Kriegsgott Kratos zieht wieder in die Schlacht. Mit Sohnemann Atreus im Schlepptau geht es nun im hohen Norden Draugr, Trollen und Drachen an den Kragen. In unserem großen God of War Test erfahrt ihr, wieviel Spaß das macht, alles zu Gameplay, Kampfsystem, Grafik, Schwierigkeitsgrad und unser Fazit.
von Christoph Geretschlaeger
25. April 2018: Der griechische Pantheon ist tot, jetzt ist die nordische Mythologie dran. Nachdem Kratos in drei Games den Olymp dem Erdboden gleicht gemacht hat, verschlägt es ihn in God of War in den Norden. Nach Midgard, in das Reich von Odin, Thor und Baldur.
In dem PS4-Exklusivtitel koexistieren die Mythologien, nur möchte Kratos nicht so recht dran glauben. Er muss es von seinem jungen Sohn Atreus lernen, der damit aufgewachsen ist. Ausnahmsweise ist der Spartaner auf keinem blutrünstigen Rachefeldzug, er möchte mit seinem Sohn die Asche von Atreus’ Mutter und Kratos Frau am höchsten Berg verstreuen. Blöd nur, dass Gegnerhorden, Götter und spannende Rätsel im Weg stehen.
Actionreich, weniger Button-Mashing, Kombo-Attacken mit brutalen Finishern. Und eine Axt. Das ist das neue Kampfsystem in God of War. Kratos’ Klingen wurden am Ende des dritten Teils zerstört. Jetzt verwendet er eine handliche Axt, die auch geworfen werden kann. Axtschläge vereisen langsam die Gegner, nach genügend Fausthieben können sie dann exekutiert werden. Mit einem befriedigenden Umpf kehrt die geworfene Axt auf Knopfdruck in die Hand zurück – und macht auf ihrem Weg durch Gegner noch ordentlich Schaden. Die Kämpfe haben eine brutale Kinetik. Der ganze Schirm schlägt mit, der Controller wackelt mit jedem Treffer.
Gleich am Anfang gibt es einen genialen Bosskampf, der fast wie ein Tutorial funktioniert. Und erklärt, welche Attacken besser pariert werden solltne, welchen man lieber ausweicht, wie fair das Speichersystem ist, und wie man die Angriffsmuster eines Feindes ausnutzt. Filmreif in 4k noch dazu.
Zwei Währungen gibt es in God of War. Silber für rudimentäre Upgrades und Besorgungen vom Schmied sowie Erfahrungspunkte. Diese Punkte werden in neue Kombos, neue Attacken und verbesserte Runen gesteckt. Die niedrigen Level sind gefüllt mit nützlichen Fähigkeiten wie einem Schildschlag (bricht den gegnerischen Block) oder Flächenschaden für den Axtwurf. In späteren Leveln steigt der Verwüstungsgrad exponentiell. Wilde Wirbelstürme und brutale Sprungattacken stehen dann auf der Speisekarte.
Der Schwierigkeitsgrad stellt eine eigene Wissenschaft dar. In den „normalen“ Kategorien Give Me a Story, Give Me a Balanced Experience und Give Me a Challenge haben Gegner progressiv mehr Leben und machen mehr Schaden. Außerdem gibt es noch Give Me God of War. Besonders am Anfang sind die Kämpfe relativ schwer. Die Ausrüstung ist neu und man hat noch keine tollen Kombos. Und auf Give Me God of War gibt es nur den Tod. Gegner sind aggressiver und verwenden neue Taktiken. Nichts für zart besaitete oder leicht frustrierte. Ich musste nach dem 30. Mal als mich ein Troll mit seinem Hinkelstein k.o. gehauen hat, w.o. geben. Auf normal bzw. balanced macht’s aber mindestens so viel Spaß. Außerdem kann einmal auf Super-Schwer gestartet, der Schwierigkeitsgrad nicht geändert werden. Man muss ein neues Spiel beginnen.
Blauer Himmel, grüne Wälder, blutgetränkter Schnee. Die Welt von God of War ist wesentlich lebendiger geworden. Die Flora und Fauna bezaubert an jeder Ecke. Weg sind die Schlauchlevels der Vorgänger. Kratos hat endlich Luft zu atmen, sich umzuschauen. Dennoch sind die einzelnen Gebiete relativ linear inszeniert. Wobei inszeniert das Stichwort ist. Kein Stein oder Ast ist beliebig platziert. Alles hat seinen Zweck zu erfüllen. Eine vermeintlich unachtsam hinterlassene Vase bringt einen auf die Spur eines Schleichwegs, an dessen Ende Beute wartet: Silber.
Und wunderschön ist die Welt auch. Unwegsame Gebirgspässe, kristallklare Seen, vergiftete Buchten. Auf der PS4 Pro spielt Midgard alle Stückerln. Ich empfehle aber dennoch den Performance Mode, sind leichte Frame-Drops in den frenetischen Kämpfen doch ausgesprochen lästig.
Ein spannender Kniff der Entwickler ist die kontinuierliche Aufnahme, eine sogenannte Plansequenz. Seit ein paar Jahren in Hollywood groß in Mode. Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) war so ein Beispiel. Auch in Daredevil gab es bis zu 10-minütige Actionsequenzen, komplett ohne Schnitt. Und das ziehen die Santa Monica Studios durch das ganze Spiel durch – angefangen mit dem Ladebildschirm. Beeindruckend.
Aber Gegnerhorden ummähen konnte man schon in allen früheren God-of-War-Teilen, das ist nichts Neues. Neu sind ein alternder, knurrender Kratos der vergeblich versucht dem jugendlichen Eifer seines Sohnes Einhalt zu gebieten. Ein Vater, der das Vatersein verlernt hat, nach schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit. Der aber dennoch, tief drinnen, eine Beziehung zu Atreus aufbauen will. Und Atreus ist von Anfang an sympathisch. Man merkt wie sein stetes Hinterfragen an der eisernen Miene seines Vaters arbeitet. Und die Fassade langsam Risse bekommt. Atreus’ Elan und Eifer sind ansteckend. Wird ihm anfangs noch der Bogen weggenommen, weil er zu ungeduldig ist, wirft er sich bald mitten ins Getümmel, hält seinem Vater wacker Gegner vom Leib. Können Kinder, gerade in Filmen und Spielen, schnell nervig werden, ist das bei Atreus nicht der Fall.
Im Kampf braucht sich der Sohnemann generell nicht zu verstecken. Mit Bogen, Knüppel und Pfeilen verschiedener Couleur werden Gegner abgelenkt und mürbe gemacht. Kratos kann seinem Nachwuchs genau sagen auf welchen empfindlichen Punkt er schießen soll. Das klappt übrigens auch hervorragend für die verschiedenen in der Welt verstreuten Rätsel. Und zum Runenlesen braucht ihn Kratos auch. Als Gott des Krieges wird das Lesen lernen nämlich überbewertet. Dass das Gegner-Glossar aus Atreus’ Perspektive geschrieben ist, gibt dem Ganzen einen zusätzlichen Charme.
God of War ist erwachsen geworden. Hirnloses Hack ‘n’ Slash ist Vergangenheit. Schläge mit Wucht und Absicht sind die Zukunft der Spiele-Reihe. Kratos ist vom ewig wütenden Aggro-Viech zum knurrigen aber halbwegs liebevollen Vater geworden. Mit ihm gewachsen ist sein glorreicher Bart und seine Nonchalance, wenn es darum geht Götter zu töten. Eine lebendige Welt lädt zum Entdecken ein. Open-World-Spiel braucht man sich keines erwarten, dafür steckt in jeder Ecke etwas Interessantes. Absolute Empfehlung für alle Besitzer einer PS4, egal ob man Kratos schon durchs antike Griechenland gesteuert hat oder sonst lieber JRPGs spielt. Und jetzt fang ich auf Give Me God of War nochmal von vorne an und zeig dem Troll, wo der Hinkelstein wirklich hängt.
God of War ist seit Freitag, 20. April, exklusiv für die Playstation 4 um 60 Euro erhältlich. In der Digital-Deluxe-Edition um 70 gibt es noch ein digitales Comic und ein lässiges Artbook dazu. Den Test unserer Kollegen von beyondpixels.at könnt ihr hier nachlesen.
In unserer Spieler-Rubrik verwöhnen wir dich mit Tests, News und Storys zu den besten Games. Bookmarke schon mal unsere Seite.
Alle Bilder (c): Sony
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.