Fliegen in Virtual Reality – mit Marvel’s Iron Man VR wird auf der PS4 ein Traum Realität. Aber macht die Steuerung es zum Alptraum? Wo wir im VR-Game Höhenflüge erlebt haben und wo es für uns abstürzt, erfährst du in unserem Test.
von Christoph Geretschlaeger
5. Juli 2020: Kurz bevor Anfang September alle Avengers gemeinsam in einem Spiel von Crystal Dynamics auftreten, drängelt sich im Juli noch Tony Stark aka Iron Man vor. Wie schon bei den ungemein erfolgreichen Filmen, soll auch Marvel’s Iron Man VR von Entwickler Camouflaj ein goldenes Zeitalter für Superhelden-Spiele einläuten.
Auch das neue F1 2020, haben wir für schon getestet. Lies hier in unserem F1 2020 Test, ob sich der Kauf auszahlt.
Tony Stark, ein Lebemann ohne Sorgen und Reue. Oder doch nicht? Am Anfang von Iron Man VR beginnt für Stark Industries gerade eine neue Ära. Die Waffenproduktion wird komplett eingestellt und Tony möchte sich seinem Superhelden-Alter-Ego Iron Man widmen. Schon kurz nach dieser Ankündigung meldet sich ein Super-Bösewicht namens Ghost. Die Jagd auf ihn beginnt.
Um auf der weltumspannenden Story den Gegnern auf den Pelz zu rücken, braucht Iron Mans Anzug einen guten Piloten (je nach Schwierigkeitsgrad tut es aber auch ein mittelmäßiger). Gesteuert wird der Hightech-Suit mit den Move-Motion-Controllern des PS4-VR-Sets. Sie simulieren deine Hände: die Trigger regulieren die Geschwindigkeit, eine Taste lässt dich auf der Stelle schweben und eine andere feuert Iron Mans Hauptwaffe ab. Klappt man die Handgelenke nach oben, wechselt der Anzug zur Sekundärwaffe. Zwei weitere Knöpfe drehen die Rüstung schnell um 45, 60 oder gleich 90 Grad. In meinem Test habe ich festgestellt, dass sich die Ausrichtung mit der Einstellung “Gedrückt halten” wesentlich flüssiger ändern lässt.
Den Ansatz der Steuerung finde ich in Iron Man VR sehr kreativ. Wenn alles funktioniert, fühlt man sich mit der Rüstung verschmolzen. Ich weiche Energie-Ballen aus, flitze durch die Luft und schlage mit der Eisenfaust die Gegner k.o. – Klitschko wäre stolz. Leider stellt sich dieses Gefühl nur selten ein.
Das Zielen, Drehen, Schießen, klappt alles richtig gut. Nur die Booster in den Händen lassen mich regelmäßig im Stich. Dabei sollte es so einfach sein: Zum Beschleunigen nach hinten halten, zum Aufsteigen nach unten zielen. In der Theorie scheint alles klar, aber in der Praxis werden meine Eingaben regelmäßig ignoriert. Oft schwebe ich wie eine Zielschiebe in der Luft und drehe mich panisch im Kreis und versuche, die Gegner zuerst abzuknallen. Es kann am leider relativ schlechten Tracking der Playstation-Kamera oder einfach am Spiel liegen.
Apropos Gegner abknallen: In befriedigenden Explosionen werden die gegnerischen Drohnen in ihre Einzelteile zerfetzt. Ungefähr fünf verschiedene unbemannte Flugzeuge gibt es. Damit hat es sich dann auch schon mit der Gegner-Diversität. Ab und zu zeigt sich der ein oder andere Boss. Aber meistens mache ich Jagd auf die immer gleichen, ferngesteuerten und charakterlosen Flugobjekte.
Von den Bossen möchte ich nicht zu viel verraten, sie bieten allerdings durchaus lustige und abwechslungsreiche Mechaniken. Um gegen die schweren Brocken eine Chance zu haben, rüste ich meinen Anzug mit den unterschiedlichsten Spielereien aus. Schnellere Regeneration, stärkere Primärwaffen, kräftigere Booster oder ein neuer Anstrich. Der macht einen nicht stärker, aber ansehnlicher.
Keine Sorge, Mikrotransaktionen gibt es keine. Neuer Lack für die Rüstung wird mit Achievements freigeschaltet: Bei 250 Gegnern, die mit Blastern getötet wurden, 50 im Nahkampf besiegten, etc.
Durch die VR-Brille muss man grafisch viele Abstriche in Kauf nehmen. Zwar zeigen sich die Umgebungen der Stark-Villa in Malibu mit vielen Details von ihrer besten Seite. Und auch das HUD des Iron-Man-Anzugs bietet ein übersichtliches Interface und die Effekte sind echte Hingucker. Aber die Levels in der restlichen Welt wirken leider leblos und wie aus dem vorigen Jahrhundert. Bis auf ein paar Bäume in der Größe von drei Pixeln scheinen Shanghais Straßen leer. Die Fensterfronten der Hochhäuser sehen glatt wie ein Babypopo aus.
Die Geräuschkulisse hingegen ist fantastisch. Satte Bässe, befriedigende Explosionsgeräusche und gute englische Synchron-Stimmen.
… wäre Tony Stark wohl schon mehrmals dahingerafft worden. Speicherpunkte sind recht beliebig gesetzt. Gerade nach langen interaktiven Gesprächspassagen mit mehreren Antwortmöglichkeiten speichert das Spiel ungern. Und die Ladezeiten, die dauern fast frech lang.
Ein anderes Problem hatte ich bei Darstellungen, die für die PS4 zu rechenintensiv waren. Zum Beispiel, wenn zu viele Objekte auf die VR-Brille projiziert wurden oder wenn viel explodiert ist und ich gleichzeitig meine ultimative Attacke verwenden wollte. Dann war die Playstation-Kamera überfordert und hat immer wieder meinen Standpunkt verloren. Sie konnte nicht mehr zuordnen, in welche Richtung ich gerade schaue. Nichts für Leute die leicht seekrank oder schwindlig werden.
Beinhart muss ich sagen: Herumfliegen war in Anthem spaßiger (siehe unser Test aus dem Vorjahr). Herumfliegen in VR, das kann man in Iron Man VR schon ganz gut. Vorausgesetzt das Tracking funktioniert. Bis auf die technischen Mängel macht das Spiel Spaß. Ganz wie in den Filmen ist die Story seicht und die Action eine Spur zu lang. Nur fehlt in Marvel’s Iron Man VR komplett der Humor. Und zu allem Überdruss kommt im Sommer noch die Hitze dazu. Denn bei mehr als 30 Grad Celsius Außentemperatur bereitet das Zocken mit der schwitzigen VR-Brille nur kurzfristig Vergnügen. Gut, dass Iron Man VR trotz allem recht amüsant ist, und sich schön in Häppchen (zwölf Kapitel plus Prolog) aufteilen lässt.
Marvel’s Iron Man VR ist seit 3. Juli ab € 39,99 erhältlich. Wer noch keine Move Controller hat, schlägt am besten beim Bundle um € 100 zu, das auf Amazon momentan leider vergriffen ist.
Wie wäre es mit einem anderen VR-Game? Oder willst du wissen, welche Highlights dich im Herbst erwarten?
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Bilder: © Marvel/ Sony Interactive Entertainment/ Screenshots
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.