Freddie Mercury hat mit Queen so viele Menschen berührt und bewegt. Die mit nur 45 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung und seiner AIDS-Erkrankung verstorbene Legende wäre heuer 75 geworden. Zu diesem Anlass ehrt unser Redakteur sein Werk mit einem Streifzug durch seine ganz persönlichen Erinnerungen – gespickt mit einem unvergesslichen Wien-Konzert und den Welthits des Rock-Giganten. Unsere Queen Top-10 dazu, könnt ihr hier nachhören
von Christian Orou
Mit Lieblingsbands ist es ein wenig wie mit Beziehungen. Manchen bleibt man ein Leben lang treu, manche sind einfache Urlaubsflirts, manche sind kurze, heiße Affären und manche kommen über einen One-Night-Stand nicht hinaus. Mit Freddie Mercury und Queen verbindet mich eine Jugendliebe, der ich im Laufe meines Lebens immer wieder begegnet bin.
Begonnen hat die Liebe zu Queen mit dem England-Aufenthalt meines Freundes Peter. Er kam von der Lernreise nicht nur mit den Erfahrungen der ersten amourösen Abenteuer nach Wien zurück, sondern hatte auch einige Platten im Gepäck, unter anderem eine von Frank Zappa und die dritte Queen-LP Sheer Heart Attack, auf der sich interessanter Weise nicht der gleichnamige Song befindet. Der kam erst auf das Album News of the World. Wo war ich? Richtig, in Peters Kinderzimmer in Floridsdorf und wir lauschten beide der Stimme von Freddie Mercury.
Nachdem wir beide Seiten der LP gehört hatten, war mir klar: Das ist Liebe auf den ersten Blick. Da war dieser Opener, Brighton Rock, der am Rummelplatz beginnt und mit einem Abschlussgag zwischen Absurdität und Pädophilie endet. Da war die Tatsache, dass kein Song auf der LP wie der andere klang, dass man aber trotzdem wusste: Das sind Queen. Das lag an dem unverwechselbaren Sound der Gitarre von Brian May, an dem prägnanten Bass von John Deacon, dem treibenden, aber auch verspielten, Schlagzeug von Roger Taylor. Und da war natürlich die Stimme von Freddie Mercury, von der der Sänger von The Who Roger Daltrey einmal sagen wird: „Er konnte seinen Stil von Zeile zu Zeile wechseln.“ Diese Liebe auf den ersten Blick währte schließlich bis zum Album Jazz.
Ich nahm Sheer Heart Attack auf Kassette auf und hörte sie zu Hause oft. Sehr oft. Ich dachte: Was sollte diese Songs toppen? Brighton Rock, Killer Queen, Now i´m here, Bring back that Leroy Brown. Aber dann erschien A night at the Opera, das erste von zwei nach Filmen der Marx-Brothers benannten Album. Es war wie Sheer Heart Attack nur besser, perfekter, ohne einen einzigen Song, der verzichtbar gewesen wäre.
A night at the Opera ist eines der wenigen Alben, die man nur ohne Stopp hören kann, in einem durch spielen lassen muss. Man darf sich keinen Song herauspicken, nicht einmal Bohemian Rhapsody, oder es in eine andere Reihenfolge bringen. Sogar das Ende mit der englischen Hymne, die in Zukunft jedes Queen-Konzert beschließen sollte, war vorhanden. Seit die CD erfunden ist, muss man nicht einmal beim Wechsel von A- zu B-Seite innehalten. Ziggy Stardust von David Bowie und Ein kleines bisschen Horrorschau von den Toten Hosen sind auch solche Alben.
Apropos Bohemian Rhapsody: Das Video zum Song, das als eines der ersten Musikvideos gilt, war eigentlich eine Verlegenheitslösung. In den 70er Jahren war es üblich, dass Bands ihre Songs in der Sendung Top of the Pops mit einem Playbackauftritt präsentieren. Leider waren Queen am Tag der Aufzeichnung verhindert, also produzierten sie rasch um 4.500 Pfund ein Video. Der Rest ist Musikgeschichte.
Die Leidenschaft für Freddie Mercury kühlte mit dem Erscheinen von A day at the Race ein wenig ab, aber dann kam der Herbst 1977. News of the World erschien und kam fast an das Opera-Album heran. Also für mich. Für viele andere Queen-Fans war es das Initiationsalbum mit den Mega-Hits We will rock you und We are the champions.
Aber es gab nicht nur eine neue Platte, Queen gingen auch auf Tournee und kamen nach Wien. Peter und ich investierten unser Taschengeld in Karten für das Konzert in der Stadthalle. Wir hatten Plätze in der hinteren Hälfte auf der Seite am ersten Rang (Natürlich Sitzplätze. Stehplätze gab es in den Siebzigern in der Stadthalle, wenn überhaupt, nur ganz oben im dritten Rang) und standen ab dem Moment auf unseren Sesseln, an dem sich die Krone hob. Wir brüllten, pfiffen, klatschten und schrien uns den Titel jedes Songs, den wir erkannten, ins Ohr. Nach dem Konzert erstanden wir noch einen Schal (der bei einem meiner vielen Umzüge leider verloren gegangen ist) und gingen mit verzückten Gesichtern zur Stadtbahn.
Das Ende unserer Liason wurde mit dem Album Jazz eingeleitet. Dabei wandelten Freddie Mercury und Queen an der Grenze zu Sexismus und Geschmacklosigkeit mit ihrem Song Fat bottomed Girl. Ich würde gerne sagen, dass das der Grund war, warum ich mich von Queen abwandte, aber der Grund ist viel profaner. Die nächsten Alben interessierten mich nicht mehr, hatten mir nichts mehr zu sagen. Freddie versuchte noch mit Live Killers, mich mit der Erinnerung an das Konzert in der Stadthalle zurück zu gewinnen. Vergeblich. Selbst der Soundtrack zu dem Science Fiction-Film Flash Gordon führte zu nicht mehr als ein paar flüchtigen Begegnungen auf MTV.
Freddie Mercury und Queen hatten ihren Reiz für mich verloren. Wir schrieben die Achtziger und Bands wie Ideal, Clash oder DAF übernahmen das Kommando in meiner persönlichen Playlist.
Aber wie es so ist mit verflossenen Lieben, man läuft sich immer wieder über den Weg. Zum Beispiel, als der Musik Express Freddie Mercury zur besten Stimme kürte, gefolgt von Aretha Franklin und Michael Jackson. Apropos Listen: In der Rangliste der 500 besten Alben aller Zeiten, die 2008 erschienen ist, landete A night at the Opera auf Platz 226. Oder als ich in einer Musikzeitschrift auf die Meldung stieß, dass Queen in ihrem Song Another one bites the dust zum Konsum von Marihuana aufrufen. Ich hörte mir den Song daraufhin ein paar Mal an, wurde aber nicht fündig. Vielleicht hätte ich die Platte rückwärts abspielen müssen.
Erst das letzte Studioalbum, das Freddie Mercury wenige Wochen vor seinem Tod 1991 veröffentlichte, führte uns beide wieder zusammen. Ich schenkte es meiner Freundin zum Geburtstag. Eine der letzten Meldungen über Freddie Mercury, die ich erst vor wenigen Wochen gelesen habe, war wieder einmal ein Ranking. Der Song Who wants to live forever vom Album A kind of magic zählt zu den meistgespielten Liedern auf deutschen und britischen Beerdigungen.
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Aufmacherfoto: (c) Universal Music
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.