Was kommt dabei raus, wenn Ubisoft einen Blick über die eigene Formel hinaus wagt? Ein richtig gutes Open-World-Game. Von welchen modernen Lasten des Genres sich Immortals: Fenyx Rising befreit und welche Klötze ihm trotzdem noch am Bein hängen, verraten wir euch.
7. Dezember 2020: Der monströse Typhon ist aus seinem Gefängnis ausgebrochen und hat die Götter des Olymps ihrer Essenz beraubt. Da braucht es einen echten griechischen Helden, wie aus den Sagen, um die Welt zu retten. Zum Glück strandet Fenyx, ein einfacher Schildträger, auf der Insel der Götter, um sich des Problems notgedrungen anzunehmen.
Gleich vorweg: Immortals: Fenyx Rising strotzt nicht gerade vor Innovation. Ubisoft hat hier das Rad nicht neu erfunden. Aber streckenweise fühlt es sich so an, weil das Game so gar nicht den Spuren anderer Ubisoft-Open-World-Games folgt. Natürlich finden sich mancherorts Rückstände der alten Formeln. So lassen sich zum Beispiel interessante Punkte auf der Karte von Aussichtspunkten entdecken und markieren.
Was dieses Spiel aber richtig macht, ist, wo es sich seine Inspirationen sucht. Nicht etwa bei Assassins Creed, Watchdogs und Co., sondern vielmehr bei einem großen Vorbild: The Legend of Zelda – Breath of the Wild. Immortals pickt sich die besten Stücke davon heraus und baut daraus etwas richtig Gutes. Das heißt vor allem, dass das Spiel sich darauf besinnt, was eine Open-World ausmacht: Erkunden, große Landschaften, eine Story, die es sich zu entdecken lohnt und ein originelles Setting. Kein Grind, keine unendlichen Sammelaufgaben und keine halben Sachen.
Immortals: Fenyx Rising geht, was seine Thematik angeht, aufs Ganze. Fast die gesamte griechische Mythenwelt wurde auf die eine oder andere Weise eingebaut. Alle Charaktere bis auf Fenyx sind Sagen entlehnt und dem Quellmaterial treu, obwohl sie eher als Karikaturen angelegt sind. Diese Überspitzung ihrer Merkmale und die ständige Narration erlauben es auch Unkundigen, der Story zu folgen.
Der Plot wird über eine Rahmenhandlung erzählt. Der in Ketten liegende Prometheus erzählt Zeus die Geschichte des Helden Fenyx. Er behauptet, erst wenn Zeus sich die ganze Geschichte angehört hat, kann sie wahr werden. Wenn Zeus also sein Pantheon retten will, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich die ausschweifende Erzählung des Titanen Prometheus anzuhören. Fast alles, was der Spieler tut, wird aus dem Off von den beiden kommentiert. Das wird nach einer Zeile ein wenig anstrengend, ist aber manchmal auch sehr unterhaltsam.
Das gilt für die gesamte Story. Fast jede Textzeile beinhaltet einen Witz, jeder einzelne Charakter ist überlebensgroße Karikatur seiner selbst und dabei soll dann noch eine halbwegs ernste Handlung erzählt werden. Das ist ein Segen und ein Fluch. Zwar kann das Storytelling manchmal überfordern, ist dabei aber so bemüht, dass es nicht so schnell langweilig wird, wie bei manch anderem Ubisoft-Game.
Das Gameplay folgt den Regeln eines klassischen Zelda-Style Open-World-Games. Die Kämpfe spielen sich flüssig und sind nicht übermäßig komplex. Das macht sie aber nicht einfach, sondern konzentriert aufs Wesentliche. Das Kampfsystem kümmert sich wenig um Level oder Gear, sondern basiert vor allem auf Skill. Ausrüstung und Erfahrungspunkte haben zwar Einfluss, aber auch viel stärkere Gegner können mit genug Konzentration überwunden werden. Wie schon vorher erwähnt: es braucht keinen Grind, um voran zu kommen.
Der zweite Hauptteil des Gameplays sind die Rätsel. Mehr noch als die anderen Elemente des Spiels erinnern sie an Breath of the Wild, und das ist ein Kompliment. Nicht zu leicht und nicht zu knifflig. Ohne einen je zu sehr an die Hand zu nehmen, bietet einem das Spiel alle Werkzeuge, die es zur Lösung braucht, und lässt einen dann selbst drauf kommen. So gibt es viele kleine Erfolgsmomente, ohne zuvor lange frustriert zu sein.
Die Ästhetik des Spiels ist klar für ein jüngeres Publikum ausgelegt. Charaktere, Kreaturen und Welt sind farbenfroh und cartoonartig designt und erinnern an Disney-Animationsfilme. Das passt auch zum Erzählton. Obwohl es keine hyper-realistische Grafik zu bestaunen gibt, ist das Spiel schöner anzusehen, als die meisten Open-World-Games dieser und der letzten Generation. Es braucht nicht immer Realismus – manchmal ist Kreativität und Style wichtiger.
Auch optisch ist Immortals: Fenyx Rising seiner engsten Vorlage treu und baut darauf auf. Die Handvoll Regionen der Insel unterscheiden sich angenehm, sind allesamt eindrucksvoll und passen thermatisch zu den Göttern, denen sie gewidmet sind. So ist zum Beispiel Ares Zone ein einziges desolates Schlachtfeld und Hephaistos Zone eine riesige Schmiede. Die Gebiete sind abwechslungsreich und nicht nur Bereiche auf einer Landkarte.
Immortals: Fenyx Rising ist kein durch und durch originelles Spiel, aber ein toller Mix aus früheren Open-World Games. Bei dem Versuch etwas Kindgerechteres abzuliefern hat Ubisoft versehentlich all seinen Balast abgeschüttelt, der dafür sorgte, dass Assassins Creed und Co sich oft wie Arbeit anfühlten. Wer also Lust auf 25 Stunden exzellente Open-World Unterhaltung hat und nicht darauf besteht, 100 Stunden lang mit leerem Content eingelullt zu werden und wem der Sinn nach einer farbenfrohen Welt voll skurriler Charaktere steht, der ist hier richtig. Eine erfrischende Besinnung auf das Wesentliche.
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Alle Screenshots (c) Ubisoft, heldenderfreizeit
Peter Huemer stellt bei den Helden der Freizeit jedes Monat in "Peters Buchtipp" ein außergewöhnliches Werk vor. Außerdem schreibt er bei uns über Games, Kino und Streaming. Der Freie Schriftsteller hat vergleichende Literaturwissenschaft studiert und arbeitet auch als Lektor, Korrektor und Übersetzer.