EM-müde? Fußballexperte und Kabarettist Ben Redelings wollte einen Monat ohne Fußball leben – und ist dabei grandios gescheitert.
von Christian Orou
Können Sie sich vorstellen, einen Monat lang ohne Fußball zu leben? Kein Spiel besuchen, mit niemanden darüber reden, keine Zeitung lesen, keine Fernseh- oder Radiosendung sehen oder hören, in der Fußball Thema sein könnte. Und selbstverständlich auch kein wahlloses Surfen im Internet. Gerade während einem Großereignis wie der EM schwer vorstellbar, oder? Der deutsche Autor Ben Redelings wagte dieses Experiment. 31 Tage ohne Fußball. Warum? Weil er wissen wollte, ob er das kann.
Leben in Zeiten der Zensur
Seine Erfahrungen hat er in sein Buch „Fußball-Fasten“ gegossen. Er hat es sich nicht leicht gemacht. Denn das Experiment fand mitten in der entscheidenden Phase der deutschen Meisterschaft und der Champions-League, statt. In 31 Kapiteln dürfen Leserinnen und Leser an Redelings Experiment teilhaben. Der Fußballexperte erzählt von einem Leben, das zum Teil von seiner Frau organisiert werden muss, damit der Versuch nicht frühzeitig scheitert. Sie zensuriert mit der Schere die Zeitung, filtert SMS und übernimmt gefährliche, weil möglicherweise zu informative, Telefonate.
Da hilft nur Medienabstinenz
Schon nach wenigen Tagen zeigt sich, wie sehr die Welt von Ben Redelings von Fußball durchdrungen ist. Er stellt das Lesen von Zeitungen ein, da die Zensurschere seiner Frau nicht alle inkriminierten Textstellen zuverlässig vernichtet und eine löchrige Zeitung kaum noch Nachrichtenwert besitzt. Denn selbst Politikschlagzeilen werden verstümmelt, wenn sich auf deren Rückseite ein Hinweis auf ein aktuelles Fußballgeschehen befindet.
Damit einher geht aber auch eine Abkopplung von jeder anderen Nachricht. Egal, ob Wirtschaft, Chronik, Politik oder Kultur, egal, ob Print- oder Internetausgabe. Wenn man nicht zufällig über eine Fußballmeldung stolpern will, hilft nur radikale Medienabstinenz.
Lesen gegen Langeweile
Streng genommen ist Ben Redelings Experiment nach 15 Tagen gescheitert. Doch will man wirklich einen Monat lang dem Thema „aktueller Fußball“ entgehen, reicht es nicht, alle Medien zu meiden. Man müsste für einen Monat Handy und Tablet in der Zivilisation zurücklassen und sich auf eine einsame Insel zurückziehen. Gegen die Langeweile würden sich des Fußballs völlig unverdächtige Werke empfehlen, die man sowieso schon immer lesen wollte: Die Odyssee, Ulysses, der Mann ohne Eigenschaft oder die Strudelhofstiege.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Was Frau Redelings erzählt …
Um sich über die Geschehnisse während des Fastenmonats kompakt zu informieren, bat Redelings Freundinnen und Freunde, ihm nach Ablauf des Fußball-Fastens ihre persönlichen fünf Highlights des Monats zu nennen. Mein persönlicher Lieblings-Höhepunkt: Der Satz der neunjährigen Tochter von n-tv-Journalist Stefan Giannakoulis: „Papa, warum gibt es eigentlich Tabellen? Es soll doch Spaß machen!“
Auch Ben Redelings Frau Nadine kommt zu Wort. Pointiert erzählt sie aus ihrer Sicht, welche Schwierigkeiten sich ergeben, wenn man einen Fußballkulturbeauftragten einen Monat lang von seinem Lieblingsthema fernhalten soll.
Starten Sie den Selbstversuch
Sie glauben nicht, dass unsere Medien so von Fußball durchdrungen sind, dass ein Monat Fußballfasten einem Spießrutenlauf gleicht? Machen Sie den Selbstversuch. Sie müssen ja nicht unbedingt den radikalen Weg des Fastens gehen. Stecken Sie einen Tag, eine Woche lang jedes Mal einen Euro in ein Sparschwein, wenn Sie in Ihrer Lieblingszeitung auf das Thema Fußball stoßen, wenn Sie im Internet einen Spielbericht lesen oder nur das Ergebnis überfliegen. Füttern Sie das Schwein bei jedem Gespräch, jedem Telefonat, jeder SMS, die sich um Fußball dreht. Sie werden über das Gewicht des Sparschweins am Ende des Tages oder der Woche überrascht sein.
Titel: Fußballfasten
Autor: Ben Redelings
Verlag: Verlag Die Werkstatt, 2015
Seiten: 160
Weitere Titel: Beim Verlag Die Werkstatt gibt es ein umfangreiches Angebot an Ben Redelings-Büchern. Zu empfehlen ist neben den Alben zu verschiedenen deutschen Klubmannschaften das Jubiläumsalbum 50 Jahre deutsche Bundesliga.
Fazit: Mit viel Humor schreibt Ben Redelings über den schwersten Monat seines Lebens.
Fotos: heldenderfreizeit.com
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.