In der neuen Netflix-Serie Hollywood warten Glee-Produzenten Ryan Murphy und Ian Brennan mit viel Glanz und Glamour aus den goldenen Jahren auf. Gespickt ist die Story von Film-Aufsteigern mit wichtigen und richtigen Botschaften zu Offenheit und Gleichheit. Warum die Rechnung trotzdem nicht ganz aufgeht, lest du in unserer Kritik.
von Sophie Neu
30. April 2020: Mit Hollywood transportieren Glee-Produzenten Ryan Murphy und Ian Brennan ab 1. Mai ihr altbekanntes Format in die goldenen Jahre Hollywoods. Sie erzählen die Geschichte von Außenseitern, die nicht den Idealen der damaligen Zeit entsprechen und sich trotz aller Widrigkeiten bis an die Spitze der Filmindustrie hochkämpfen wollen. Doch ganz durchdacht ist die dahinterliegende Message nicht. Unterhaltsam ist Hollywood aber allemal. Was uns an der neuen Netflix-Serie gefallen und gestört hat, liest du im Review.
Die weiteren brandneuen Netflix-Highlights findest du übrigens hier in unserer großen Mai-Vorschau.
Hollywood in der frühen Nachkriegszeit, ganz Amerika träumt davon es dort zu schaffen und groß rauszukommen. Auch Jack (David Corenswet), einem jungen Kriegsveteranen, geht es nicht anders. Blöd nur, dass es Connections braucht, um ins Filmbusiness einzusteigen. Damit er sich und seine Frau trotz mangelnder Filmangebote über Wasser halten kann, heuert er erstmal bei Ernie (Dylan McDermott) an. Der betreibt eine Tankstelle. Und die bietet mit ihren gutaussehenden Mitarbeitern der Klientel mehr als nur Tankauffüllen. Als er dadurch eine Assistentin der Casting-Leiterin der ACE-Studios kennenlernt, hat er endlich einen Fuß in der Tür.
Gleichzeitig versucht auch Archie (Jeremy Pope) den großen Durchbruch in der Industrie zu schaffen. Sein Drehbuch Peg ist vielversprechend, aber die Studios weigern sich, einen Afroamerikaner als Drehbuchautoren zu akzeptieren. Währenddessen wirbt ihn Jack ebenfalls für Ernies Tankstelle an. Dort lernt er den angehenden Schauspieler Rock (Jake Picking) kennen und verliebt sich. Doch die vorherrschende Homophobie erlaubt es ihnen nicht, ihre Gefühle frei auszuleben. Ray (Darren Criss) hingegen stehen als Produzent alle Türen offen und schon bald ergattert er seinen ersten Film, als er sich durch einen Stapel an Drehbüchern liest. Wie es der Zufall will, ist es just eben Archies Geschichte. Und wer wäre perfekter für die Rolle, als Rays überaus talentierte Freundin Camille (Laura Harrier), die bisher trotz ihrer Fähigkeiten nur Rollen als Haushälterin bekommen hat? Wären da nicht der alltägliche Rassismus der Gesellschaft gegenüber Afroamerikanern.
Hollywood ist eine durchweg unterhaltsame Serie. Sie bringt alles mit, was man von Feelgood-Formaten erwartet. Tolle romantische Szenen, schwungvolle Dialoge und ein gutes Gefühl beim Zuschauen. Es ist hier unmöglich, keine Parallelen zu Glee zu ziehen, der überaus erfolgreichen Musical-Serie, die Ryan Murphy lange Zeit produziert und mitgeschrieben hat. Auch in der neuen Netflix-Serie wird den Zuschauern vermittelt, dass alles gut wird, wenn man nur hart genug arbeitet.
Doch hier liegt die Krux. Es ist ja das Hollywood der späten 40er, mit all seiner Intoleranz, Schwulenfeindlichkeit und dem omnipräsenten Rassismus. All das wird natürlich in der Serie thematisiert, aber es wird vor allem bagatellisiert. Denn ausnahmslos alles, was die Hauptfiguren unternehmen, schaffen sie auch. Die Gesellschaft stellt sich ihnen nicht in den Weg. Im Gegenteil, die Studioleitungen scheinen ihnen den roten Teppich auszurollen. Manchmal wird es leicht angedeutet, die wirklich hässlichen Gesichter des Rassismus bekommen wir aber nicht zu sehen. Hollywood bietet uns damit maximal Rassismus-light. Uns als Zuschauer freut der Erfolg der sympathischen Hauptcharaktere natürlich. Im Endeffekt ist die Netflix-Miniserie damit aber fernab der damaligen Realität. Vielleicht will sie uns auch nur zeigen, was wäre, wenn Amerika wirklich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wäre.
Trotzdem dürfte es ein Schlag in die Magengrube für alle Menschen sein, die damals mit viel Talent und großen Ambitionen nach Hollywood gingen und durch eben diese Ungerechtigkeiten an einer Karriere gehindert und in die Bedeutungslosigkeit verbannt wurden. Gleichzeitig werden auch all jene aus der Verantwortung genommen, die damals für Rassismus und Homophobie verantwortlich waren. Denn Hollywood vermittelt durch diese weichgespülte Vision von Amerika zwischen den Zeilen, dass es ja gar nicht so schlimm war. Dass Afroamerikaner, Homosexuelle und andere unterdrückte Minderheiten es ja doch eigentlich hätten schaffen können, wenn sie sich genug angestrengt hätten.
Dadurch wird es schwierig, die Story von Hollywood unvoreingenommen zu genießen. Die ist aber durchaus unterhaltsam. Denn sie ist die typische Aufsteiger-Handlung. Alle Hauptfiguren finden sich zufällig mit dem gleichen Ziel in derselben Stadt wieder und schließen sich zusammen. Dabei begegnen Archie und Co. immer mal wieder kleineren Hürden, die sie aber meistern. Problematisch ist daran, dass sie nie wirklich scheitern. Dadurch bleibt die Handlungskurve flach, denn eine richtige Krise stellt sich bei keiner der Figuren ein. Ein interessantes Detail ist hier, dass sich die Story sehr ähnlich zu Archies Drehbuch Peg entwickelt, hier wurde durchaus raffiniert gearbeitet. Das allein entschuldigt jedoch nicht alle Mankos von Hollywood.
Die flache Handlungskurve ist aber auch an die generellen Feelgood-Atmosphäre der Netflix-Miniserie geknüpft. Typisch Ryan Murphy sind die Charaktere rund um Jack, Ray und Archie immer beschwingt und optimistisch. Das macht die Serie sehr angenehm zu schauen, man muss keine großen emotionalen Ausbrüche fürchten. Damit ist es eine ideale Serie zum Abschalten und Entspannen. Es geht aber auch ein Stück weit der Reiz des Settings verloren. Viele soziale Probleme, denen Archie, Rock und die anderen Figuren begegnen, werden verharmlost. So wird sexueller Missbrauch von Schauspielern durch ihre Agenten einfach zum unwichtigen Detail, es wirkt nicht mehr so dramatisch.
Rausgerissen wird das durch die großartigen schauspielerischen Leistungen einiger Darsteller. Allen voran wohl Jim Parsons, den die meisten als Sheldon aus Big Bang Theory kennen. In Hollywood ist er der gerissene Schauspielagent Herny Willson, der seine Homsexualität in der Öffentlichkeit unterdrückt. Im Hinterkämmerchen seines Büros allerdings zwingt er seine Schauspieler zu sexuellen Akten. Parson interpretiert ihn hier als innerlich tief zerrissenen, widerwärtigen und rücksichtslosen Menschen, der von der Gesellschaft zu dem gemacht wurde, was er ist. Man hat Mitleid, aber man ekelt sich auch vor seinem Willson.
Ebenfalls beeindruckend sind Jeremy Pope als Archie. Er transportiert die vielen Facetten des Drehbuchautors sehr glaubwürdig. Von tiefster Unsicherheit bis zur bitteren Wut gegenüber der sozialen Gegebenheiten der Zeit. Weniger überzeugend ist David Corenswet als Jack, der sehr eindimensional in Hollywood wirkt. Da wäre mehr dringewesen, als ihn zum immer netten Beau herabzustufen.
Trotzdem ist Hollywood sehr angenehm fürs Auge. Sets, Outfits und Makeup der Darsteller lassen die Zuschauer einen Hauch des damaligen Glamours erhaschen. Allgemein muss man bewundern, wieviel sich im Hintergrund abspielt. Besonders schön sind die Szenen im Restaurant der ACE-Studios. Dort speisen dann nicht nur Ray und Camille, sondern auch Ordensschwestern oder Zenturionen. Viele kleine Details, die vielleicht auf den ersten Blick gar nicht auffallen, machen Hollywood sehenswert und zeigen, mit wieviel Liebe an der Serie gearbeitet wurde.
Hollywood ist eine unterhaltsame Netflix-Miniserie, die uns zurück in die goldene Ära von Tinseltown versetzen soll. Das gelingt ihr auf den ersten Blick auch sehr gut, oberflächlich gesehen ist es ein sehr unterhaltsames Feelgood-Format. Unter der Oberfläche lauert allerdings das große strukturelle Problem: Durch die flache Handlungskurve scheint Archie und Co. alles zuzufliegen, obwohl sie laut Setting eigentlich durch Rassismus und Homophobie benachteiligt sein sollten. Nichtsdestotrotz ist Hollywood mit seinen stylischen Sets und Outfits zumindest einen Blick wert.
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Bilder: ©Saeed Adyani/Netflix
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.