Der harte Lockdown endet heute. Doch Partys und Konzerte sind bis auf weiteres wegen der anhaltenden Coronakrise nicht möglich. Wir haben Kenner der Events in Wien vor den Vorhang geholt und über ihre Visionen, Wünsche und Sorgen gesprochen.
von Patrick Meerwald
8. Februar 2021: Quo vadis, Shows? Das Coronavirus hat sie momentan noch in ihrer Mangel. Trotz der Öffnung des Handels und anderen Dienstleistern ist die Kulturbranche noch immer auf Stand-By geschaltet. Konzerte, Partys und viele andere Events sind deshalb nicht möglich.
Doch verdient es diese wichtige Schiene auch gehört zu werden. Wir haben uns mit verschiedenen Kennern der Szene unterhalten. Sie berichten, was sie beschäftigt, welche Chancen der hoffentlich baldige Restart bietet und mehr.
Tatsächlich sind viele Entscheidungen aktuell sehr kurzfristig und lassen eine sinnvolle Organisation von Veranstaltungen kaum bis gar nicht zu. Und gerade davon leben wirklich gelungene Events. Diese sind unmöglich binnen weniger Tage planbar oder gar realisierbar. Vieles wird zwar im Kalender vermerkt, auch vorgeplant, aber durchgeführt bekannterweise nicht. Daher ist es kein Wunder, dass praktisch alle Gigs in naher Zukunft bereits abgesagt oder verschoben sind – siehe hier unser Konzert-Überblick für Februar.
“Die Politik ist gefordert. Natürlich ist es derzeit schwer zu planen. Doch trotzdem würde es uns sehr gut tun, wenn wir zumindest eine Richtung oder Tendenz spüren würden, wo die Reise hingeht”, meint etwa Michael Häussler, der vor allem mit seiner Booking-Agency Musicjunky Bookings in Wien ein echter Insider ist. Außerdem hat er seit kurzem ein eigenes Label am Start und ist auch als Veranstalter absolut kein Unbekannter.
Markus Winkler, CEO bei dem Indie-Label Mars Music Productions, wirft ein: “Es liegt in der absoluten Verantwortung der Politik mit bestimmten Vorgaben, in Absprache mit Veranstaltern und Betreibern, ein Umfeld zu schaffen, welches den Menschen wieder ein miteinander, wenn auch vorerst nur in kleinen und beschränkten Rahmen, ermöglicht. Sei es bei Konzertveranstaltungen, in Clubs oder der Gastronomie. Dies ist von enormer Bedeutung und Wichtigkeit.”
Diesem Anliegen komme die Politik gar nicht nach, wie Winkler auch klar betont: “Dass dies absolut in keinem Gedanken und nach wie vor nicht im Raum steht, einfach komplett negiert wird, erfüllt nicht nur mich, sondern sehr viele Menschen mit Sorge und Bedenken – um das mal schön sachlich auszudrücken.”
Damit die Durchführung besser gelingt, sind in den Lockdown-Phasen verschiedene Möglichkeiten getestet worden. Von Masken am Platz, bis zu ausschließlichen Sitzkonzerten – die Ideen waren vielfältig, haben sich aber nicht bewähren können. Aktuell laufen heiße Debatten darüber, ob negative Antigentests als Eintrittsbedingung realisiert werden sollen. Häussler findet diese Idee sinnvoll und unterstützenswert. Seiner Meinung nach ist das auch der einzige Weg, Gigs wieder laufen zu lassen. Er betont aber auch, dass es sich hier um eine Momentaufnahme handelt.
Winkler möchte an die Bestimmungen vom Herbst anknüpfen und diese um höchstens 24 Stunden alte Antigentests erweitern. Aber auch Testmöglichkeiten bei den Locations möchte er. Er fordert “vor allem, dass jede Location und jedem Betreiber regelmäßig ausreichend und kostenfrei Schnelltests, vom Bund oder Land, zur Verfügung gestellt werden, um zum Einen, den Besuchern organisatorisch entgegen zu kommen und zum Anderen, ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten.”
Locations und Betreiber sollen ausreichend Antigentests für die Organisation und für die maximale Sicherheit erhalten.
Markus Winkler verfolgt einen Plan, wie Konzerte bald klappen sollen.
Kritischer betrachtet diesen Vorgang widerum Adil Baktir, der mit dem Phat Jam eine der größten Jam-Sessions in Wien hosted: “Eintrittstests finde ich nicht so super. Denn sobald du dein Zuhause verlässt, bist du im Grunde frei zum Abschuss. Es kann ja genauso sein, dass am Weg zu einem Event eine potenzielle Ansteckung geschieht.”
Den angeblichen Plan des Event-Riesen Eventim (zu dem auch die österreichische Schwester oeticket gehört), ein verkauftes Ticket an eine erfolgte Impfung zu koppeln, sehen unsere Gesprächspartner nicht unbedingt als der Weisheit letzter Schluss. Da müsse noch einiges vorab geschehen, damit das eine ernsthafte Option sein kann, so der Tenor.
Tests oder Impfungen beiseite geschoben, gibt es noch weitere Dinge, die die Konzertwelt nach dem Lockdown beschäftigen werden. Sicherheits- und Hygienekonzepte sind da unerlässlich. Wie die aussehen sollen?
David Jerina, seines Zeichens einer der bekanntesten DJs am Wiener Gürtel, der vor allem im Loft seine Sets spielt, hat dazu eine klare Meinung: “Vielleicht wäre es generell besser, wenn Wissenschaftler die Krise managen würden, ohne die Zurufe aus der Politik. (…) Für Konzepte vor Ort sollen vor allem die Veranstalter und Venues selbst Sorge tragen, aber mit einem umsetzbaren Rahmen, den die Politik vorgibt, der auch mit der Wissenschaft abgestimmt ist.”
Michael Häussler wünscht sich mehr Vertrauen in die Organisatoren selbst, die neben den Besitzern der einzelnen Locations am besten wüssten, welche Feinheiten in den jeweiligen Hallen oder Lokalen zu bedenken seien.
Wissenschaftler sollten die Krise managen.
David Jerina hält wenig von den Zurufen der Politik.
Winkler hofft, dass die Politik weiter finanzielle Unterstützungen bietet: “Ausfallszahlungen sollten weiterhin stattfinden, solange nicht jede Location wieder Normalbetrieb hat.”
Alle unsere Gesprächspartner vermissen das Konzert-Feeling. Sich austauschen und treffen geht ihnen sichtlich ab. Beeindruckend sind trotzdem der Optimismus und die kreativen Ideen bei jedem Einzelnen, für “die Zeit danach”. Von neuen Formaten bis zu mehr Zusammenhalt innerhalb der Szene sind sie alle Feuer und Flamme.
Häussler: “Diese Krise ist eine Chance, dass unsere Musikszene wieder mehr das miteinander und nicht gegeneinander Arbeiten im Fokus hat. Ich habe zum Beispiel auch aktuell ein Projekt mit Markus Winkler und Mars Music am Laufen, bei dem wir verschiedene Musiker auf einem Sampler zusammenbringen. Auch für Gigs werden sie wieder zusammenfinden. Da sollen alle etwas davon haben.” Winkler schwärmt ebenso von der Collab, die er als “richtiges Herzensprojekt” beschreibt. “Auf die Umsetzung freue ich mich schon richtig.”
Die Krise ist eine Chance für mehr Zusammenhalt!
Michael Häussler sieht positive Seiten beim neuen Restart.
Auf Social Media setzt sich Michael Häussler für die Musiker ein. Zuletzt startete er eine Gruppe auf Facebook als Plattform für den Support der heimischen Künstlerinnen und Künstler. Hier werden zum Beispiel Musikvideos und andere News regelmäßig gebracht.
Baktir erzählt von seiner Vision der “Hybrid-Konzerte”: “Das Thema Livestream-Konzerte in der jetzigen Zeit sollte viel weiter gedacht werden. Gerade im vergangenen Jahr haben sich sehr viele auf diesem Gebiet für die technische Realisierung spezialisiert. Da muss doch mehr zum Rausholen sein. Für die Gamer läuft das Interaktive in ihren Streams schon seit Jahren großartig. Wieso soll das nicht auch ähnlich bei Musikern funktionieren? YouTube könnte da zum Beispiel auch für solche Modelle eine Subscribing-Methode anbieten. Oder die Künstler machen das privat. Da geht enorm viel. Wichtig ist mir nur, dass es später kein ‘entweder oder’ sein soll, sondern dass Leute sowohl vor den Schirmen als auch in den Hallen sind.”
Dieser große Wille und diese Motivation weiter zu machen zeigt klar: Unsere Kultur-Szene ist alles andere als tot. Sie wartet auf ihre Chance und wenn sie da ist, geht es erst so richtig los und wir können uns bei den Events in Wien garantiert auf einiges gefasst machen.
Die neuen Termine der Februar-Konzerte in Wien findest du natürlich auch in unserem Hörer-Bereich. Aber auch unsere monatliche Serie mit spannenden Musik-Interviews mit nationalen und internationalen Stars.
Wien-Konzerte im Februar: Diese Gigs sind von Covid betroffen
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Aufmacher: (c) pixabay
Der Wiener Journalist ist seit 2016 Musik-Ressortleiter bei heldenderfreizeit.com, schreibt für diverse Musikfachmedien wie Stark!Strom berichtet dabei über Konzerte, Neuerscheinungen, führt Interviews und erstellt Besten- und Playlisten zu den Top-Liedern von Musikstars.