F1 2017 erscheint morgen mit 12 legendären Formel-1-Boliden. Von der Turbolegende bis zur Roten Göttin – das ist die Story der Kult-Autos.
24.August 2017: Morgen ist ein Feiertag für alle Formel-1-Freaks. Denn im am 25. August erscheinenden F1 2017 von Codemasters, darf man erstmals auch das Gaspedal von 12 klassischen Formel-1-Autos durchtreten. Nostalgiker kriegen da sofort feuchte Augen.
Denn hinter den sehr technischen Namenskürzeln wie McLaren MP 4/4 oder Williams FW14B verbergen sich legendäre Boliden, die die Königsklasse zwischen 1988 und 2010 entscheidend geprägt haben – sie genießen bei Formel-1-Fans zurecht Kultstatus. Wir haben für euch die realen Geschichten hinter den 12 Legenden auf vier Rädern.
Aber als Einstimmung erstmal eine Runde im McLaren MP 4/4 mit Ayrton Senna 1988 in Monte Carlo – noch mit Gangschaltung und ohne Servolenkung:
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Dominanz pur! Der für viele beste McLaren aller Zeiten mit dem unfassbar starken Fahrergespann Ayrton Senna und Alain Prost fuhr 1988 alles in Grund und Boden. Angetrieben vom letzten V6 Honda Turbomotor bevor die Saugmotoren-Ära begann, flog Senna zum WM-Titel. McLaren gewann 15 von 16 Rennen, 15 von 16 Pole Positions und die Konstrukteurs-WM mit der höchsten Siegquote eines F1-Autos aller Zeiten. Lediglich Gerhard Berger verhinderte den totalen Triumph, mit seinem hochemotionalen Ferrari-Heimsieg in Monza – kurz nach dem Tod von Enzo Ferrari.
Was den von Steve Nichols und Gordon Murray designten McLaren MP 4/4 so stark machte? Die flache Bauweise, die bei Murrays legendärem Brabham von 1986 noch nicht mit dem damaligen Motor harmonierte, passte perfekt zum kompakteren Honda Antrieb. Während die anderen Teams ihre Aerodynamik schon mehr nach den Saugmotoren 1989 ausrichteten, entwickelte McLaren während der Saison noch fünf neue Chassis für den letzten Turborenner. 333 Stundenkilometer war sein Speed-Rekord in Hockenheim. Dazu war der MP 4/4 auch noch extrem zuverlässig. Nur dreimal fiel er in dieser Saison aus. Der älteste der in F1 2017 enthaltenen Rennwagen, ist also wohl der kultigste.
Mit dem McLaren MP 4/6 raste der 1994 tragisch verunglückte Senna zu seinem dritten und letzten WM-Titel. SEGA verewigte im Computerspiel Ayrton Senna’s Super Monaco GP II einige unvergessliche Momente dieser Saison – mehr dazu hier in unserem Retro-Test.
Der erste McLaren mit aktiver Radaufhängung und Traktions-Kontrolle war vor allem zu Beginn der Saison dominant, fuhr mit dem Gespann Ayrton Senna/Gerhard Berger 8 Siege und 10 Poles ein. Für den 720 PS starken V12 wurde auch erstmals ein Halbautomatik-Getriebe entwickelt, dass bei McLaren im Gegensatz zu Ferrari und Williams aber noch nicht bei Rennen zum Einsatz kam. Gegen Mitte der Saison begann Williams McLaren den Rang abzulaufen.
Dieses Renner ist ein absoluter Meilenstein der Formel-1-Geschichte. Weil nach den tödlichen Unfälle von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger 1994 Reglement-Beschränkungen den rasanten, aber gefährlichen Fortschritt beschnitten, blieb der Williams FW14B von 1992 noch viele Jahre später der technologisch ausgereifteste Formel-1-Wagen. Die aktive Radaufhängung und der fantastische Abtrieb kam der aggressiven Fahrweise von Nigel Mansell enorm entgegen – während es so gar nicht zum Stil seines Teamkollegen Riccardo Patrese passte.
Das Ergebnis: WM-Titel mit neun Saisonsiegen für Mansell (Patrese gewann einmal). Zeitweise war man in nur einer Runde zwei Sekunden schneller als die Konkurrenz. Die totale Demütigung setzte es für McLaren beim Heimrennen in Silverstone, wo Mansell im Qualifying dem drittplatzierten Senna (immerhin Großmeister des Qualifyings) drei Sekunden abnahm. Eine Welt in der Formel-1.
Nein, dieses Auto ist nicht wegen seiner Siege legendär. Jean Alesi gewann damit 1995 nur einen Grand Prix und Gerhard Berger holte eine Pole (in Spa). Dem Ferrari 412T2 fehlte vor allem eines – die Konstanz. Eine Ausfallquote von fast 50 Prozent machte jede Titelambition zunichte.
Aber. Großes ABER! Dieser Ferrari gilt als eines der schönsten Autos in der F1-Geschichte. Dafür sorgte die damals bereits konservative tiefe Nase. Und der unglaublich geile Sound des letzten Ferrari V12. Zudem war der 412T2 auch noch schnell und konkurrenzfähig – solange er nur die Zielflagge zu sehen bekam.
Ganz anders, der Williams FW18 der Damon Hill seinen einzigen WM-Titel bescherte. Die zuverlässigste F1-Maschine der Saison 1996 wurde nur viermal von einem technischen Defekt ausgebremst.
Fast hätte er sogar Jacques Villeneuve in seiner Debütsaison zum Weltmeister gemacht – wäre dem nicht im letzten Rennen in Suzuka das Rad davongeflogen. 12 von 16 Rennen gewonnen, bis auf zwei Grand Prix immer am Podest – so die fast makellose Bilanz des von Adrian Newey und Patrick Head entworfenen Boliden.
Erstmals seit 1991 wieder ein Konstrukteurstitel für McLaren, das lag auch am gigantisch starken Mercedes Motor. Im ersten Rennen überrundete der McLaren MP4/13 mit Mika Häkkinen (8 Saisonsiege) und David Coulthard (1 Saisonsieg) gleich das gesamte Feld. Neweys erstklassige Aerodynamik ließ den Wagen zwar leicht untersteuern und Ferrari holte auf – doch auf Highspeed-Strecken wie Silverstone oder Hockenheim war der 600 Kilo schwere 6 Gang Bolide nicht zu schlagen (Höchtgeschwindigkeit: 352 km/h).
Ferrari F2002. Den Spitznamen Rote Göttin hat sich eines der erfolgreichsten Formel-1-Autos aller Zeiten absolut verdient. Ab dem dritten Saisonrennen 2002 eingesetzt, verhalf er Michael Schumacher zur ungefährdeten Titelverteidigung. Er stand damit schon sechs Rennen vor dem Finale als Sieger fest – bis heute die schnellste WM-Entscheidung aller Zeiten.
Zwar hatte der V10 etwas weniger Power als der Williams, die Aerodynamik war aber atemberaubend. Der tiefe Schwerpunkt des Motors sorgte für ein extrem gutes Handling. Einen ordentlichen Kratzer im Ferrari-Lack gab es aber durch die Stallorder Aktion in Spielberg. Barrichello musste Schumacher auf der Zielgeraden den Sieg überlassen. Ein gellendes Pfeifkonzert der österreichischen Fans und ein Image-Schaden, der sich gewaschen hatte, waren die Folge.
Anhand der Basis des Erfolgsautos F2002 entwickelten Rory Byrne, Ross Brawn und Aldo Costa eines der schnellsten Formel-1-Autos aller Zeiten: den Ferrari F2004. Bis heute hält der F2004 immer noch die Rundenrekorde in Melbourne, San Marino, Kanada, Magny Cours, Shanghai, Monza, am Hungaroring und am Nürburgring – somit auch noch auf zahlreichen Strecken, die 2017 im Rennkalender stehen. Somit ist dieses Auto auch eines der schnellsten, das in F1 2017 enthalten ist. Ein Coup war die runderneuerte Vorderradaufhängung. 605 Kilo, 7 Gänge, 890 PS, 15 von 18 Rennen gewonnen, 12 Pole-Positions, WM-Titel für Schumacher, Konstrukteurstitel – Danke, Bitte!
Phrasenschwein, friss diesen Euro: Der Teufel steckt im Detail, oder wie im Renault R26 im Frontflügel. Da verbarg sich im äußerlich eher unscheinbaren Franzosen ein Massendämpfer. Das ist ein Dämpfungs-System, das eigentlich für Häuser gedacht ist, um Schwingungen bei Erdbeben auszugleichen. Im Renault stabilisierte es den Frontflügel bei der Fahrt über Curbs und in Kurven. So dominierte Fernando Alonso die erste Saisonhälfte nach Belieben, gewann 7 von 9 Rennen.
Allerdings eine Dominanz mit Ablaufdatum. Denn die FIA reagierte mit einem Verbot des Massendämpfers – ungewöhnlicher Weise – mitten in der Saison. Das traf Renault von allen Teams am meisten. Zwar hatte die Konkurrenz da auch bereits einen eingebaut, der R26 war aber um diese Technik herum konstruiert. Ferrari war nun die Nummer 1. Trotzdem reichte es noch für Alonso zur Verteidigung des WM-Titels und den zweiten Konstrukteurstitel für Renault in Folge.
Frisch zu Ferrari gewechselt verhalf das innovative Quick Shift System des F2007 Kimi Raikkönen nach fünf Jahren ohne WM-Titel bei McLaren auf Anhieb zur Formel-1-Krone.
Der Ferrari F2007 war eine besonders schnittige Schönheit. Die neuen Luftleitblenden sorgten für eine bessere Strömung der Luft, die sich nun um ein komplett rotes Chassis – wie geil sah das aus! – schmiegte. Erstmals musste man bei Rennen zwei verschiedene Reifenmischungen verwenden. Der Ferrari F2007 ist übrigens auch im Spiel Gran Turismo 5 und Gran Turismo PSP enthalten. Die Bilanz im echten F1-Leben: 9 Siege, 9 Poles, 12 schnellste Runde, Fahrer- und Konstrukteurstitel.
Extraflügelstreben vorne, Extraflügel hinten, Flügel auf der Seite und überhaupt überall. Eine Schönheit war der McLaren MP 4/23 nicht. Weil die Motoren-Entwicklung im Reglement eingeschränkt wurde, konzentrierten sich Designer Neil Oatley, Simon Lacey und Tim Coss ganz auf die Aerodynamik. Heraus kam ein Flügelflitzer vom Feinsten – mit dem Lewis Hamilton zum WM-Titel und neun Siegen raste. Ab Ungarn gabs dann auch noch “Dumbo Wings” für den Renner. Den Konstrukteurstitel gewann aber Ferrari. Nach dieser Saison wurden die exzessiven Aerodynamik Spielereien von der FIA Gott sei Dank wieder eingeschränkt.
Fein. Denn so war wieder die Bahn frei für ein wunderschönes Auto. Der Red Bull RB6 – ein besonderer Wurf – verhalf dem Getränkeimperium “Made in A” zum ersten Konstrukteurstitel und einen gewissen Sebastian Vettel erstmals zu Weltmeisterehren. Adrian Newey schwärmt noch heute von seinem Baby als das Formel-1-Auto mit der meisten Downforce aller Zeiten. Das Schönste: Man kann den RB6 in Pension heute noch am Hangar-7 oder ab und zu beim GP in Spielberg auch noch im echten Leben begutachten.
So. Wer jetzt keine Lust bekommen hat sofort F1 2017 einzuwerfen und das Handling der legendären, klassischen Autos selbst auszuprobieren, ist entweder kein echt Formel-1-Fan oder besitzt leider keine PS4, keine Xbox One oder keinen PC. Also in diesem Sinne: Brrrrrrrrrrrumm!
P.S. Codemasters wollte eigentlich noch mehr klassische Autos in F1 2017 implementieren – scheiterte aber teilweise an Lizenzproblemen. Für F1 2018 dürfen wir uns daher wohl auf noch mehr Kultboliden freuen. (ak)
Aufmacherfoto: (c) By Instituto Ayrton Senna derivative work Karpouzi CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
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