Ein Puppentheater als Kino-Erlebnis. Isle of Dogs – Ataris Reise ist ein wunderbar ästhetischer Stop-Motion-Animationsfilm, mit einer politischen Message und so viel handwerklicher Detailliebe, dass man ihn nur lieben kann. Oder gibt’s da doch ein paar Hundehaare in der Suppe? Unsere Filmkritik.
von Anaking
9. Mai 2018: 144.000 Aufnahmen zwischen denen die insgesamt 1.097 eingesetzten (bis ins letzte Hundehäarchen handgetrimmten) Puppen nur ein paar Milimeter umgestellt werden, um den Eindruck von Bewegung zu erzeugen. Der Aufwand, der hinter dem Stop-Motion-Animationsfilm Isle of Dogs – Ataris Reise steckt, lässt sich auch mit Zahlen nur Erahnen. Beim Betrachten des neuesten Werks von Wes Anderson (Der fantastische Mr. Fox, Grand Budapest Hotel) springt sie einen aber sofort an, wie so mancher darin vorkommender Streuner.
Hat sich der Aufwand gelohnt oder war alles für die Katz? Davon könnt ihr euch ab 10. Mai selbst im Kino überzeugen. Wir haben diesen ganz besonderen Streifen schon gesehen und verraten euch in unserer Filmkritik, wie sehenswert er ist.
Ist diese Story etwas für Kinder oder nicht? Schon darüber scheiden sich die Geister. Denn einerseits ist Isle of Dogs ein klassisches Kinder-Abenteuer. Ataris Reise eben. In dem der 12-jährige Bub seinen Hund Spots sucht und in einer fünfköpfigen Hundebande (Chief, Rex, King, Duke, Boss) Unterstützung findet – und total liebenswert und nett gemacht. Andererseits rennen da auch schon mal Ratten mit einem abgebissenen Ohr herum. Vor allem ist er aber ein sehr politischer Film. Wir würden ihn ab etwa 12 Jahren aufwärts empfehlen.
Warum geht’s genau? Spots ist das erste Opfer einer Kampagne des autoritär regierenden Bürgermeisters Kobayashi. Der ist ein großer Katzenliebhaber und hat in der fiktiven japanischen Metropole Megasaki die Hunde als Verbreiter gefährlicher Krankheiten zur Wurzel allen Übels erklärt. Die Dogs werden allesamt auf eine Müllinsel verbannt. Einzig die Wissenschaftler stemmen sich gegen diese Mauer von Fake News, entwickeln sogar ein Gegenmittel für die Hundeseuche. Sie werden aber schnell (mund)tot gemacht. Bleiben nur Schüler und Kinder – angeführt von Lockenkopf Tracy, die nicht glauben wollen, dass der beste Freund des Menschen ebendas nicht mehr ist.
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Die großen Stars in Isle of Dogs sind ganz klar die Hunde. Nicht nur, weil sie als Underdogs neben den Kindern natürlich die größten Sympathiewerte einheimsen. Sondern, weil sie am Menschlichsten insziniert wurden. Sie sprechen sehr gewählt in der Sprache des Kinopublikums, während die Menschen meist nicht übersetzt auf japanisch herumbrüllen und brabbeln. Die Katzen sind überhaupt nur stumme Verbündete der bösen Menschen.
Außerdem leihen den Hunden die größten Schauspielikonen im Original ihre Stimmen – von Bryan Cranston (Chief) über Edward Norton (Rex), Jeff Goldblum (Duke) oder Bill Murray (Boss) bis zu Scarlett Johansson (hat als gestylte Hundin Nutmeg eine ähnliche Rolle wie Susi in Susi und Strolchi). Und während die Gesichter der Menschen etwas verwaschen und fad wirken und sie mit ihren winzigen Mündern einen fast mitleiderregenden Eindruck machen, sind die Puppenmodelle der Hunde herrlich lebhaft bis aufs letzte Haar getrimmt.
Die spannendste Figur im Film ist sicher Streuner Chief, weil er den Menschen nicht wie die anderen Hunde brav hinterherhechelt. Er vollzieht auch die größte Wandlung im Film, was aber gerade im Hinblick auf seine erfrischend rebellische Art ein bisschen schade ist.
Isle of Dogs – Ataris Reise erstaunt durch seine ungewöhnliche Machart, seine unglaubliche Liebe zum Detail, subtilen Humor, dem leicht melancholischen Gitarren-Soundtrack und seinem abwechslungsreichen Spiel mit Perspektiven, Licht und Schatten. Würde man ihn wie früher Eiskunstläufer bewerten, hätte er sich in der B-Note (der Präsentation und Ästhetik) fast eine 6.0 verdient. Man kann hier getrost von einem Kunstwerk sprechen. Nicht umsonst gibt es rund um die handgefertigten Requisiten und Puppen schon eine eigene Ausstellung.
Abzüge gibt es allerdings in Sachen Spannungsaufbau, Dramatik und Storyverlauf. Die Flashbacks wirken ein bisschen aufgesetzt. Und so schön die 101 Minuten wegen der tollen Ästhetik des Films auch anzuschauen sind, so hat er da und dort doch seine Längen. Man wird das Gefühl nicht los, dass Ataris Reise als halb so langer Kurzfilm noch besser funktioniert hätte. Trotz der interessanten und gerade heutzutage sehr brisanten politischen Geschichte um einen Machthaber, der seine Wähler manipuliert und gegen eine ganze Rasse aufhetzt, fehlt es der Story etwas an Tiefe und überraschenden Wendungen.
Insgesamt ein sehenswerter Streifen, dem trotz der vielen “Wau-Effekte” durch seine außergewöhnliche Machart, aber das gewisse Etwas in Sachen Story und Dramatik fehlt. Was das betrifft, fühlten wir uns an die so gefeierten La La Land und Shape of Water erinnert. Sie verzaubern das Publikum auch mit einer ganz besonderen Filmästhetik und unglaublich detailverliebten, fantastischen Bildern – jeder in seinem Genre freilich. Die Geschichten selbst, die darin erzählt werden, gewinnen aber allesamt keinen Kreativpreis. So ehrlich muss man bei allem berechtigten Lob auch bei Isle of Dogs sein. (ak)
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Alle Fotos: © Twentieth Century Fox
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.