Lange bevor Star Wars in seine heutige Form als endlose Contentmühle gegossen wurde, war das Weltphänomen nicht mehr als eine Idee im Hirn eines jungen Regisseurs. Einen Film auf die große Leinwand zu bringen war und ist eine Herkulessaufgabe, die ihre ganz eigene Legende hervorbringen kann. Die neue Graphic Novel George Lucas – der lange Weg zu Star Wars behandelt diesen turbulenten Lebensabschnitt des eben erst 80 Jahre alt gewordenen Lucas.
von Peter Huemer, 14. 6. 2024
Die Budgets sind klein, die Studios misstrauisch und die Zeit knapp. So stellt sich das Leben junger Regisseure im Hollywood der Siebziger dar. Und mittendrin: George Lucas. Nach einem herausragenden Kurzfilm und zwei Low-Budget-Erfolgen denkt er an den großen Wurf. Nur leider weiß er nicht so recht, wie der im Detail wirklich aussehen soll. Noch dazu ist Lucas zwar ein leidenschaftlicher Regisseur, hasst es aber, Drehbücher zu schreiben. Es steht eine turbulente Reise bevor.
Filme nur als visuelles Medium zu sehen, ist zu kurz gegriffen. Filme sind ein beinahe universales Medium. Sie verbinden eine Vielzahl von Kunstrichtungen: Musik, Literatur, Malerei, Schauspielerei, Fotografie. Die Metaerzählung – die Erzählung vom Entstehen der Erzählung – macht einen Schritt zurück und nimmt ein paar Elemente heraus, indem es die Form einer Graphic-Novel annimmt. Die Reduktion erlaubt Konzentration und bringt neue Stärken mit sich. Eine ideale Auswahl für diese Geschichte. Vor allem da es sich um eine Geschichte aus einer anderen Zeit handelt.
Die Welt war auf gewisse Weise langsamer in den 70er Jahren. Die Graphic-Novel gibt die Entscheidung, wie schnell oder langsam man die Story erleben will, zurück in die Hände der Lesenden und transportiert damit dieses Gefühl. Immerhin dauerte es Jahre bis der Film fertig war. Und das Buch konzentriert sich nicht nur auf die Dreharbeiten, sondern beginnt mit George Lucas´ Kindheit.
Die Graphic-Novel schafft es von Anfang an, ihre Szenen, selbst wenn es sich um eher mondäne Diskussionen um Geld oder Technik handelt, mit einer gewissen Dynamik zu versehen. Jederzeit gibt es diesen Vorwärtsdrang. Es gibt einen angenehmen Rhythmus von Seite zu Seite. Die Schöpfungsgeschichte von Star Wars ist dafür ein dankbarer Stoff. Die Katastrophen und Probleme reihen sich aneinander und halten die Spannung hoch. Es wäre vielleicht wünschenswert gewesen, etwas genauer auf manche Lösungen einzugehen, anstatt einfach festzustellen “Sie haben es doch geschafft.”
Gut funktioniert auch Lucas selbst als Protagonist mit Stärken und Schwächen. Er kann nicht gut schreiben, tut sich schwer emphatisch mit den Schauspielern umzugehen, seine Regieanweisungen sind nebulös- Aber er sieht eine Vision vor sich, die erst für alle sichtbar wird, wenn alles zusammenkommt. Es wäre zu leicht gewesen, George Lucas als eine Art Superhelden der Filmgesichte darzustellen.
Seine Makel in vielen Bereichen der Filmemacherei machen das Endergebnis umso beeindruckender und zeigen, dass einen Film zu drehen, kein Job für nur eine Person ist. Die Drehbuchdoktoren, die Special-Effects-Leute, die Schauspieler mit ihren eigenen Interpretationen, der Input von Freunden und Familie, alles trägt dazu bei, dass am Ende etwas großartiges herauskommt. George Lucas ist der Anfang, die Idee und das Ende, das Zusammenführen aller Arbeiten. Hätte er diese Rolle nur auch in den Prequels eingenommen – aus guten Filmen hätten großartige werden können.
Der zurückgenommene und farbentleerte Zeichenstil trifft die Stimmung perfekt. Farbe funktionert perfekt als szenenweise eingesetztes Highlight, das den Fokus in den Situationen auf den Kern richtet: Carrie Fishers blaues Kleid, George Lucas´ roter Körper nach einem Autounfall, bunte Comics auf einer grauen Wiese. Die Stars, wie Harrison Ford oder Mark Hammil, werden, ohne fotorealistisch zu sein, perfekt getroffen, ihre Haltung, ihre Sprache, ihre Mimik. Niemals kommt der Stil einer Karikatur zu nahe oder einem Portrait. Es wurden die wenigen Elemente gefunden, die die Personen und ihren Erkennungswert ausmachen.
George Lucas – Der lange Weg zu Star Wars ist ein kurzweiliges Stück Filmgeschichte, das voller interessanter Episoden und netter Details die Entstehung eines der wichtigsten Werke des Kinos erzählt. Für jeden Fan ein Muss, aber auch für andere zu jeder Zeit interessant. Eine Erinnerung an die Wurzeln vieler Aspekte moderner Popkultur und vielleicht eine Möglichkeit, die aktuellen Probleme des Franchise in einem neuen Licht zu sehen.
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Peter Huemer stellt bei den Helden der Freizeit jedes Monat in "Peters Buchtipp" ein außergewöhnliches Werk vor. Außerdem schreibt er bei uns über Games, Kino und Streaming. Der Freie Schriftsteller hat vergleichende Literaturwissenschaft studiert und arbeitet auch als Lektor, Korrektor und Übersetzer.