Vierzehn Jahre hat es gedauert, bis sich Microsoft in Zusammenarbeit mit dem französischen Entwicklerteam Asobo Studio wieder an einen Flugsimulator gewagt hat. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen! Warum der Flight Simulator uns nicht nur visuell beeindruckt. Und was ein stimmungsvoller Flug über Wien kann.
Von Sophie Neu
19. August 2020: Der Flight Simulator 2020 dürfte wohl der Überraschungshit für PC-Gamer des Jahres sein. Denn er spricht nicht nur die alteingesessenen Fans von Simulationsgames an. Nein, auch Neulinge in dem Bereich wird der FS2020 faszinieren. Neben atemberaubender Grafik beeindruckt der Flugsimulator vor allem mit seinem Algorithmus, der auf Basis von Bing-Maps die Oberfläche der gesamten Welt berechnet. In unserem Review gehen wir detailliert darauf ein, wie uns das Microsoft-Spiel beeindruckt hat und wo noch Luft nach oben ist.
Was man vielleicht ein bisschen beim FS2020 vermissen könnte, ist eine Kampagne oder ein Storymodus. Es hätte schon seinen Reiz gehabt, als unerfahrener Pilot nach und nach immer größere Vögel auf immer abenteuerlicheren Flughäfen zu manövrieren. Doch auch so macht der Flight Simulator ordentlich Spaß. Für Grünschnäbel werden mehrere Tutorials geboten, bei denen man die verschiedenen Steuerungsmöglichkeiten und Interfaces der Flugzeuge kennenlernt. Am Großartigsten fühlt es sich aber an, wenn man seinen Vogel zum ersten Mal abheben lässt. Im Tutorial hätte man aber ruhig noch ein bisschen genauer auf die unterschiedlichen Maschinen eingehen können, die man steuern kann. Denn es gibt schon einen Unterschied zwischen den leichten Sportflugzeugen wie einer Cessna und einem schwerfälligen Riesen wie der Boeing 747-8.
Beeindruckt waren wir dementsprechend auch von der Vielzahl an Flugzeugen, die zum Fliegen zur Auswahl standen. Zwanzig verschiedene Modelle sind allein in der Standard-Edition enthalten – die ihr übrigens auch im Game Pass spielen könnt. Insgesamt gibt es drei verschiedene Versionen des Spiels. In den teureren Versionen kommen mehr Flugzeug-Arten und Flughäfen vor wie Frankfurt am Main. Innsbruck hat es in die Standard-Edition geschafft. In den Preisen der verschiedenen Ausgaben hat sich für uns der größte Kritikpunkt des Microsoft Flugsimulators versteckt. Denn ein späteres Upgrade auf die Premium Deluxe Edition durch den Kauf im Spielinterface selbst kostet euch um einiges mehr, als wenn ihr die gleich am Anfang kauft.
Trotzdem kann man schon in der Standard-Edition unzählige Flughäfen erkunden. Denn bei unserem Test konnten wir jede noch so kleine Landebahn ansteuern. Das sind zusätzlich zu den handdesignten 30 von Asobo Studios in der günstigten Version etwa 37.000 automatisch generierte. Wer wollte nicht schon mal am Flugplatz Vöslau mit einer Boeing landen? Dieses beeindruckende Feature ist vor allem auf Microsofts Azure Clouddienst zurückzuführen, der auf Basis der Bing-Karten 3D-Varianten der Umgebung errechnet.
So können wir von Schwechat aus auch über Wien hinwegdüsen und den D.C.-Tower oder die UNO-City aus der Luft bewundern. Und natürlich haben wir auch unser eigenes Domizil gefunden! Derweil verkehren in den Straßen sogar Autos. Ein wenig enttäuscht waren wir aber schon, dass der Stephansdom und die Votivkirche nur als flaches Bild dargestellt wurden. Hier scheint das Programm vereinzelt Probleme mit der Darstellung zu haben. Fliegt man aber durch New York, kann man die Freiheitsstatue bewundern, in Tokio beeindruckt der Tokio Tower und auch Angkor Wat kann man im kambodschanischen Dschungel entdecken.
Das Beeindruckendste am Spiel sind aber die Wettersysteme. Hier werden Nebel, Regen und Schnee bis ins Feinste simuliert. Der Algorithmus berechnet sogar den Einfallwinkel der Sonne und die daraus resultierenden Schatten. Und weil man das alles im Kameramodus auch noch nach Belieben einstellen kann, ist der Flight Simulator 2020 für Ingame-Fotografen ein absolutes Highlight. Gerade bei Sonnenauf- und untergang kommt man hier nicht mehr aus dem Staunen heraus. Vor allem mit den höchsten Grafikeinstellungen bieten sich hier wunderschöne Kulissen. Allerdings frisst das auch einiges an Leistung – mit ein Grund vermutlich, warum der Titel momentan noch nicht auf der Xbox One verfügbar ist.
Für Flugfaule bietet der FS2020 eine spezielle Kamera, mit der man in Sekundenschnelle zum Ort der Wahl fliegen kann um sich, fast wie in Google Maps, bedeutende Locations und Sehenswürdigkeiten anzusehen. Das geht übrigens auch, indem ihr gleich bei den Voreinstellungen des Flugs die genauen Koordinaten eingebt. Das erweist sich als sehr praktisch, denn die Flüge finden ansonsten in Echtzeit statt. Für Hardcore Sim-Fans hat das natürlich einen großen Reiz – schließlich wird sogar der zu dem Zeitpunkt aktuelle Flugverkehr simuliert. Aber ein schneller Trip zum Ayers Rock im australischen Outback wird mit der normalen Flugzeit anstrengend.
Nichtsdestotrotz hat auch ein normaler Trip von A nach B seinen Reiz. Man sucht sich schnell Ablugs- und Ankunftsflughafen heraus und stellt sich ein, bei welchen Wetter- und Lichtverhältnissen man fliegen will. Natürlich kann man auch die Online-Echtzeitdaten verwenden. Dann fliegt man unter den realen aktuellen Konditionen des jeweiligen Orts. Anschließend kann man sich noch seine Maschine aussuchen und los geht’s. Wenn man von Wien über die Alpen nach Rom fliegt, dann fühlt man sich fast wie auf einem richtigen Flug – minus Ohrenschmerzen und schnarchendem Sitznachbarn.
Dabei sind die Basics des Fliegens leicht zu lernen. Aber gerade bei den größeren Maschinen wird es zur Herausforderung, den Überblick über all die hochmodernen Geräte im Cockpit zu behalten. Und wenn einem zwischendurch beim mehrstündigen Flug zu langweilig wird, lässt man die KI übernehmen. Der sollte man allerdings nicht uneingeschränkt vertrauen. Bei unserer Landung in La Palma etwa wollte sie partout nicht auf der Piste aufsetzen und hat stattdessen den Grasstreifen daneben bevorzugt. Auch bei einem anderen Flug entschied die KI sich plötzlich dafür, im Kreis zu fliegen. In unserem Test haben wir vor allem mit Tastatur und Maus, aber auch mit einem Xbox-Kontroller gespielt, was nach anfänglichen Startschwierigkeiten ganz gut funktioniert hat. Wir können uns aber vorstellen, dass die Immersion durch ein richtiges Hardware-Set nochmals um einiges intensiver sein muss.
Der Microsoft Flight Simulator 2020 ist das faszinierendste Spiel des Jahres und zeigt, was in den Games der nächsten Jahre möglich sein wird. Wir sind beeindruckt davon, wie man mal eben in einem Titel ab 80 Euro virtuell um die komplette Welt jetten und Sehenswürdigkeiten so detailliert anschauen kann. Ganz nebenher liefert Microsoft einen stabilen Simulator, der sowohl für Neulinge als auch für routinierte Piloten ein spannendes Erlebnis bietet.
Der Microsoft Flight Simulator 2020 ist seit dem 18. August für PC (unter anderem im Xbox Game Pass) erhältlich. Für dieses Review wurde uns ein Rezensionsexemplar von Microsoft zur Verfügung gestellt.
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Bilder: ©Microsoft/ Asobo Studio
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.