Die Superhelden sind zurück. Im Finale seiner „Eastrail 177 Trilogy“ lässt Regisseur M. Night Shyamalan nach Unbreakable (2000) und Split (2016) seine drei Protagonisten ein letztes Mal gegeneinander antreten. In unserem Review zu Glass erfahrt ihr, ob sich ein Kinobesuch lohnt.
Die Kinowelt staunte nicht schlecht als Bruce Willis 2016 in den letzten Minuten von Split als David Dunn in einem Diner auftauchte. Das verlegte den bis dahin als Einzelfilm vermarkteten Horrorfilm plötzlich in ein erweitertes Universum mit Unbreakable – Shyamalans Antwort auf das Comicbuch Genre, in dem ein Wachmann (Bruce Willis) seine übernatürlichen Fähigkeiten entdeckt. In dem Wissen, dass David Dunn (von der Bevölkerung The Overseer getauft) und sein Nemesis Elijah Price, auch bekannt als Mr. Glass (Samuel L. Jackson), in der Welt des schizophrenen Kevin Wendell Crumb (James McAvoy) existierten, war es nur eine Frage der Zeit bis alle drei aufeinandertreffen würden.
David, der im Finale von Split von Kevins Existenz via Fernsehnachrichten erfahren hat, ist zu Beginn von Glass auf der Suche nach dem Mann, den man aufgrund seiner zahlreichen Persönlichkeiten „The Horde“ getauft hat. In der Stadt verschwinden laufend junge Mädchen und David und sein Sohn Joe (Spencer Treat Clark), der inzwischen als sein Sidekick fungiert, haben ein einsames Lagerhallen Viertel in Philadelphia als Kevins mögliches Versteck ausgemacht. Als David die entführten Mädchen dort findet und freilässt, kommt es zu einem Kampf zwischen ihm und dem Beast, Kevins übernatürlich starker 24. Persönlichkeit.
Beide werden dabei jäh von einer anrückenden Spezialeinheit unterbrochen. Angeführt von Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson), einer Psychiaterin mit Spezialisierung auf Delusionen bei Menschen, die sich für übernatürliche Wesen halten. Sie bringt die beiden in dieselbe psychiatrische Anstalt, in der auch Elijah seit gut 19 Jahren dahinvegetiert. Die Ärztin erklärt den Männern, dass sie drei Tage Zeit hat ihnen einzutrichtern, dass sie sich ihre Kräfte nur einbilden, sonst werden sie für immer dort eingesperrt sein.
Somit folgt der Film zunächst einem umgekehrten Muster von Unbreakable. Während dieser seinen Figuren nahelegte, dass es für ihre Kräfte vielleicht keine rationale Erklärung gibt, versucht Staple in ihren Therapiesitzungen genau das Gegenteil und die Protagonisten zurück in eine Box zu drängen. Das ist an sich keine schlechte Ausgangssituation, nur geht Shyamalan sehr dröge mit dieser Idee um. Statt wirklich in die Psyche seiner Figuren abzutauchen inszeniert er über eine Stunde lang reine Exposition, die aus Gesprächen und noch mehr Gesprächen besteht.
Daran wäre an sich nichts verwerflich, aber prinzipiell wiederholen die Figuren immer wieder was der Zuschauer schon weiß. David, der den Zugunfall überlebende unzerbrechliche Mann, dessen Schwäche Wasser ist. Kevins zahlreiche Persönlichkeiten, die alle ans „Licht“, also die Kontrolle haben wollen und dem Beast gehorchen. Elijah, dessen Knochen wie Glas brechen und der an die Dualität der Menschen glaubt. Für jeden Zerbrechlichen wie ihn ein Unzerbrechlicher wie David. Für jeden Helden auch ein Bösewicht.
Auch wenn es klar ist, dass Staple langsam unter die Haut ihrer Patienten geht, dümpelt die Handlung dadurch lange und ohne erkennbares Ziel vor sich hin. Die Flashbacks aus vorangegangenen Filmen helfen dabei ebenso wenig, weil sie die Handlung oft nicht vorantreiben, sondern ebenfalls nur bestätigen, was bereits bekannt ist. Seltene Highlights sind die Einbindung alter Bekannter aus vorangegangenen Filmen. Neben Davids Sohn Joe tauchen auch Eijahs Mutter (Charlayne Woodard) und Kevins ehemaliges Opfer Casey (Anya Taylor-Joy) wieder auf, um die beiden zu besuchen. Besonders Caseys Aufeinandertreffen mit Kevins eigener Persönlichkeit und ihr Appel, er solle das Beast in seine Schranken verweisen, sind herzzerreißend. Trotzdem hätte Shyamalan hier eine gute halbe Stunde kürzen können, ohne dass es der Handlung geschadet hätte.
Erst im letzten Drittel beginnt es wirklich spannend zu werden, als klar wird, dass Elijah natürlich nicht geistig abwesend ist, sondern plant mit Kevin auszubrechen und einen Showdown mit David auf einem Hochhaus zu inszenieren, den die ganze Stadt sehen soll. Im Gegensatz zu den beiden anderen, die langsam an sich selbst zu zweifeln beginnen, ist für Elijah durchgehend klar, dass sie die Personifizierung diverser Comic-Figuren sind und die Menschheit bereit ist, das auch zu erkennen.
Da Elijah Kevin unter seine Fittiche nimmt, schlüpft der Film zum Schluss ein wenig zu sehr ins narrative Korsett von Unbreakable und seiner Storyline, einen übernatürlich Begabten von seiner Bestimmung zu überzeugen. Trotzdem ist es auch hier wie in den Vorgängerfilmen angenehm, dass Glass auf ein bombastisches CGI Effektspektakel wie bei klassischen Superheldenfilmen verzichtet und dafür auf einen dramatischen Showdown im kleinen Rahmen setzt. Dabei wird in klassischer Shyamalan Manier auch klar, dass es hier um mehr geht als um einen Kampf Gut gegen Böse und die Figuren alle enger miteinander verbunden sind als es aussieht.
Glass reiht sich inhaltlich nahtlos in seine Vorgänger ein. Auch wenn er vieles erneut durchkaut und so die von sich aus schon lange Laufzeit von 128 Minuten noch gefühlt weiter in die Länge zieht. Der Film macht trotzdem Freude durch das Wiedersehen mit alten Bekannten. Und er bringt einige interessante Überlegungen auf den Tisch: Von der eigenen Einzigartigkeit und besonderen Fähigkeiten bis hin zur Frage, ob man für höheres bestimmt ist und das alles rational erklärbar ist. Die alte Debatte, ob Rächer innerhalb oder außerhalb des Gesetzes stehen steuert Shyamalan zwar kurz an, umschifft sie aber Gott sei Dank weit genug, um seinen Fragen und Ideen genug Raum zu geben.
Eine straffere erste Hälfte mit mehr Fokus hätte dem Film insgesamt gut getan. Fans der ersten beiden Teile werden aber zufrieden sein, hier einen würdigen Abschluss für die Trilogie zu finden. Man darf gespannt sein, ob sich noch weitere Superhelden im Universum von Shyamalan tummeln. (sg)
In unserem Seher-Bereich findet ihr weitere Kino-Kritiken, aber auch Reviews zu Netflix-Produktionen und Vorschauen, welche Highlights euch demnächst erwarten.
Alle Fotos: © Universal Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.