Liest man in der Besetzungsliste Al Pacino, steigen unweigerlich die Erwartungen an eine Serie. Und wirklich, Al Pacino liefert ab wie eh und je. Schade nur, dass das ganze Drumherum in Hunters ein einziges Chaos ist. Unser Review zur neuen Amazon-Prime-Produktion.
von Sophie Neu
21. Februar 2020: Nazijagd im Amerika der 70er. Das klingt spannend, oder? Leider kann die neue Amazon-Prime-Video-Serie Hunters trotzdem nicht überzeugen. Eigentlich ist der Cast mit einer Filmlegende wie Al Pacino und Serienprofis wie Josh Radnor vielversprechend. Wären da nicht die vielen anderen störenden Kleinigkeiten, die sich summieren. Wie die unnötig ekligen Folterszenen, die eindimensionalen Nazis oder das stellenweise wirklich fürchterliche Deutsch in der Originalvertonung. Wir durften für euch die ersten 5 Folgen der Nazijäger-Serie auf Amazon schauen.
Was wir im Endeffekt von Hunters auf Amazon Prime halten, lest ihr in der Kritik. Besseren Stoff findet ihr definitiv in unserer Liste der 22 besten Amazon-Prime-Serien.
Als der junge Jonah (Logan Lermann) in den 70ern mitansehen muss, wie seine Großmutter zuhause von einem Fremden erschossen wird, beginnt er auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei kommt er zu einer erschreckenden Erkenntnis: Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs haben es viele hochrangige Nazis nach Amerika geschafft und dort unter neuer Identität weitergelebt. Seine Großmutter war Mitglied der Jäger, einer geheimen Gruppierung an Juden, die diese Verbrecher zur Rechenschaft bringen will. Und das wurde ihr zum Verhängnis.
Mehr oder weniger widerwillig nimmt Meyer Offerman (Al Pacino), Kopf der Jäger, Jonah in den Geheimbund auf und zeigt ihm die Dimensionen der Nazi-Infiltration in Amerika. Derweil kommt auch FBI-Ermittlerin Millie Malone (Jerrika Hinton) den Hunters auf die Spur, als sich die teils kuriosen Morde an deutschen Immigranten häufen. Schon bald steht auch ihr Leben auf dem Spiel, als sie entdeckt, dass es sich bei den Mordopfern um Nazis handelt.
Es ist und bleibt schwer, einen glaubhaften Film oder eine Serie zu schaffen, in der Rache das zentrale Motiv ist. Und auch die neue Amazon-Produktion Hunters kränkelt daran. Denn auch wenn hier krampfhaft wieder und wieder versucht wird, die Rache, die die jüdische Gruppierung an den Nazis nimmt, ins Lustige zu ziehen, so bleibt beim Zuschauer ein unangenehmer Beigeschmack zurück.
Wie etwa in einer Szene, in der eine ehemalige Nazi-Propagandistin mit Pferdeäpfeln zwangsgefüttert wird, um ihr Informationen zu entlocken. Abgesehen davon, dass es ganz und gar unpraktisch ist, jemandem Fäkalien in die Körperöffnung zu stopfen, die wichtige Details äußern könnte, sahen es die Erschaffer von Hunters nötig, diese Sequenz ins Unerträgliche zu ziehen. Und wie zu erwarten, entpuppt sich die Folterei als sinnlos, als Al Pacino dem Ganzen mit einem Kopfschuss ein Ende setzt, ohne an irgendwelche Infos gekommen zu sein. Dieses Muster wiederholt sich in Hunters mehrmals.
Vor allem verdreht sie ihre Protagonisten von gerechtigkeitssuchenden Helden zu sadistischen Monstern, die auch Unschuldige involvieren, wenn sie dadurch das bekommen, was sie wollen. Wie etwa bei ihrem Banküberfall, bei dem ein paar Wachmänner leiden müssen. Eigentlich wollen sie nur in ein Nazi-Schließfach gelangen, im Endeffekt lassen sie aber dann doch ein paar Scheine mitgehen. Helden sehen anders aus.
Das passt auch nicht sonderlich gut zu dem als philantropisch dargestellten Meyer Offermann, der sowieso schon im Reichtum lebt. Al Pacino spielt seine Fähigkeiten in der Rolle nach besten Möglichkeiten aus. Doch leider begrenzt ihn das Drehbuch ungemein. Denn der Großteil seiner Zeit am Bildschirm wird dafür aufgewendet, ihn als gutmütigen alten Mann darzustellen. Wenn das dann plötzlich umschlägt und er brutal Nazis ermordet, fehlt jede Form des Übergangs.
Doch diese Inkonsistenz reiht sich im Endeffekt nur in eine ganze Kette an Ungereimtheiten ein, wenn es um die Mitglieder der Jäger geht. Denn trotz einer ganzen Schar angesehener Schauspieler, wie etwa Josh Radnor oder Logan Lerman, bleiben sie flach und klischeehaft.
Bei Lermanns Rolle kann man nicht darüber hinwegsehen, dass seine ganze Story von Comics inspiriert ist. Daraus wird auch in der Serie kein Hehl gemacht. Ganz plump wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Jonah wie Batman sei. Schließlich verliert er seine Familie durch ein Gewaltverbrechen und will böse Verbrecher aus dem Rennen ziehen. Zwar ist dieser Vergleich anfangs ganz amüsant, doch die Serie erzwingt ihn so konstant und penetrant, dass es schnell ermüdend wird.
Diese fehlende Subtilität macht sich aber nicht nur bei den Hauptcharakteren bemerkbar. Auch bei den Nazis reibt die Serie sie einem immer wieder unter die Nase. Denn im Endeffekt sind in Hunters alle Nazis genau gleich und eins zu eins austauschbar. Sie sind allesamt skrupellos, lieben nichts und niemanden und natürlich haben sie zuvor in Konzentrationscamps grausige Spielchen mit den Insassen gespielt.
Damit nimmt die Prime-Serie den billigen und leichten Ausweg der Dehumanisierung um zu rechtfertigen, dass die Nazis sadistisch umgebracht werden. Einerseits ist das natürlich künstlerische Freiheit und ein amerikanisches Verständnis von Nationalsozialismus. Andererseits wäre es eigentlich gerade bei diesem sensiblen Thema angebracht, auch die subtile Banalität des Bösen darzustellen.
Da hilft es auch nicht gerade, dass sich beim Schauen der Originalvertonung die Zehennägel aufrollen, wenn die „Nazis“ in brüchigstem Deutsch Befehle bellen. Dann schwindet auch das letzte bisschen Immersion. Klare Empfehlung also für alle, die bei Hunters reinschauen wollen: Die deutsche Vertonung anschauen und sich dieses Leid ersparen.
Positiv an Hunters ist im Endeffekt vor allen Dingen der Stil. Die Mischung aus 70er-Design und Sequenzen, die stark an Quentin Tarantinos Werke erinnern, machen Hunters visuell durchaus beeindruckend. Von der Flamingo-Tapete in Florida bis zu Josh Radnors viel zu tief aufgeknüpften Hemden ist alles stimmig. Und auch Jonahs introspektiven Momente, die wie Szenen aus Tarantino-Filmen anmuten, machen Spaß. Wenn alle Hunters der Reihe nach wie Superhelden mit peppigem Schriftzug vorgestellt werden, vergisst man kurzzeitig das riesige Plot-Chaos, das sie umgibt.
Die neue Prime-Serie Hunters kann visuell durchaus unterhalten, wenn man nicht zu sehr über sie nachdenkt. Doch anfreunden wird man sich mit Jonah und seinen Kollegen trotzdem nicht.
Statt gerechten Rächern hat das Format sie zu sadistischen Monstern verkehrt, deren primäres Ziel es nicht einfach ist, die Welt von grausamen Nazis zu befreien, sondern sie möglichst brutal zu meucheln. Und aus irgendeinem Grund, glauben die Schaffer, dass die Zuschauer das befürworten und es lustig finden würden.
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Bilder: © 2019 Amazon Inc.
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.