Nach unzähligen Büchern, Filmen & Spielen erobert der Analyst, der zum Actionheld wird, die Serienwelt. Wie John Krasinski Jack Ryan neues Leben einhaucht.
30. August 2018: Tom Clancy war bei Büchern immer ein sicheres Zeichen für solide Spionagethriller auf 800 oder mehr Seiten. Bei Spielen verkauft sich sein Trademark gut, für realistische Shooter in einem militaristischen Setting (Ghost Recon-Serie, The Division). Bei Filmen ist die Erfolgsquote durchwachsen, Klassiker wie Jagd auf Roter Oktober oder Die Stunde der Patrioten wechseln sich mit Rohrkrepierern wie Shadow Recruit und Der Anschlag ab.
Weder Chris Pine noch Ben Affleck konnten der Romanfigur Jack Ryan langfristig auf Zelluloid gerecht werden. Quasi als Jason Bourne der seiner Regierung trotz aller Widrigkeiten treu bleibt. Das ändert sich jetzt mit John Krasinski. Der konnte uns zuletzt auch schon im etwas anderen Horrorfilm A Quiet Place an der Seite seiner Frau Emily Blunt überzeugen (hier unsere Filmkritik).
Morgen (31. August) startet Jack Ryan als Prime Original Serie auf Amazon. Inszeniert von Carlton Cuse (Lost) und Graham Roland (Fringe). Die Helden der Freizeit durften vorab die ersten drei Folgen sichten. Hier unser Eindruck:
Ein Doktor in VWL, eine Karriere beim Militär, die jäh zu Ende ging und ein brillanter Analyst für die CIA. Jack Ryan ist ein hochintelligenter Hans Dampf in allen Gassen. Und ein wunderbarer Gegenentwurf zum unmotivierten Bürohengst Jim Halpert in The Office, dem großen Durchbruch von John Krasinski. Gleich zu Beginn schlüpfen wir jedoch in die Haut des Antagonisten. Als kleiner Junge wird seine libanesische Heimat von Kampfjets bombardiert und seine Familie getötet. Wechsel nach Washington D.C., dort wird Jack Ryan nach dem Morgensport fast von seinem neuen Chef James Greer (perfekt besetzt mit The Wire-Star Wendell Pierce) zusammengefahren.
Jack entdeckt große Geldströme, die zu ungeahnten Terroranschlägen führen könnten und bringt sie seinem Chef. Nach ihrem Scharmützel in der Früh ist der jedoch alles andere als empfänglich für die Vermutungen seines Untergebenen. Jack bleibt aber hartnäckig und agiert selbstständig. Wechsel in den Jemen, wo Kinder in selbst gemalten Kreide-Umrissen (weniger die Pony-Art, mehr die Tatort-Art) spielen und auf den Straßen unzählige Menschen kreuz und quer rennen. Drei Männer werden beobachtet und nach dem Verdacht von Ryan aufgegriffen.
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Zurück in der wohlhabenden Oberschicht der amerikanischen Ostküste, ist Jack auf dem Geburtstag seines ehemaligen Chefs von der Wall Street, wo er als Börsenmakler tätig war. Der will ihm Insider-Infos entlocken, wie es denn so um Nordkorea steht. Von Cathy (Abbie Cornish), der bezaubernden Tochter des Chefs, wird Jack aus der misslichen Lage befreit, nur um kurz darauf auf geheimer Mission abgeholt zu werden. Das etwas andere Meet-Cute.
Nur sehr widerwillig lässt sich der ehemalige Soldat zum Außeneinsatz überreden, ist sein Platz doch hinter einem Schreibtisch. Die geheime Mission führt Jack in den Jemen. Seine etwas anderen Verhör-Methoden können kaum Früchte tragen bevor die Basis angegriffen wird. Jack braucht jetzt all seine Erfahrung und sein ganzes Training.
Der 2013 verstorbene Tom Clancy wäre stolz auf diesen Jack Ryan. Er ist intelligent, überlegt, bemerkt was andere übersehen, aber hat nach drei Folgen noch keinen Schuss abgefeuert. Der Rolle seinen Stempel aufdrücken, das ist Kiefer Sutherland als Jack Bauer in 24 gelungen, und das gelingt John Krasinski in Jack Ryan. In ruhigen, wie in actionreichen, Szenen verkörpert er die ins neue Millennium geholte Romanfigur in all ihren Facetten.
Jack Ryan versucht ein differenziertes Bild beider Seiten zu zeigen. Das Leben im Jemen, der Antagonist (Oscar-Preisträger Ali Suliman) mit seiner Frau (Dina Shihabi) und ihren Kindern. Ein Familienleben zwischen Monopoly und automatischen Waffen und ein vielleicht nicht ganz so vorhandener religiöse Fanatismus. Und auf der anderen Seite Jack Ryan, hinter dem Schreibtisch, bei Lobbyisten und im Zwist mit seinen Vorgesetzten, der die Dinge dann selbst in die Hand nehmen muss.
Keineswegs zu kurz kommt die Action. Es ist gibt keine permanenten Cliffhanger wie in 24, da auch nicht alle paar Minuten zur Werbung weggeschalten werden muss, aber Feuergefechte und Handgemenge stehen auf der Tagesordnung.
Atmosphärisch dicht und aufwändig produziert. Bei ungefähr 45 bis 50 Minuten pendeln sich die Folgen ein. Nicht zu lange. Genug Zeit aber die Geschichten der stets wachsenden Riege an Nebendarstellern zu erzählen. Bleibt dennoch zu hoffen, dass sich die Serie in den restlichen Folgen nicht zu sehr in Nebenhandlungen verstrickt. Abgesehen vielleicht von dem Elite-Soldaten in Nirvana-Leiberl, der an jedem Ort ein anderes Country-Sänger-Pseudonym annimmt – von ihm darf es durchaus mehr sein.
Nach den ersten drei Folgen, die uns vorab zur Verfügung gestellt wurden, zeigt sich Jack Ryan als würdiger Nachfolger von Action-Serien wie 24. Interessante Charaktere, großartige Schauspieler und abwechslungsreiche Schauplätze von Washington über Paris, den Jemen und Syrien. Ryan zeigt beide Seiten des Konflikts und überlässt es dem Seher sich ein Urteil über die Beweggründe zu bilden.
Alle 8 Folgen von Jack Ryan sind ab morgen, 31. August, auf Amazon Prime Video zu sehen. (han)
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Aufmacherfoto: © Amazon.com
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.