starren, aber im Endeffekt bleibt der zentrale Konflikt ein Machtspiel männlicher Egos. Ob nun Bond, Sarin oder der in seinem Stolz verletzte M. Das wäscht auch über die Tatsache hinweg, dass man Q (Ben Wishaw) beiläufig als homosexuell outet und der Film offen den Rassismus anspricht, der einer schwarzen Doppelnull Agentin widerfahren würde. Bond bleibt der Herrscher seines Spionagereiches, die Welt steht und fällt mit ihm. Hier hätte das Fackel weiterreichen etwas inklusiver ausfallen können.
Für Fans zahlen sich auf jeden Fall neben einem bombastischen (wenn auch etwas zu lang geratenem) Finale die ganzen Hommagen an alte Filme aus. Der Oldtimer Aston Martin darf sowohl aus den Scheinwerfern feuern, als auch Nebelgrananten versprühen. Altbekannte Schauplätze werden wieder besucht, wenn auch diesmal mit weniger Exotizismus. Ebenso gruselig aus heutiger Perspektive ist es, dass dieser pre-COVID gedrehte Blockbuster sich einen künstlichen Virus als Massenvernichtungswaffe ausgesucht hat. Da werden sofort gewisse Assoziationen mit der Gegenwart geweckt. Ob sich letztendlich alles für Bond in Wohlgefallen auflöst, sei dahingestellt. Aber die Reise ist es auf jeden Fall wert.
James Bond – keine Zeit zu sterben ist ein nicht immer runder, aber doch würdiger Abschluss eines fantastischen Runs mit Daniel Craig in der Titelrolle. Man wünschte immer, man hätte mehr Zeit, aber Craig und die Produzenten hören hier wahrlich am bestmöglichen Zeitpunkt auf. Lebe wohl, James Bond. Willkommen noch unbekannter zukünftiger Bond, denn wirklich sterben wird das Franchise noch für eine lange Zeit nicht.
Helden-Tipp! Wenn ihr Bond Fans seid, lest unbedingt hier 28 verrückte Fakten zu den 28 James Bond Filmen. Wusstet ihr bespielsweise, dass für Keine Zeit zu Sterben mehrere Enden gedreht wurden? Welchem Bond ein Wiener Bürgermeister sogar die Erlaubnis gab, die U-Bahn zu sprengen? Oder welcher Bond Regisseur bei Dreharbeiten mit dem Heli ins Meer stürzte?
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Fotos: (c) Universal Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.