Mit Dinner für Acht will das neue Filmfranchise Amazing Austria Entertainment großes Unterhaltungskino made in Austria präsentieren. Im Auftaktfilm testet eine gelangweilte Gruppe Mitt-20er, wie sehr wir wirklich auf Social Media abgehört werden. Das Ergebnis will ein aufregender Genre-Mix sein – ob das gelingt, verraten wir hier.
von Susanne Gottlieb
27. April 2022: Das digitale Zeitalter. Konstante Überwachung und Datenspeicherung. Das vollständige Profil von einem selbst, abgelegt auf irgendeinem Server da draußen. Die detaillierte Persönlichkeitsaufschlüsselung mit allen Vorlieben und Gewohnheiten. Ein guter Ansatzpunkt für einen Film. Gesehen so in vielen Spionagefilmen oder Thrillern, in denen unschuldige Menschen plötzlich durch Großstädte gejagt werden.
In Österreich gab es solche Geschichten bisher kaum zu sehen. Das mag daran liegen, dass sich der Arthouse Film, der zumeist erfolgreich auf Festivals läuft, für andere Dinge interessiert. Zum anderen hatte sich auch nie außerhalb der ORF-TV-Konventionen wirklich ein Mainstream Österreich-Film etablieren können. Lobenswert ist hier etwa Andreas Prochaska hervorzuheben, der mit den beiden In 3 Tagen bist du tot Filmen, Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott und Das finstere Tal national und international Erfolge feierte.
Nun haben sich die Produktionsfirmen Digifilm, Screen Poetry Entertainment und Bildhus zusammengeschlossen, um unter dem Banner “Unglaubliche Geschichten aus Österreich” eine Reihe von Populärkultur-Filmen zu drehen. Dinner für Acht macht hier den Auftakt für eine Reihe an weiteren Spielfilmen, die bereits in Planung sind.
Doch lohnt sich dieser Trip ins österreichische Hollywood, der am 29. April österreichweit startet? Wir waren bei der Premiere im Cineplexx Wienerberg dabei und berichten euch, was von dem Streifen zu erwarten ist. Übrigens: Hier findest du die besten Kinostarts im Mai.
Sophie (Katharina Scheuba), ihr Freund Arian (Samuel Tehrani), ihre beste Freundin Lizzy (Ylva Maj), deren Freund Georg (Angelo Konzett) und Markus (Patrick Laub) kennen sich seit der Schulzeit. Gemeinsam mit Markus neuer Eroberung Caro (Nina Hafner) will man im heimatlichen Baden eine Dinnerparty veranstalten. Mit an den Tisch kommen aber auch die zahlreichen Konflikte der Partien. So fühlt sich Sophie, die bei ihrem Theaterpraktikum zwar nur den Kaffee holt und Besorgungen erledigt, für Höheres bestimmt. Am liebsten würde sie selbst Stücke schreiben. Auch ein Flirt mit einem der Theaterschauspieler macht sie unsicher über ihre Zukunft.
Ihr Freund Arian dagegen, der gerade an einer Diplomarbeit über KIs schreibt und das Haus seiner Eltern in ein Smart Home eigener Marke umgewandelt hat, sieht in Sophies Praktikum nur leere Träume. Er möchte ihr eigentlich einen Antrag machen und sich im heimatlichen Baden niederlassen. Lizzy hadert mit der Tatsache, dass ihr Freund Georg zu viel mit Markus neuer Freundin Caro abhängt. Und dann ist da noch die unangenehme Tatsache, dass ein alter Schulbekannter, der stets als Freak verschrieene Tom (Igor Karbus), plötzlich beim Dinner mitmachen will.
Im Laufe des Abends wandert das Gespräch früher oder später zu moderner Technologie. Es kommt zum Streit. Inwieweit werden wir wirklich von denen da draußen überwacht? Die Frauen meinen, es wäre problematisch. Die Männer meinen, niemand interessiert sich für die eigene Shoppingliste am Handy. Also beschließt man ein Experiment. Man will etwas planen – und die Handys und das KI des Hauses hören zu. Doch dann entstehen Komplikationen, mit denen keiner der Freund:innen gerechnet hatte ….
Es ist ein ambitioniertes Projekt. Und trotz geringem Budget ist hier auch eine sehr beeindruckende Produktionsqualität zu erkennen. Doch das Ganze steht und fällt letztendlich mit der Geschichte – da kann auch der durchaus talentierte Cast nichts daran ändern. Denn letztendlich muss man mit der Ausgangssituation zufrieden sein. Sieben, ohne Tom anfangs sechs, Kleinstadt-Tweens planen einen Anschlag – nur um zu testen, ob ihre Handys abgehört werden oder nicht. Völlig gleichgültig der Konsequenzen, oder überhaupt der Wahrscheinlichkeit, dass jemand ihre 08/15 Parolen über die Ausbeutung des Bürgertums durch die Konzerne ernst nehmen könnte, drängen sich hier Momente von Privileg, gelangweiltem Wohlstand und irgendwie auch Idiotie auf.
Doch junge Leute müssen nicht immer die Klügsten im Raum sein, wo wäre sonst der Raum zum Wachsen. Man könnte diese etwas ignorante Idee der Truppe dadurch ausgleichen, dass hier interessante Figuren geschaffen werden, die alle ihr Päckchen mit sich rumtragen. Doch hier enttäuscht das Skript abermals. Abgesehen davon, dass bei Dinner für Acht jeder Archetyp eines Films vertreten ist (die weibliche Projektionsflächen-Protagonistin, der Seriöse, die Aktivistin, der Clown, die Sportskanone, die Prinzessin, der Freak), entwickelt sich keine nennenswerte Dynamik. Sophie, die Leading Lady, wirkt eher arrogant als eine missverstandene Künstlerin. Ihr Glaube an “gratis Praktika” und “Theaterwissenschaftsstudium als Weg zum Theaterjob” sind eher müde Schmunzler.
Am ehesten hebt sich hier noch Arian aus der Masse raus. Über ihn erfährt man am meisten, und er darf als Migrantenkind noch einmal die intersektionale Keule schwingen. “Wer wird wohl als erstes im Gefängnis landen”, meint er, mit Schwenk auf seinen persischen Teint. Aber mit ein wenig emotionaler Erpressung von Sophie fügt er sich der Sache doch – und ist wohl der Einzige, der das irgendwie je ernst nimmt. Viel mehr fragt man sich am Ende des Films, warum er sich nicht überhaupt neue Freunde sucht.
Doch selbst, wenn man die Figuren und ihre sehr oberflächliche Dramaturgie ausblendet, auch der Cyberüberwachungsplot lässt zu wünschen übrig. Der ist gerade einmal im zweiten Akt wirklich ein Thema. Es wird ein wenig philosophiert, ein wenig getrunken und Anschlag geplant, und wenn dann die KI “James” plötzlich nicht mehr antwortet, erwartet man schon fast den Aufstand der Maschinen. Dazu kommt es aber nicht. Denn das Drehbuch beginnt vielmehr in einen klassischen Horrorfilm umzuschwenken. Vergesst Terrorismus, hier beobachtet wer das Haus. Die gute Auflage einer Auseinandersetzung mit Überwachung weicht einem durchwachsenen Horrorplot dessen Auflösung schon von Beginn des Films an offensichtlich und auch nicht unbedingt unproblematisch ist.
Hier wurde eindeutig eine Chance vergeben, wirklich eine Geschichte über moderne digitale Überwachung, Datensammlung zu drehen und den eher sorglosen Umgang gegenwärtiger Generationen damit aufzuzeigen. Man könnte meinen, die Macher waren zu begeistert hier amerikanisches Kino zu zitieren, und haben ihre Finger in zu viele Genres auf einmal getunkt. Was dazu führte, dass man nicht orginell ist, sondern einfach viel zu breit ausgetrampelten Pfaden nachstöckelt.
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Fotos: (c) Digifilm Filmproduktion
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.