Netflix bringt ein neues Sportdrama von Regisseur Steven Soderbergh. High Flying Bird taucht in die Welt der NBA ein und zeigt den Spielervermittler Ray beim Versuch, sich gegen mächtige Teambesitzer durchzusetzen. Wie sehenswert das ist, lest ihr in unserer Kritik.
45 Minuten muss man durchhalten. Dann wird High Flying Bird doch noch zu einem packenden Sportdrama. Und gibt dabei ganz neue Einblicke in das Taktieren der Akteure hinter dem Rampenlicht des amerikanischen Profi-Basketballs. Der neue Netflix-Film über ein NBA-Lockout ist von Regisseur Steven Soderbergh (Ocean’s Eleven, Magic Mike) und Drehbuchautor Tarell Alvin McCraney und kann zumindest als halb gelungenes Experiment gelten.
Ob es sich lohnt, die schleppenden Passagen des Films in Kauf zu nehmen, lest ihr in unserem Review.
Lockout. In der amerikanischen Basketballliga NBA bedeutet das für die Spieler absoluten Stillstand. Kein Gehalt, keine offiziellen Auftritte – bis alle Vertragsdetails zwischen Spielern und Teambesitzern geklärt sind. Sportagent Ray (André Holland) kann und will seinen Spieler Erick (Melvin Gregg) dieser Situation nicht länger aussetzen. Eric ist als Anfänger in der Liga knapp bei Kasse und auch Rays Unternehmen steht finanziell in der Krise.
Deswegen ertüftelt Ray einen ausgeklügelten Plan, wie er die mächtigen Teambesitzer ausspielen kann. Innerhalb von 72 Stunden entwickelt er am Rande der Legalität ein neues Businessmodell für NBA-Spieler, das ihnen die finanzielle Unabhängigkeit von denen, die in der NBA an den Hebeln sitzen, sichern könnte.
Die ersten 45 Minuten von High Flying Bird sind sehr langatmig. Die Story wird nur wenig vorangetrieben und das Vorstellen der einzelnen Charaktere wirkt gestellt. Viel Zeit wird mit unnötigen visuellen Überleitungen in die nächste Szene verschwendet, statt mehr Inhalt zu liefern.
Dann ist der Bann endlich gebrochen. Der Film nimmt an Dynamik und Tempo zu. Plötzlich entfaltet sich die schlau durchdachte Story. Rays intelligenter Plan geht auf. Denn im Spiel um die Macht in der NBA kann er den Teambesitzern kurzzeitig den Ball abjagen und die Industrie aufrütteln.
Rays Charakter, der vom Glauben an seinen Spieler bestimmt wird, ragt über die schwächer entwickelten Figuren heraus. Bei den anderen Charakteren hat man das Gefühl, dass sie nur die für den Film relevanten Gruppen stereotyp präsentieren sollen. Als Individuen kommen sie leider kaum zur Geltung.
Wirklich interessant, und leider nicht genügend ausgeführt, sind die vielen Andeutungen zum Thema Rassismus. Der ist bis heute im US-Profisport omnipräsent, denn das Machtverhältnis hat sich noch immer nicht zu Gunsten der Schwarzen entwickelt. Die Weißen sind immer noch die (Team-)Besitzer der großteils schwarzen Spieler.
Die Kameraführung ist insgesamt beeindruckend. Dabei stechen besonders die etwas experimentellen Weitwinkel-Einstellungen hervor, die auch bei vielen Close-ups angewendet werden. Doch merkwürdig und aus dem Kontext wirken die wiederkehrenden Unterbrechungen durch Interviews mit realen NBA-Spielern.
Das gibt High Flying Bird einen Dokumentarfilm-Charakter und soll wohl das Geschehen stärker in der Realität verankern und plausibler machen. Aber im Endeffekt zieht es ihn nur unnötig in die Länge. Die dafür verbrauchte Filmzeit hätte besser investiert werden können. Etwa in mehr Details zum Rassismus in der Branche oder zur besseren Charakterisierung zentraler Personen wie Mira (Sonja Sohn), Sam (Zazie Beetz) oder Eric.
Musikalisch setzt High Flying Bird auf Minimalismus. Hintergrundmusik ist nicht existent. Was dem Film, wie schon der Schnitt, einen Dokumentationscharakter gibt. Stattdessen wird viel mit passenden Hintergrundgeräuschen gearbeitet; dem Aufschlagen von Basketbällen und Hip-Hop-Songs, die aus dem Radio ertönen.
High Flying Bird überzeugt mit stabilem Cast. André Holland ist die Rolle des Sportagenten Ray auf den Leib geschneidert. Er kann seinen Idealismus und seine Zielstrebigkeit perfekt porträtieren. Holland verleiht ihm genau die Prise Menschlichkeit, die den Unterschied zwischen kaltschnäuzig berechnendem Agenten und engagiertem, intelligenten Sportfan ausmacht.
Aber Bill Duke mimt den Basketballtrainer Spence sehr authentisch und fängt seine Eigenwilligkeit und Störrischkeit gut ein. Nicht zuletzt schlüpft auch Melvin Gregg, der sich bisher primär als Influencer einen Namen gemacht hat, gekonnt in die Rolle des hitzköpfigen jungen Basketballers Erick verkörpern kann.
High Flying Bird ist ein Film, der geduldige Basketballfans belohnt. Wer die zähe erste Hälfte durchhält wird mit einer großartigen Bildsprache und einem tollen Plot belohnt. Durch seine Energie trägt André Holland in seiner Rolle als Ray eine Story, die ohne ihn eher lethargisch dahinplätschern würde. Das Sportdrama wirkt wie ein großes, halb geglücktes Experiment Soderberghs.
Trotzdem gibt es für alle NBA-Fans eine klare Seh-Empfehlung. Es ist spannend, tiefe Einblicke in das Profisport-Geschäft und die Machtkämpfe zwischen Agenten, Spieler-Association und Team-Besitzern zu bekommen. Als einfach gestrickte Berieselung für den Samstagabend taugt dieser anspruchsvolle Netflix-Film eher nicht. (sn)
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Fotos: (c) Netflix
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.