Der Sänger der deutschen Punkrock-Truppe Itchy im Gespräch mit den Helden der Freizeit: Über das neueste (erstmals deutsche) Album, Fußball und diverse Streiche, die Vorbands gespielt werden. Dazu erzählt Sibbi, wie er das Jahr 2020 verbracht hat.
von Christian Orou
26. November 2021: 2020 mussten Itchy fünf Tage vor Tourbeginn die Notbremse ziehen und alle Shows absagen. 2021 startete die „Ja als ob“-Tour am 18. 11. in Prag, am Tag darauf spielten sie ein Konzert im Wiener Flex. Gerade noch rechtzeitig, bevor bei uns wieder alles runtergefahren werden musste.
Unser Held Christian traf den Gitarristen und Sänger Sibbi zum Interview. Dabei sprachen die Beiden über die tour-freie Zeit, die Fußball-Liebe der Band und vieles mehr.
Sibbi: Schlimm. Wir haben extra 2019 nicht so oft gespielt, weil wir dachten 2020 geht es ab, das wird unser Jahr. Dann kam Corona. Wir haben viermal die Tour verschoben. Jetzt startet sie endlich. Immerhin konnten wir in Wien das zweite Konzert spielen, aber wie es weitergeht, wird man sehen. Am Anfang waren wir wie alle vor den Kopf gestoßen, dachten „Was passiert hier?“. Wir haben die Tour verschoben, schauten, wie es sich entwickelt und wollten keine Schnellschüsse machen.
Wir dachten, 2020 wird unser Jahr. Dann kam Corona!
Itchy hatte sich das vorige Jahr gehörig anders vorgestellt.
Viele Bands haben Sachen gemacht, die gar nicht zu ihnen passen, einfach nur, um irgendwas zu tun. Das wollten wir nicht. Ich persönlich habe noch ein Solo-Album herausgebracht, hab ein Beatles-Punk-Rock-Cover-Projekt gemacht (The Beat-Hells) und ich bin Papa geworden. Das war der perfekte Zeitpunkt dafür. Mit der Band haben wir unser zweites Buch geschrieben, weil wir Jubiläum hatten, 20 Jahre Itchy. Da haben wir auch ordentlich viel Zeit reingesteckt. Ein Best-Of-Album haben wir auch produziert. Aber im Grunde haben wir gewartet bis es wieder losgeht.
Danke. Wir sind sehr stolz darauf. Es ist sehr amüsant. Und wenn ich mit Leuten aus anderen Bands spreche, die es auch gelesen haben, sagen die: „Das ist wie bei uns, das erinnert uns an vieles, das wir auch erlebt haben.“ Jeder, der im Musikbusiness unterwegs gewesen ist, kann sich in das alles hineinversetzen, hat die selben Erlebnisse. Halt nicht in der Stadt “XY”, sondern in “YZ” erlebt
Warum nicht? Es ist eine gute Frage. Wir haben immer die Frage „Wollt ihr nicht auf Deutsch singen?“ mit „Nein, keinen Grund, keine Lust. Wir sind happy mit Englisch.“ beantwortet. Beim Beginn für das Songwriting zum neuen Album haben wir gedacht: „Probieren wir es doch einfach aus, was passiert, wenn wir einen deutschen Song schreiben.“ Da hat sich das dann gut angefühlt, hat Spaß gemacht und wir haben weitergemacht. Irgendwann war es dann tatsächlich ein deutschsprachiges Album. So können wir uns herausfordern, haben neue Möglichkeiten. Wir wollen das ja noch lange machen.
Probieren wir es aus, was passiert, wenn wir deutsch schreiben.
Für das neueste Album brachen Itchy mit ihrer Routine.
Ich will aber auch nicht sagen, wir bringen nur mehr deutsche Alben heraus. Wenn wir das nächste Album schreiben, wird sich herausstellen, wie wir weitermachen. Wir haben einfach das Glück, machen zu können, was wir wollen und ich finde es auch cool, sich einfach einmal aus der Komfort-Zone herauszubewegen. Wir genießen diese Freiheit. Klar ist es für die Fans seltsam. “Erst benennen sich Itchy Poopzkid in Itchy um, dann bringen sie plötzlich ein deutschsprachiges Album heraus. Was passiert als nächstes?” Das verstehe ich. Aber ich glaube, wir sind immer noch dieselben. Und bei den wenigen Auftrittsmöglichkeiten, die wir hatten, haben wir herausgefunden, dass deutsche Songs exakt genauso gut funktionieren wie die englischen. Das macht Spaß so.
Eigentlich gab es das nicht. Alles was wir gemacht haben, hat uns auf den Weg gebracht, auf dem wir uns gerade befinden. Wäre Corona nicht gekommen, wäre alles top. Bis dahin war alles in Ordnung. Klar, es gibt Hochs und Tiefs, dann streitet man sich einmal und verträgt sich wieder, das ist ganz normal. Dann hat man einmal eine Show, die ist nicht so gut besucht und dann wieder eine, da kommen mehr Leute als erwartet. Es geht immer auf und ab. Aber wir haben immer konstant unseren Weg verfolgt, immer leicht bergauf. Ich würde nicht sagen, dass ich etwas anders gemacht hätte.
Es gibt Hochs und Tiefs, dann streitet man sich einmal und verträgt sich wieder.
Itchy wissen mit Troubles umzugehen.
Stimmt. Das habe ich verdrängt. Das war unsere erste Amtshandlung und die haben wir versemmelt. Stimmt. Das würde ich anders machen. Wir haben den Namen Itchy Poopzkid vom ersten Tag an gehasst. Aber dann hießen wir halt so und konnten uns auch nicht umbenennen. Wenn wir im Fernsehen vorkamen, fanden wir unseren Namen immer doof. Am Anfang war es doch so, wenn wir auf Bandcontests oder in Jugendhäusern gespielt haben, sind wir mit unserem Namen herausgestochen. Vielleicht hat er uns damals sogar geholfen, so beschissen er war. Aber wenn man als Band ernst genommen werden will, man älter wird und denkt, man will schon noch so zehn, zwanzig Jahre mit der Band verbringen, dann will ich mit fünfzig nicht mehr den Bandnamen erklären müssen.
Routine hilft dabei, sich die Freiheit herauszunehmen und spontan zu sein. Ich finde Spontanität immer geil. Es passieren immer Sachen, die nicht geplant sind und die machen es nie schlechter. Wenn du dir ein perfektes Konzert ansiehst, war es schön, aber vielleicht erinnerst du dich nicht mehr daran. Wenn aber jemand von der Bühne fällt, dann merkst du dir das. Bei uns passiert immer etwas. Ständig geht irgendwas kaputt, da sind wir sehr anfällig dafür. Da macht man halt das Beste daraus. Ich surf manchmal auf dem Gitarrenkoffer durch das Publikum.
Ich surf manchmal auf dem Gitarrenkofer durch das Publikum.
Bei Itchy ist immer etwas los.
Da gab es in Berlin eine Riesenshow vor Bad Religion. Ich stehe auf dem Koffer, will gerade spielen und der coole Typ sein, aber da kam halt nix. Ich steh da oben vor 1.500 Leuten und ich kuck halt nur. Die kucken auch und denken: „Was macht der da?“. Das war einer meiner peinlichsten Momente. Aber im Nachhinein kann man darüber lachen. Nach zwei Minuten peinlicher Stille auf dem Ding ging es dann weiter, und als ich wieder auf der Bühne war, haben wir das offensiv angesprochen und ausgekostet.
Sehr sogar. Es gibt große Feindschaften innerhalb der Band. Ich bin Bayern-Fan, das ist in Deutschland nicht so gern gesehen, außer bei den Bayern-Fans. Panzer, unser Bassist, ist VfB Stuttgart-Vereinsmitglied und Dauerkarteninhaber. Max, unser Drummer ist auch VfB-Fan, da gibt es natürlich Beef in der Band. Ich bin beim erfolgreicheren Verein, da hab ich öfter was zu lachen. Wobei, wenn die Bayern dann einmal verlieren, dann kann ich mir einiges anhören. Und wir haben alle Fußball gespielt, Panzer und ich früher auch einmal zusammen, also gibt es da auch eine sehr große Verbindung zu Fußball. Und wenn wir im Night-Liner fahren, das Erste, was wir machen ist, FIFA einlegen und Playstation zocken. Das geht dann oft bis in den frühen Morgen.
Wenn die Bayern einmal verlieren, kann ich mir einiges anhören.
Auch Fans des deutschen Rekordmeisters haben es nicht immer leicht.
Wahrscheinlich für den VfB Stuttgart. Das ist der Verein, der am nächsten zu unserer Heimat ist. Und außerdem würden mich die anderen beiden eher dazu bringen, für den VfB eine Hymne zu schreiben. Sie würden das für Bayern niemals machen.
Austria Wien? Rapid? Nein, im Ernst. Wir haben uns darüber noch nie Gedanken gemacht, aber wahrscheinlich für irgend so einen Scheich-Klub oder einen Brause-Limonaden-Hersteller-Klub. Aber sonst? Es muss halt irgendeine Verbindung da sein.
Wir haben hauptsächlich gute Erfahrungen als Vorband gemacht. Wir waren oft mit befreundeten oder coolen Bands unterwegs. Es gab kaum eine, die uns blöd behandelt hat. Und wenn, dann war es meistens auch nur die Crew oder der Tour-Manager. Die Band war eigentlich nie blöd. Wir versuchen das unseren Tour-Bands auch weiter zu geben, wissen, wie das ist und wollen auch, dass sie sich wohl fühlen. Das Klima Backstage soll einfach toll sein. Wir machen das ja alle gerne. Wir holen ja auch nur Bands, die wir gut finden und die vielleicht schon Freunde sind.
Es gab kaum eine Band, die uns blöd behandelt hat.
Itchy hatten als Vorband tolle Bands, mit denen sie spielten
Aber es gibt immer bei der letzten Show einen Tourscherz, den wir machen. Das ist ein Brauch, der wurde auch bei uns schon oft vollzogen von den damaligen Hauptacts. Da müssen die Vorbands schon leiden. So in die Flaschen auf der Bühne Salz reinstreuen oder Pfeffer auf die Snare. Oder Mikroständer auf Kniehöhe. Da gibt es viele Sachen, die ich nicht alle verraten will, es könnte ja eine zukünftige Vorband lesen. Aber wir wollen immer ein gutes Verhältnis zu unseren Vorbands. Wir zahlen ihnen auch immer etwas aus unserer Tasche, weil wir wissen, wie es am Anfang ist. Für das Karma ist es gut, wenn man kein Arschloch ist.
Bei den Helden der Helden findest du noch mehr lässige Interviews mit Musikstars. Da erfährst du spannende Hintergrundgeschichten, lustige Schmankerl und auch, was sie abseits der Bühne treiben. Da lernst du vor allem österreichische Popkünstler von völlig neuen Seiten kennen:
Adel Tawil: “Ohne Bühne, ohne Applaus, nicht viel war übrig!”
Stefan Jürgens: “Wien hat mich gelehrt, das Leben humorvoll zu sehen!”
Nino aus Wien: “Ich höre gerne Hits, ich schreibe halt keine!”
Rapperin Yasmo: “Sich zu behaupten, geht auch ohne Hierarchie!”
Cil City: “Wenn die Energie passt, darf auch was danebengehen!”
Eric Papilaya: “Musiker sein, ist wie ein Marathon, nur ohne Ziel!”
Sportfreunde Stiller: “Kunst ist dafür da, Freiheit zu spüren!”
Bernhard Speer: “Verschwitzt, komplett hin. Also alles richtig gemacht!”
Christian Hummer von Wanda: “Statt 150 kamen plötzlich 15.000!”
Arabella zu Starmania: “Es braucht viel Mut und Verletzlichkeit!”
Cley Freude: “Jeder Mensch ist ein Held und für jemanden wertvoll!”
Titus Vadon: “Musiker müssen innerlich brennen, sonst wird’s fad!”
Manuel Rubey: “Ich könnte Tag und Nacht Sport schauen!”
KØLEEN: “Ich liebe Kontraste im Leben, vor allem in meiner Musik!”
PAENDA im Interview: “Nicht nur meine Texte haben eine Message!”
Amy Wald: “Meine Sexualität war für mich nie so eine große Sache.”
Mala Frank im Interview: “Dann hat mich Bryan Adams gebeten, ihn zu covern!”
Christopher Seiler: “Wenn du einen Idioten spielst, musst du gscheit sein!”
Anna Heimrath nach Starmania: “Mein Ziel ist, von der Musik zu leben.”
Ina Regen: “Kenne deinen Grund, warum du was machst!”
Paul Pizzera: “Die Konzert-Geilheit bleibt trotz Absage-Frust!”
Russkajas Georgij: “Alles in meinem Beruf ist Freizeit!”
Wendja: “Neben dem Musikmachen ist Sport mein Leben!”
Marco Pogo: “Den Bierbrunnen will ich wirklich!”
Silbermond: “Ein Kind auf die Welt bringen ist heldenhaft.”
Vamummtn-Rapper Ansa: “Autotune-Gedöns ist nicht unsers!
Kaiser Franz Josef : “Unsere Musik ist zu leiwand fürs Radio!”
Nathan Trent: “Billie Eilish hat das Game revolutioniert!”
Cordula-Grün-Held Josh.: “Gig im Burgtheater wäre geil!”
Steve Hogarth: “Über John Lennon geht nichts!”
Nightwish: “Dem würde ich das Härteste geben.”
Prohaska über Musik: “Der Ambros ist mein größter Held!”
Hans Krankl: “Jeder Auftritt ist eine Heldentat!”
Alf Poier: “Mein halbes Leben war eine Heldentat!”
Aufmacherbild: (c) Diana Mühlberger
Der Wiener Journalist ist seit 2016 Musik-Ressortleiter bei heldenderfreizeit.com, schreibt für diverse Musikfachmedien wie Stark!Strom berichtet dabei über Konzerte, Neuerscheinungen, führt Interviews und erstellt Besten- und Playlisten zu den Top-Liedern von Musikstars.