Von der Saalbacher Tenne an die Spitze der Billboard Charts: Bevor Falco ein Star wurde, spielte er mit Spinning Wheel in der Skidisco oder mit Drahdiwaberl im U4. Warum er schon als junger Bassist auffiel? Unser Redakteur erinnert sich.
von Christian Orou
Wäre Falco ein ganz normaler Mensch gewesen, der Zeit seines Lebens dem nachgegangen wäre, was man gemeinhin eine geregelte Arbeit nennt, hätte er am heutigen 19. Februar 2022 zu seinem 65. Geburtstag in Pension gehen können. Doch sein Leben verlief nicht entlang einer klassischen Arbeiter- oder Angestelltenbiografie. Innerhalb kurzer Zeit stieg er vom einfachen Studio- und Begleitmusiker diverser Wiener Bands zwischen Avantgarde und Kommerz zum Solokünstler von internationalem Format auf und landete an den Spitzen der Charts, USA inbegriffen. Als sein Stern langsam verblasste, starb er bei einem spektakulären Autounfall (am 6. Februar 1998), der ihn in den Rock-Olymp katapultierte.
Übrigens: Wenn du wissen willst, wie gut das neue Falco Musical im Ronacher ist, lies hier unsere Kritik.
Was aber bleibt 24 Jahre nach seinem Tod in der Dominikanischen Republik außer seltsamen Verschwörungsmythen über einen inszenierten Selbstmord, um untertauchen zu können? Was bleibt, außer dem Mythos eines verregneten Konzertes auf der Donauinsel, Stromausfall inklusive? Falco ist mehr als Jeanny und Donauinselfest, als Amadeus und arrogant überhebliche Kunstfigur. Falco ist Drahdiwaberl und Hallucination Company, ist Wiener U4 und Saalbacher Tenne und er ist vor allem auch die Schule für Dichtung.
Meine erste Begegnung mit Falco fand irgendwann Anfang der achtziger Jahre statt. Damals wohnte er noch in Wien-Margareten, wie du hier in unseren Tipps für den fünften Bezirk nachlesen kannst. Die Wiener Festwochen versuchten ein junges Publikum zu erobern und veranstalteten im Zwanziger Haus (dem Museum des 20. Jahrhunderts beim Arsenal) drei Abende unter dem Titel Großstadtdschungel: Jugendbewegungen und Situation der Jugend in der Großstadt. Was wie eine Seminarreihe der Soziologiefakultät klingt, waren in Wirklichkeit Konzerte mit Bands, die damals noch unter Label Underground liefen. Es spielten unter anderem Minisex, die Erste Allgemeine Verunsicherung (die sich damals noch nicht hinter dem Kürzel EAV versteckte) und auch Drahdiwaberl.
Es sollte das erste von unzähligen Konzerten dieser anarchistischen Rocktheatergruppe sein, das ich seither gesehen habe. Damals beeindruckte mich die sensationelle Musik zwischen Hardrock und Zappa. Vor allem merkte ich mir den Bassisten, der gekleidet in feinem Zwirn fast deplatziert in dem ganzen chaotischen Treiben wirkte. Und er durfte sich für einen Song in den Mittelpunkt stellen. Dass es sich dabei genaugenommen um keinen Drahdiwaberlsong handelte, war mir damals nicht bewusst. Das merkte ich erst, als sich Ganz Wien zwei Jahre später auf Einzelhaft, dem Debütalbum von Falco, wiederfand und noch vor dem Kommissar zum Hit wurde.
Bis zur nächsten Begegnung mit Falco dauerte es fast ein dreiviertel Jahr. Sie fand nicht in Wien sondern in Saalbach während eines Skikurses statt. Es war der letzte vor der Pension des Skikursleiters, darum gewährte er uns einige Freiheiten. Eine davon war Ausgang bis 22.00. Das hieß für mich und meine Freunde, dass wir uns gleich nach dem Abendessen in die lokale Diskothek aufmachten. Dort waren wir gern gesehene Gäste, füllten wir doch das Loch zwischen jenen, die gleich nach der Piste in die Disco kamen und jenen, die nach dem Nachtmahl Unterhaltung suchten. Die erste Gruppe wurde von einem Lokalen DJ unterhalten, für die zweite wurde eine Band engagiert.
Unser knapp bemessener Zeitrahmen erlaubte uns, genau eine halbe Stunde des Auftritts dieser Live-Band zu genießen. So wurden die sechs Herren in strahlend weißen Anzügen und knallroten Hemden von uns mit großem Beifall empfangen. Doch noch bevor der erste Ton gespielt wurde, erkannte ich die Mitglieder der Band. Am Schlagzeug saß Rudi Staeger, Szenegröße und Mitgründer der Bands Acid und The Untouchables. Der Gitarrist und der Bläsersatz spielte ein dreiviertel Jahr zuvor im Zwanziger Haus mit Stefan Webers Drahdiwaberl. Und dann war da der Bassist. Was wir damals nicht wussten war, dass dieses Konzert einer der letzten Auftritte von Falco mit seiner Kommerzband Spinning Wheel sein sollte. Mit Drahdiwaberl spielte er unter anderem konsum- und kapitalismuskritische Songs, im Winter tourte Falco mit einer Band durch die Diskotheken des Landes und spielte die Songs der Charts auf und ab.
Von der Diskothek in Saalbach bis an die Spitze der US-Charts dauerte es knapp fünf Jahre. Ganz Wien landete auf der ersten LP von Drahdiwaberl und bildete die Basis für Falcos erstes Album. Auf Ganz Wien folgte Der Kommissar, Falco sprang auf den Zug der neuen Deutschen Welle auf (oder wurde von seinem Manager hineingesetzt). Beim zweiten Album Junge Römer ereilte Falco und seinem Produzenten Robert Ponger der Fluch des Zweitlingswerks. Es enthielt kaum essentielle Songs und die Trennung von Ponger und Falco schien der logische nächste Schritt. Damit war der Weg frei für die Bolland-Brüder, die den Wiener unter ihre Fittiche nahmen.
Das Ergebnis war Falco III, Jeanny, Amadeus und die Nummer eins in den Billboard-Charts. Danach verlor ich die Karriere von Falco aus den Augen. Die Alben nahm ich nur mehr peripher wahr, Konzerte von Falco interessierten mich nicht (ich bin vermutlich der Einzige, die nicht bei dem legendären Konzert auf der Donauinsel war). Erst sein tödlicher Verkehrsunfall in der Dominikanischen Republik war für mich Anlass, mich mit Falcos Schaffen zu befassen. Und seit damals beschäftigt mich vor allem eine Frage: Darf man trotz allem seine späten Alben nicht gut finden? Entzieht sich ein Künstler mit seinem Tod einer Diskussion über die Qualität seines Werkes? Fragen, die man nur schwer beantworten kann.
Wer mehr über das Leben und Sterben eines Rockstars erfahren will, sollte sich das Biopic von Thomas Roth Falco – Verdammt wir leben noch ansehen. Roth gelingt es, die Atmosphäre der siebziger und achtziger Jahre einzufangen. Manuel Rubey präsentiert sich in der Titelrolle und lotet das Spannungsfeld zwischen Kunstfigur und realer Persönlichkeit aus. Er zeigt, wie Hans Hölzl immer mehr hinter Falco verschwindet. Großartig auch Nicholas Ofczarek als Markus Spiegel. Über Manuel Rubeys eigene Musik- und Freizeitleidenschaften könnt ihr hier in unserem großen Interview mit ihn nachlesen. Und Falco Fans sollten sich Ende Februar rot im Kalender anstreichen, da gibt es auf ORF III ein Falco Specialsund dabei zum Beispiel zu sehen:
24. 2., 1:55 Uhr, ORF III: Falco, der Poet
25. 2., 20:15 Uhr, ORF III: Forever Young – Jeanny, wie alles begann
25. 2., 21:35 Uhr, ORF III: Falco Live – Der Falke ist wieder da
25. 2., 22:10 Uhr, ORF III: Falco – Verdammt wir leben noch
25. 2., 00:20 Uhr, ORF III: Falco und seine Mutter Maria
Auch sehenswert: 19. 3., 21:05 Uhr: Soundtrack Österreich: Von Glockenhosen zum Austropop
Übrigens gibt es da noch die erstaunliche Geschichte, wie ich Tage vor der restlichen Welt das Video von Jeanny zu sehen bekam – aber die erzähle ich, wenn überhaupt, vielleicht beim nächsten Mal.
Christians Erinnerungen an ein kultiges Queen Konzert in Wien und unsere 10 liebsten Lieder von Falco könnt ihr hier nachlesen:
Freddie Mercury: Ein persönlicher Tribut
Falco-Top-10: Seine besten Lieder
Falco Musical im Ronacher – unser Urteil
23 Tipps für den Falco-Bezirk Margareten
Aufmacherfoto: (c) ORF/RaumFilm
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.