Wenn Gunpowder Milkshake mit einem nicht geizt, dann mit Action. Viel Platz für anderes bleibt da aber nicht mehr. In der Kritik erfährst du, ob sich dafür ein Kinotrip lohnt.
von Sophie Neu
2. Dezember 2021: Lena Headey, Karen Gillan, Angela Bassett – Gunpowder hätte eigentlich die perfekte Besetzung, um ein durchschlagender Erfolg zu werden. Und auch an bombastischer Action hat Regisseur Navot Papushado nicht gespart. Eine wilde Verfolgungsjagd in der Parkgarage, die brutale Schlägerei in der Bowlingbahn (natürlich inklusive Einsatz nasenbrechender Bowlingkugeln) und natürlich so einige Schießereien. Aber so richtige Begeisterung kommt nicht auf. Das liegt am halbgaren Stil des Films – aber vor allem auch an den unbestreitbar fürchterlichen Dialogen.
Der Film startet heute in den deutschen Kinos – in Österreich wird er sich wegen des Lockdowns verspäten. Wie gut er ist und um was es genau geht, erfahrt ihr in unserer Review:
Sam (Karen Gillan) kämpft sich seit dem Verschwinden ihrer Mutter Scarlett (Lena Headey) seit vielen Jahren als Auftragskillerin durchs Leben. Ausgebildet vom selben Verbrechersyndikat, für das schon Scarlett arbeitete, nimmt sie sich der mörderischsten Jobs an. Und absolviert sie in der Regel mit Bravour. Das alles ändert sich, als einer ihrer Aufträge schief geht und sie sich plötzlich um die Sicherheit der achtjährigen Emily (Chloe Coleman) kümmern muss. Dumm nur, dass ihr jetzt auch eine schießfreudige Verbrechermeute auf den Fersen ist, die auf Rache sinnt.
Gunpowder Milkshake macht keinen Hehl daraus, dass es altbekannte Formeln des Actionfilms recycelt. In stylishe Optik gehüllt, stört das auch zu Anfang nicht. Wohl aber irritieren gleich zu Beginn die Dialoge. Sie sind nicht elegant wortwitzig gehalten oder absichtlich satirisch übertrieben, sondern einfach nur plump und ohne jede Originalität. Es wirkt, als hätte man sich die schlimmsten Gesprächs-Passagen aus Transporter und Fast & Furious zu einem dünnen Action-Drehbuch gepanscht. Die absurdesten Texte werden wiederum mit todernster Miene von den Stars Gillan und Headey vorgetragen, dass man sie fast für ihre stoische Art bewundern muss.
Wofür ihnen und dem Film allgemein noch Bewunderung gebührt: Die wirklich exzellenten und kreativen Actionsequenzen. Statt der typischen Verfolgungsjagden im Auto durch die Stadt gibt es in Gunpowder Milkshake eine Katz-und-Maus-Jagd durch die Tiefgarage. Weil Hauptcharakter Sam so overpowert ist, verpasst man ihr flugs ein Handicap und lähmt temporär ihre Arme – woraufhin sie sich Waffen an die Hände schnallt und wild damit herumkreiselt. Regisseur Papushado hat sich in seinem Actionfilm vor allem auf das Wichtigste konzentriert: Die Action. Und sich auch gleich einige neue Stunts und Moves ausgedacht. Exekutiert werden sie von Headey und Gillan in Perfektion. Es wird herumgewirbelt mit Pistolen, brutalen Schlägern ausgewichen, sogar Saltos in der Luft sind zu sehen.
Die dicht an dicht gelegenen Actionszenen trösten fast über die Dialoge hinweg. Aber eben nur fast. Und schnell gesellt sich zum Irritationsfaktor Gerede ein weiterer dazu: Der Stil. Anfangs präsentiert sich Gunpowder Milkshake als fesche Neon-Eighties-Optik, dann plötzlich sind wir in einem völlig anderen Universum, irgendwo in Europa, alte erhabene Gebäude mit Säulen und Schnörkeln. Dann wieder spielt es in einem American Diner und ganz zum Schluss haben die Action-Damen von Gunpowder Milkshake die Siebziger wiederentdeckt und fahren in bester Hippie-Manier bei Sonnenuntergang im VW-Bus an der Küste vorbei, gekleidet in losen, bestickten Baumwollkleidern. Kohärenz sucht man in der Bildsprache von Gunpowder Milkshake vergeblich. Vielmehr wirkt es wie ein Experiment der Regie ohne genaue Überlegung. Das heißt bei weitem nicht, dass es unansehnlich ist – nur der rote Faden fehlt.
Und den findet man auch nicht wirklich in der Handlung wieder. Denn die wirkt mehr zusammengeflickt als sorgsam gewoben. Man nehme einmal die im letzten Jahrzehnt überstrapazierte Trope des verantwortungslosen Erwachsenen, der dadurch, dass er plötzlich auf ein Kind achten muss, reifer wird. Dazu mixt man eine Prise Kindheitstrauma, einen Hauch Vaterfigur, die einen verrät und voilà – fertig ist der Gunpowder Milkshake – mit den selben Zutaten wie drei von vier Actionfilme zwischen 2011 und 2021. Man kommt einfach nicht darum herum, hier Faulheit zu verorten und das Kalkül mit ausschließlich weiblicher Besetzung der Hauptrollen über den mangelnden Einfallsreichtum hinwegtäuschen zu können. Eine Rechnung, die nicht ganz aufgeht. Wobei es als Frau durchaus befriedigend ist, den talentierten Schauspielerinnen dabei zuzuschauen, wie sie mit den Schurken den Boden aufwischen.
Gunpowder Milkshake ist ein Actionfilm, dessen herausstechendstes Merkmal es ist, dass quasi der gesamte Action-Cast aus Frauen besteht. Macht ihn das besser als andere Action-Filme? Nein. Es macht ihn aber auch nicht schlechter. Wer bei lächerlich pathetischen Dialogen nicht zimperlich ist und wem es nichts ausmacht, dass der Film nicht einmal versucht zu verstecken, dass er das gleiche Drehbuch wie zig andere Titel hat, für den ist Gunpowder Milkshake ein Fest. Action und Besetzung machen ihn zu einem spaßigen Ritt, der genau das Entertainment bringt, was er verspricht.
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Bilder: © 2021 STUDIOCANAL SAS
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.