Vor zwei Jahre lies die Neuverfilmung des Stephen King Klassikers It Pennywise auf die Kleinstadt Derry los. Jetzt ist es Zeit für ES Kapitel 2. Ob der Horror-Clown auch 2019 zu erschrecken weiß? Unser Review.
4. September 2019: 27 Jahre sind vergangen seit die 7 Kids (Bill, Richie, Beverly, Ben, Eddie, Mike und Stanley) Pennywise mit vereinten Kräften verjagen konnten. Nachdem sie ihre Heimatstadt Derry verließen, begannen sie auf mysteriöse Weise die Ereignisse ihrer Kindheit zu vergessen. Alle außer Mike, der immer noch in dem kleinen Städtchen wohnt. Dann schlägt Pennywise plötzlich wieder zu und Mike muss seine alten Freunde kontaktieren – immerhin haben sie damals geschworen zurückzukehren, wenn das furchtbare Wesen wieder aus dem Kanal kriecht.
Wir durften ES: Kapitel 2 der morgen (5. September) im Kino startet vorab sichten und verraten euch, ob das zweite Kapitel genauso furchterregend ist, wie das erste (hier zum Nachlesen unser Review zu Kapitel 1).
Es ist schwer, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Vor allem, wenn man sie fast vergessen hat. Obwohl sie ihre Traumata scheinbar hinter sich gelassen haben, sind die Leben unserer Helden keinesfalls perfekt. Beverly wird von ihrem Mann geschlagen, Billy findet als Schriftsteller nie gute Enden für seine Bücher, Richie lässt sich seine Witze als Komiker von anderen schreiben. Und dann erhalten sie auch noch einen Anruf von Mike. Irgendetwas läuft schief. Als Mike von der Rückkehr des Horrors nach Derry berichtet, machen sie sich auf den Heimweg. Dort müssen sie sich nicht nur Pennywise stellen, sondern auch ihren eigenen ganz persönlichen Dämonen.
Eines vorweg: ES Kapitel 2 ist ein Monstrum von Horrorfilm. Die Laufzeit kratzt an der drei Stunden Marke. Das ist auf der einen Seite Segen und auf der anderen Seite Fluch. Eine solche Spielzeit zeugt von großem Respekt vor dem Roman und sie erlaubt jedem der Hauptdarsteller genügend Platz im Rampenlicht. Es bedeutet aber auch, dass viele Aspekte des Films (vor allem im Mittelteil) etwas zu sehr zelebriert werden.
Wie schon im ersten Film bekommen alle Charaktere ihre eigene Schockszene, die sich mit der Verarbeitung ihrer Vergangenheit und ihren ureigenen Ängsten auseinandersetzt. Diese Szenen bestimmen den zweiten Akt und sind leider nicht immer effektiv. Licht und Schatten. Gut die Hälfte der Szenen sind lediglich Variantionen von Dingen, die man bereits im ersten Teil oder unzähligen anderen Filmen so oder so ähnlich gesehen hat. Erstaunlich ist, dass eben genau in diesen Momenten auch die CGI-Animationen schwächeln. Überhaupt geht ES Kapitel 2 in Sachen CGI oft einen Schritt zu weit. Mehr praktische Effekte hätten dem Film gut getan.
Was die Handlung betrifft, wiederholen sich viele der emotionalen Aspekte des ersten Kapitels. Das ist nur natürlich, weil sich die beiden Handlungsebenen (die der jungen und später erwachsenen Protagonisten) in der Buchvorlage erzählerisch parallel abspielen. Aufgetrennt auf zwei Filme wirkt es eher wie eine grundlose Wiederholung. Das ist auch so, weil ES Kapitel 2 sich nicht viele ruhige Momente erlaubt und tiefere Charakterentwicklung zugunsten von großen Schockmomenten zur Seite schiebt. Über drei Stunden gerechnet, ermüden die unzähligen Horrorszenen aber. Weniger wäre mehr gewesen, zumal viele für sich gesehen außerodentlich gut inszeniert sind.
Aber. In ES Kapitel 2 steckt auch viel Gutes. Allen voran die Schauspieler. Ihre Leistungen sind durch und durch solide mit einigen Ausreißern ins Großartige. Erstaunlicherweise handelt es sich dabei weder um James McAvoy (Split) oder Jessica Chastain (Zero Dark Thirty). Soll nicht heißen, dass die beiden ihre Rollen als Bill und Beverly nicht glaubhaft und emotional darstellen, sondern dass andere ihnen die Show stehlen. Allen voran trägt Isaiah Mustafa als Mike viele wichtige Szenen. Seine manischen Monologe und die halbkindliche Unsicherheit gepaart mit unerschütterlicher Entschlossenheit machen ihn zu einem Highlight. Ein weiterer Stützpfeiler des Filmes ist Bill Hader. Der Schauspieler, der eigentlich mehr für seine komödiantischen Rollen bekannt ist, dient nicht nur als comic relief. Seine Zerrissenheit und sein Humor als Schutzmechanismus machen ihn zu einem der glaubhaftesten Darsteller.
Und Pennywise? Der schon im ersten Film von Bill Skarsgård grandios verkörperte Horrorclown ist auch dieses Mal wieder ein Antagonist zum Fürchten. Am meisten zeigt sich seine schauspielerische Klasse in den langsameren Momenten, wenn er seine Opfer mit psychologischer Folter in die Falle treibt, nur um dann überraschend loszuschlagen. Obwohl Szenen dieser Art weniger häufig vorkommen als noch im ersten Teil, sind sie immer noch äußerst effektiv. Überhaupt muss Pennywise in ES Kapitel 2 öfter mit einer großen CGI-Last kämpfen. Das Monströse ohne das Menschliche funktioniert weniger als das Monströse im Menschlichen. Deshalb hätten wir gerne mehr vom menschlichen Pennywise gesehen. So hätte auch Skarsgard noch mehr glänzen können.
Im Fall von Eddie (James Ransone), Ben (Jack Ryan) und Stan (Andy Bean) muss man dem Casting ein großes Lob aussprechen. Denn diese Drei erstaunen bei Aussehen und Mimik mit großer Ähnlichkeit zu ihren Teenager-Versionen.
Optisch ist ES Kapitel 2 über weite Strecken ein Meisterwerk. Das Design der Sets, die Kostüme, das Make-Up und auch die allermeisten Computereffekte treffen ins Schwarze. Vor allem Pennywise und seine Transformationen sind beeindruckend. Die Szenenbilder und die Kameraarbeit unterstreichen perfekt, was sich im Bild abspielt. Ohne diese Nuancen wären die sowieso schon sehr laut und spektakulär gestalteten Schockmomente nur halb so schockierend. Umso erstaunlicher, dass in der Filmmitte eine Häufung von sehr bedenklichen Spezialeffekten auftritt. Immer wenn Pennywise nicht in seiner Clownform auf den Plan tritt, wirkt das Effektspektakel unglaubwürdig und unnötig. Auch wirkt ES in Zombieform oder das gruselige Haus wie aus einem Buch für Horror-Klischees. Etwas, das uns schon im ersten Teil nicht so gut gefiel.
Die Sounduntermalung ist generell wieder auf gutem Niveau. Nur einmal wirkt sie völlig deplatziert, wenn ein Jumpscare mit Eddie plötzlich mit fröhlichem Musikgedudel untermalt wird. Als würde sich der Film einmal kurz nicht ernst nehmen. Was wohl auch deshalb negativ auffällt, weil diese Szene generell nicht sehr stark ist.
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ES Kapitel 2 ist ein aufregender, aber auch anstrengender Film. Die Überlänge wird selten für narrative Zwecke genutzt und mehr um große Effekte abzubrennen. Warum die Neuverfilmung trotzdem gut funktioniert? Wegen der emotionalen Tiefe des ersten Teils, auf dem die Handlung aufbaut, und den großartigen Schauspielern, die sie tragen. Außerdem werden Stephen King Freunde allein durch die Detailverliebtheit auf ihre Kosten kommen. Ein Horrorfilm der Superlative, dem mehr Zurückhaltung gut getan hätte. (ph)
Der zweite Teil kann mit ES Kapitel 1 leider nicht ganz mithalten. Das liegt daran, dass der Mittelteil, in dem jeder Einzelne noch einmal mit ES konfrontiert wird, etwas zu lange geraten ist und die Qualität dieser Gruselszenen schwankt. Am Stärksten ist ES Kapitel 2 zu Beginn und am Ende, wenn die Beziehungen der Loser untereinander und ihre Probleme als Erwachsene ins Zentrum rücken. Was in Kapitel 1 als Coming-of-Age-Drama noch toll aufbereitet wird, kommt hier trotz der langen Laufzeit ein wenig zu kurz. Schade, denn so hätte aus einem guten ein hervorragender Film werden können. (ck)
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Alle Fotos: (c) 2019 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC./Brooke Palmer
Peter Huemer stellt bei den Helden der Freizeit jedes Monat in "Peters Buchtipp" ein außergewöhnliches Werk vor. Außerdem schreibt er bei uns über Games, Kino und Streaming. Der Freie Schriftsteller hat vergleichende Literaturwissenschaft studiert und arbeitet auch als Lektor, Korrektor und Übersetzer.