Das oktanreichste Franchise Hollywoods meldet sich zurück. Dom und seine Crew müssen im mittlerweile neunten Fast & Furious Film abermals die Welt retten. Doch haben es diese einst kriminellen Straßenrennfahrer/Diebe/Agenten/Supermenschen noch drauf? Die Handlung ist so abstrus und verrückt wie immer, aber der Unterhaltungswert lässt zu wünschen übrig. Bei den Autos ist der Lack ab. Ob Teil 10 besser gelungen ist, kannst du übrigens hier nachlesen.
von Susanne Gottlieb
18. Juli 2021: Mit einem Jahr Verspätung geht es nun auch nochmals für die Helden aus der Fast & Furious Reihe rund. Eigentlich hätte das neunte Abenteuer der Crew bereits 2020 in den Kinos laufen sollen. Was da aber weltweit los war, wissen wir alle. Die Erwartungen waren hoch. Gerüchte, dass die Crew diesmal wirklich einem populären Gag Folge leisten würde, und es sogar ins Weltall schaffen würde, verstummten nicht. Dwayne Johnson, der seit Teil 5 Agent Luke Hobbs gespielt hatte und im Clinch mit Vin Diesel lag, hatte sich nach seinem Spin Off Shaw und Hobbs aus der Reihe verabschiedet. Fanliebling Han, der bekannterweise gestorben war, schien wieder am Leben, denn Schauspieler Sung Kang war in den Trailern zu sehen. Und dann war da noch das Casting von John Cena als Bösewicht mit Verbindung zu Dom.
Hat sich das Warten nun gelohnt und Fast & Furious 9 bietet den gewohnten bombastischen Adrenalinkick, der die Filme auch sonst immer ausgezeichnet hat? Ja, das schon. Aber gleichzeitig scheint die Reihe auch an dem Wendepunkt angekommen zu sein, wo sie sich nur mehr selbst zitiert, die Action zu absurd ist, und das Ganze auch nicht mehr mit der nötigen Ironie umgesetzt wird. Ein Franchise nach seinem Zenit.
Dom (Vin Diesel) und Letty (Michelle Rodriguez) haben sich mit dem kleinen Brian für ein ruhiges Leben aufs Land zurückgezogen. Eines Tages wird dieses Exil aber gestört, als ihre alten Crew-Mitglieder Roman (Tyrese Gibson), Tej (Chris “Ludacris” Bridges) und Ramsay (Nathalie Emmanuel) bei ihnen auftauchen. Die drei haben ein Siegnal von Mr. Nobody (Kurt Russell) abgefangen, in dem er auf einem abstürzenden Flugzeug zu sehen ist. Dom und Letty beschließen, wieder in ihr altes Leben zurückzukehren, und machen sich mit der Gang auf den Weg nach Zentralamerika. Dort können sie ein mysteriös leeres Flugzeug, das Notsignal sowie einen unbekannten technischen Apparat bergen.
Doch bevor sie dem Komplott auf die Schliche kommen können, erscheint ein unerwarteter Gegenspieler. Doms und Mias (Jordana Brewster) lang verschollener Bruder Jakob (John Cena). Der ging in jungen Jahren im Clinch mit Dom auseinander und hatte sich seither zu einem Meisterspion entwickelt. Das Gerät, das er unbedingt in seinen Besitz bringen will, scheint die Hälfte eines Kontrollsystems namens ARES zu sein. Findet Jakob die zweite Hälfte und den Schlüssel, kann er alle technologischen Geräte weltweit kontrollieren.
Der Gang wird schnell bewusst, sie muss Jakob aufhalten. Doch der scheint mit seinem Partner Otto (Thue Ersted Rasmussen) immer einen Schritt voraus. Und er hat auch Kriminalmastermind Cipher (Charlize Theron) in seinen Diensten. Die Gang um Dom hingegen rekrutiert alte Bekannte (u.a. Lucas Black) und eigentlich Totgeglaubte (Sung Kang), um diesen technologischen Coup zu verhindern.
Bringen es die Pferdestärken auch noch in Runde 9? Man kann sagen – nicht unbedingt. Während das Franchise mit Fast Five eindeutig seinen Höhepunkt erreicht hatte, waren die bisherigen Sequels zumindest ob ihrer abstrusen Actioneinlagen und hervorragenden Darstellerdynamik immer ein Hit. Doch mit Fast & Furious 9 scheinen sich diese Qualitäten sich festgefahren zu haben. Die Handlung nimmt sich zu ernst und suggeriert, echtes intermenschliches Drama zu sein. Die Meta-Witze über die Unverwundbarkeit der Hauptfiguren reißen den Film aus dieser Illusion einer Welt, in der diese ganzen wahnwitzigen Stunts physikalisch möglich sind. Und das erneute Zurückholen von totgeglaubten Figuren schwächt außerdem den Gravitas vorangegangener Storylines.
An der Regie selber liegt es nicht. Fast & Furious Veteran Justin Lin hat wie gewohnt sehr geschickt die Zügel in der Hand. Vielmehr liegt das Problem im Drehbuch. Zum ersten Mal seit The Fast & The Furious: Tokyo Drift (2006) ist nicht Chris Morgan der Drehbuchautor. Und das spürt man. Es wäre nicht so, dass das Franchise in den letzten Jahren nicht einem gewissen Schema F gefolgt wäre. Waren es zu Beginn noch Drogenkriege oder Heist Movies, hatte sich Fast & Furious zu einem Spionage Genre mit schnellen Autos gewandelt. Immer gab es einen Schurken mit einem Plan mittels eines technischen Coups die Welt an sich zu reißen. Und immer waren die kompetensten Gegner dieses Plans Dom und seine Crew weil – illegale Straßenrennen?
Doch bisher war immer ein sündiger Unterhaltungsfaktor in der Sache gewesen. Nun scheint das Franchise am Ende der Kreativität angekommen zu sein und beginnt sich langsam selbst zu kopieren. Auch der zunehmende Fokus auf Dom als Katalysator für alles lässt das Ganze ein wenig kippen. War es früher meist seine Flucht vor den Behörden, dann die Rettung seines Sohnes, ist es diesmal sein Clinch mit Bruder Jakob. Eine Rolle, die auch nur mit sehr viel Müh und Not in den Kanon hineingequetscht werden konnte. Ebenso die Wiederauferstehung von Han. Hier muss der Film wahnsinnig viel umschreiben und Logiklöcher bohren, damit die Figur plötzlich wieder mitmischen darf.
Macht zumindest die Action Spaß? Die übertriebenen Set Pieces und physikalischen Logiksprengungen sind wie immer mit dabei. Aber je öfter die Größenordnung des letzten Finales in die Eröffnungssequenz des nächsten Film gedrängt wird, desto mehr beginnt sich das Ganze abzunutzen. Die Frage, ob die Crew bald einmal im Weltraum landet, war beispielsweise immer als dummer Gag gedacht. Dass sie das nun doch tut, und das ohne einen nennenswerten Kratzer, lässt den Unterhaltungswert ermüden.
“Wir sind unverwundbar”, ruft Roman einmal ungläubig. Und das ist das Problem. Nicht, dass die Filme unbedingt noch mehr Figuren töten sollten als sie sowieso schon haben. Aber es scheint einfach um nichts mehr zu gehen. Der Einsatz ist zu niedrig. Die aalglatte CGI hat die adrenalinhaltigen, ansatzweise realistisch wirkenden Stunts der alten Filme ersetzt.
Fast & Furious 9 hat seine unterhaltsamen Momente. Aber es zeigt auch deutliche Zeichen, dass dieses Franchise sich selbst erschöpft hat.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.