Der Kino-Abschied des ikonischen Peitschenschwingers aus der Feder von Steven Spielberg und George Lucas war mit dem letztjährigen Dial of Destiny leider etwas umstritten. Das neue digitale Abenteuer aber könnte die Wogen für Fans wieder glätten – mehr dazu in unserem Indiana Jones und der Große Kreis Test.
von Klaus Kainz, 14. 12. 2024
Harrison Ford mag den Hut an den Nagel gehängt haben, aber Indy lebt weiter. Tatsächlich ist Indiana Jones und der Große Kreis vermutlich das, was sich viele ursprünglich von einem vierten oder fünften Film erhofft haben. Denn die Welt der Games ist glücklicherweise nicht an das Alter eines bestimmten Hauptdarstellers gebunden. Zum Jahresende 2024 erscheint das Spiel auf Xbox, Gamepass und PC, während eine PS5-Version für 2025 angekündigt wurde (Apropos 2025! Diese 25 Hits erscheinen im neuen Jahr)
Am Anfang sehen wir Indy 1936 in einem Tempel in Südamerika – Moment, das kennt man doch! Als Tutorial-Level hält im neuen Game tatsächlich die erste Szene aus dem Erstlingsfilm Jäger des Verlorenen Schatzes her (hier übrigens unsere Top 100 Kultfilme). Aber nach dieser kurzen Gameplay-Lektion verschlägt es Indiana Jones in ein gänzlich neues Abenteuer.
Denn kurz darauf schon kommt ein Sprung nach vorne: Ein riesiger Latein-sprechender Muskelmann stiehlt ein ägyptisches Artefakt aus Indys Museum und gibt ihm dabei auch noch ordentlich eins auf die Mütze. Wie sich herausstellt, handelt es sich dabei um eins von dreizehn heiligen Artefakten, deren Ursprungsorte auf einem Globus markiert einen “Großen Kreis” ergeben. Diese Artefakte gilt es nun zu bergen, bevor es böse Mächte tun. Denn auch ein Nazi-Archäologe namens Voss ist dem Großen Kreis auf der Spur. Indy bekommt währenddessen von der Journalistin Gina Lombardi tatkräftige Unterstützung, die gleichzeitig nach ihrer verschollenen Schwester sucht.
Klar, ganz auf dem Niveau eines Spielberg ist das Story-Telling nicht – schafft es aber trotzdem überraschend nah an das alte Indy-Feeling heran. Indiana Jones selbst ist noch immer der weltgewandte Haudegen mit einem unerschöpflichen Wissen an archäologischen Fakten, das er smart einzusetzen weiß, während er immer mal wieder trocken-sarkastische Sprüche klopft. Nicht nur das Gesicht vom jungen Harrison Ford wurde dabei übernommen, sondern auch die Gestik der Filme penibel repliziert.
Ein bisschen bleibt nur die berüchtigte “Uncanny Valley”. Denn Animationen im digitalen Gesicht Fords wirken ungewohnt, weil man eben das Original kennt. Und gerade die deutsche Stimme hat kaum etwas vom alten Ford-Synchronsprecher Wolfgang Pampel. Die englische Performance von Troy Baker kommt schon ziemlich gut an das Original heran, aber irgendwie passt es doch nie ganz. Das mag für manche ketzerisch sein, aber womöglich hätte es besser gepasst, Indy hier ein neues Gesicht zu verpassen.
Die erste Enthüllung vom Gameplay von Indiana Jones und der Große Kreis war durchaus überraschend. Statt einem Klon von Uncharted oder Tomb Raider spielt das neue Abenteuer nämlich in der Ego-Perspektive – und folgt somit den vorherigen Wolfenstein Titeln vom Entwickler MachineGames. Allerdings ist das Geballer hier eher zweit- oder drittrangig zu bewerten. Vielmehr ist der Große Kreis eine Mischung aus Stealth, Faustkampf und Adventure, mit einer kleinen Brise Open World.
Das heißt, ihr dürft wortwörtlich in die Schuhe von Indy schlüpfen, um exotische Kulissen nach historischen Geheimnissen abzuklappern – diesmal im Vatikan, wieder zurück in Ägypten und Südamerika und in ein paar kleineren Nebenabschnitten. In relativ offenen Sandboxen mit historischen Indy-Settings gilt es dabei Faschisten zu vermöbeln, kleine und große Geheimnisse zu lüften, verborgene Tempel zu erkunden, hier mal ein Schieberätsel und dort mal ein Zahlenrätsel zu lösen. Und über so manchem Abgrund muss dann schließlich die ikonische Peitsche geschwungen werden.
Überraschenderweise ist die Peitsche vor allem beim Kämpfen nicht mega-wichtig. Vielmehr ist Vorsicht angesagt. Üblicherweise habt ihr kaum Kugeln für euren Revolver und in der Überzahl lassen sich die Nazis nur schwer bezwingen. Glücklicherweise sind die Level voll mit harten Haushaltsgegenständen, die ihr euren Gegner von hinten über die Rübe schlagen könnt. Wenn ein Soldat einmal eine Knarre fallen lässt, könnt ihr die auch benutzen, aber immer mit begrenzter Munition.
Die Level sind kleiner als typische Open World Games, aber das ist nicht schlimm. Eine Indiana Jones Story muss nicht länger als notwendig dauern. Dafür finden sich abseits der Hauptgebiete überall Geheimnisse, kleine zu knackende Codes, versteckte Schlüssel und verborgene Schätze, vielleicht mal ein Boxer-Turnier, oder Sidequests mit anderen Archäologen. Die jeweiligen Gebiete werden zwar linear hintereinander abgeklappert, aber innerhalb der Maps habt ihr relativ schnell Freiheit, euch umzusehen, wo ihr wollt. Und das ist oft auch wichtig. In der Story braucht es oft Geld aus den optionalen Gebieten und gleichzeitig lassen sich über versteckte Broschüren und Bücher Extra-Skills und Upgrades freischalten.
Durch die Kampagne schafft man es vermutlich in elf oder zwölf Stunden, während locker 20 Stunden drinnen sind, will man alles finden.
Vor allem die Präsentation trägt dabei die Atmosphäre. Zwar sind die Open Worlds nicht die größten, aber dafür ein Augenschmaus. Das Spiel fährt nämlich mit enormer Detailverliebtheit auf und macht so die historischen Settings richtig spürbar, egal ob in reich geschmückten Bibliotheken im Vatikan, muffigen Gruften und Gräbern, oder in mit Propaganda zugepflasterten Nazi-Lagern. Dazu noch diverse Cover und Remixe der alten Musik von John Williams und ein waschechtes Indy-Feeling ist vorprogrammiert.
Eigentlich begrüßen wir, dass der Große Kreis kein typischer Shooter oder Open-World-Titel im Indiana Jones-Gewand ist. Denn das Spiel legt theoretisch den Fokus genau auf die Aspekte, die Indiana Jones ausmacht – knobeln, erforschen und gelegentliche Handkanten-Action. Allerdings ist das Spiel insgesamt fast schon zu einfach, wodurch die Konzepte nie ganz aufblühen. Besonders im normalen Schwierigkeitsgrad ist die KI strunzdumm. Selbst tagsüber mitten in der offenen Wüste kann sich Jones an die Gegner komplett ungesehen heranschleichen, solange er sich in der Hocke befindet. Schlägt man einen Nazi von hinten KO, fällt es wiederum den anderen, die direkt daneben stehen, einfach nicht auf.
Immerhin kann der Schwierigkeitsgrad der Gegner nach oben geschraubt werden. Fatalerweise gibt es aber keinen brauchbaren Hard-Mode bei den Rätseln. Oft sind die Weltkarte und die eingebauten Hilfsmechaniken zu mächtig und manche Aufgaben dadurch fast schon mehr Quick Time Events als echte Herausforderungen, weil es oft lediglich den angezeigten Button prompt zu drücken gilt oder riesige Icons die Stellen markieren, die geheime Tore öffnen.
Auch sonst sind vor allem während der Hauptquest die üblichen Schiebe- und Zahlenrätsel selten herausfordernd. Das klingt wie ein komischer Vergleich, aber tatsächlich war zuletzt das Silent Hill 2 Remake als Erkundungs- und Rätselspiel deutlich anspruchsvoller als nun Indiana Jones – obwohl bei Indy genau diese Aspekte im Mittelpunkt stehen sollten.
Klar, ganz wird Indiana Jones und der Große Kreis das Gefühl von (hochwertiger) Fan Fiction nie los. Gerade die alte Trilogie von Steven Spielberg spielt bei der Story-Inszenierung schließlich in der obersten Liga. Und ein Troy Baker ist kein Harrison Ford – auch wenn er eine sehr gute Imitation hinlegt. Gleichzeitig war es aber in einem Videospiel noch nie so immersiv, selbst in die ikonische Lederjacke mit Fedora zu schlüpfen. Die Story bietet fast alle Grundpfeiler einer ikonischen Indiana Jones Story. In den angenehm kompakten Sandboxen macht es als Fan Spaß, überall kleine Geheimnisse zu finden – und Aliens kommen zum Glück auch nicht vor.
Allerdings ist beim Gameplay durchaus Luft nach oben geblieben. Während die alten Point ‘n’ Click Klassiker wie Indiana Jones and the Fate of Atlantis oft zu kryptisch waren, ist der Große Kreis manchmal etwas zu seicht was die Rätsel angeht. Die Erkundung macht zwar trotzdem Spaß, aber manchmal öffnen sich die verborgenen Gräber fast von selbst. Während im Normal-Modus die Gegner cartoon-artig dumm agieren. Es wäre schön gewesen, hätte man den Spielern mehr zugetraut.
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Der Redakteur (APA, Helden der Freizeit) und Videospiel-Blogger reviewed für uns vor allem Games, Serien und Filme - ist aber auch so manchem Naturausflug nicht abgeneigt.