Marvels abgedrehteste Superhelden-Truppe muss wieder einmal die Galaxie retten. Was die Guardians in zwei Filmen auf der Kino-Leinwand geschafft haben, soll jetzt am Bildschirm unter deiner Kontrolle gelingen. Ob sie sich aus dem (selbst verschuldeten) Schlamassel befreien können? Das erfährst du nicht in unserem Guardians of the Galaxy Test. Alles andere zum Spiel liest du hier.
von Christoph Geretschlaeger
Spiele zu Filmen stehen unter keinem guten Stern. Erst letztes Jahr ist das Prügelspiel Avengers bei Kritikern gefloppt (wir fanden die Story in unserem Test sogar brauchbar). Entwickler Eidos Montreal (die aktuelleren Deus Ex-Spiele, Thief) versuchts in Guardians of the Galaxy mit einem storybasierten Singleplayer-Rollenspiel.
Star-Lord, Gamora, Drax, Rocket und Groot sind seit den Marvel-Filmen jedem ein Begriff. Seit sie mit der Kraft des Tanzens einen Bösewicht besiegt haben, ist ihnen ein Fixplatz in unseren Herzen gewiss. Seit kurzem ist das Action-Rollenspiel im Handel erhältlich. Wie uns das Spiel gefallen hat, liest du in unserem Guardians of the Galaxy Test:
Glücksritter auf der Jagd nach dem nächsten großen Coup. Das ist die zusammengewürfelte Truppe der Guardians of the Galaxy. Dass gleich am Beginn der Story etwas schief geht, braucht niemanden wundern. Und es wird auch nicht das letzte Mal sein. Was als kleiner Auftrag anfängt, entpuppt sich schnell als galaxieweites Abenteuer. Zuerst wollen wir nur eine Strafe begleichen, bald machen wir Jagd auf Ladys in uneinnehmbaren Festungen, Fanatiker und schließlich Drachen und religiöse Oberhäupter.
Die treibende Kraft ist aber nicht die Story, sondern sind die Gespräche zwischen den Guardians. Dialoge zwischen den Charakteren verleihen dem Spiel eine stimmige Atmosphäre, beim Entdecken und auch während den Kämpfen. Mal lustig, selten ernst, immer authentisch. Nach den ersten Trailern hatte ich Angst, dass es zu sehr ins Halblustige abdriftet. Ich kann jedoch freudig berichten, dass die Sprüche voller Herz sind und der Humor der Filme wunderbar eingefangen wurde. Auch die englische Synchronisation ist perfekt implementiert. Nach nur wenigen Spiel-Minuten sind die Stimmen (und Gesichter) des Marvel Cinematic Universe ersetzt.
Was können die Guardians am besten? Miteinander und übereinander scherzen. Was können sie am am zweitbesten? Kämpfen! In Guardians of the Galaxy steuert man Peter Quill a.k.a. Star-Lord. Gegen seine zwei Blaster und die Raketenstiefel ist in der ganzen Galaxie kein Kraut gewachsen. Vier Elemente sammeln wir im Laufe des Spiels, um gleichgepolte Schilder der Gegner zu zerstören.
Mittels Knopfdruck geben wir den anderen Guardians Befehle, oder besser gesagt Empfehlungen, was oder wen sie mit ihren Fähigkeiten attackieren sollen. Groot wurzelt Gegner, Rocket schmeißt Granaten darauf und Gamora und Drax schlitzen bzw. prügeln alles tot was dann noch steht. Fähigkeiten sind Variationen von „Hau einen Gegner“, „Hau viele Gegner“ und „Mach in nächster Zeit etwas mehr Schaden“. Das ist natürlich sehr reduziert, nur ist es sogar auf den höheren Schwierigkeitsgrad selten nötig die Skills abzustimmen, es reicht sie einfach auf Cooldown zu drücken.
Insgesamt hat mich der Combat an Dragon Age Inquisition erinnert, wobei ich gerne auch direkt die Kontrolle über Rocket und Co. übernommen hätte. Storymäßig berechtigt bleiben wir aber immer bei Star-Lord. Und der hätte sich etwas abwechslungsreicher spielen können. Immer fest mit den Blastern draufhalten, gelegentlich ausweichen und die Fähigkeiten der anderen einsetzen. Das wars. Keine Skill-Expression (wie es so schön heißt), keine Möglichkeit mit mehr Einsatz, genauerem Zielen auch mehr zu machen. Wenn Gegner zum Beispiel Schwachstellen hätten oder mehr Schaden bekommen würden, wenn sie am Kopf getroffen werden.
Rätsel bieten eine willkommene Abwechslung zu den Kämpfen, stellen aber keine Herausforderung dar. Gamora kann Hindernisse aufschlitzen, Drax Schweres tragen und umschmeißen, Rocket Kontrollpanele hacken und Groot Abgründe überwinden. Daraus setzen sich die meisten Puzzles zusammen. Ein Studium braucht man dafür nicht.
Ab und zu steuert man die Milano (unser Schiff, benannt nach „Wer ist hier der Boss?“-Star Alyssa Milano) auch selbst, das ist eher selten und auch gut so. Schwammige Kontrollen und unpräzise Waffen machen wenig Spaß.
Kommen wir zum wichtigsten Punkt: den Outfits. Vor allem die von Gamora und Drax (kurze Hosen mit Leggings drunter, wirklich?) gefallen mir gar nicht. Damit würd‘ ich mich nicht auf den Laufsteg trauen. Gut, dass über das ganze Spiel verteilt, in kleinen Nischen versteckt, neue Kleidung wartet. Film-Drax und Casual-Gamora sind die richtige Wahl für mein Bild der Guardians of the Galaxy. Auch Rocket im Anzug oder Groot in einem Arbeiter-Outfit kann man durchaus anprobieren. Gottseidank gibt es auch keine Micro-Transactions. Alle Outfits findet man im Laufe des Spiels.
Optisch überzeugt Guardians of the Galaxy nicht ganz. Die Galaxie war noch nie so bunt und die Performance ist gut. Leider wiederholen sich die Umgebungen, auch schon gleich am Anfang. Lange Korridore, recht offensichtliche Geheimnisse (hinter kurzen Abzweigungen) und kaum Flora und Fauna. Wirklich lebendig wirken die Welten nicht. Alles ist eben und die Bereiche zu klar geteilt in Kampfarena und Geheimnissuch-Gebiet.
Akustisch spielt Guardians in einer eigenen Liga. 80er-Jahre Hits von Wham!, Soft Cell, Mötley Crüe oder Iron Maiden werden zur perfekten Zeit eingespielt. Wird es im Kampf einmal knapp, ruft Star-Lord seine Kollegen zum Huddle und stimmt einen Gassenhauer an, mit der richtigen Musik im Ohr steigt die Kampfkraft der Guardians noch einmal. Sonst laufen die Songs im Hintergrund während wir an Bord der Milano mit den Kollegen plaudern oder uns nur umschauen. Die komplette Playlist findet ihr hier.
Lobend erwähnen möchte ich die Vielzahl an Schwierigkeitsoptionen. Man kann einstellen wie viel Schaden man macht, man bekommt, wie schnell das Schild regeneriert, wie viel die anderen Guardians aufs Maul bekommen, etc. Daran könnten sich mehr Spiele ein Beispiel nehmen.
Während dem Spielen von Guardians of the Galaxy habe ich mir an vielen Stellen mehr Spiel gewünscht. Mehr Missonen, vielleicht ein Auftragsbrett, Nebenmissionen oder auch Loyalty-Missionen wie in Mass Effect. Gegen Ende ist der Combat etwas eintönig geworden und ich war froh, dass das Game nicht künstlich in die Länge gezogen wurde. Meine 15 Stunden waren genau der Sweetspot, die Kämpfe boten (trotz manchmal langweiliger Bosse) noch genug Aufregung und die Story hat sich elegant zugespitzt. Nicht genug bekommen konnte ich von den Gesprächen und Sprüchen der Guardians. So viel Charme und Chemie zwischen den Charakteren, unglaublich. Sogar eine gewisse emotionale Wucht konnte das Spiel übermitteln, verbunden mit dem patentierten Humor der Marvel-Filme. Note: Gut!
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Alle Fotos: (c) Eidos Montreal
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.