Die brillante Mademoiselle Neïla ist eine gelungene Komödie, die beweist, dass Schweigen doch nicht immer Gold ist. Was den Charme dieser französischen Produktion über die Rhetorik ausmacht, die heute in unseren Kinos startet? Unser Review.
von Klarissa Gruber
6. September 2018: „Es geht nur darum Recht zu haben. Scheiß auf die Wahrheit“. Das und die Gabe stets zu überzeugen, ist die Grundessenz des Films Die brillante Mademoiselle Neïla. Eine clever-charmante Komödie, die sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Unter der Regie des französischen Schauspielers Yvan Attal dreht sich alles darum, Sprache zum eigenen Gunsten anzuwenden und jede Diskussion zu gewinnen.
Am 6. September startet die französische Produktion in den deutschsprachigen Kinos. Warum wir sie wärmstens empfehlen, lest ihr in unserer großen Kritik.
Neïla Salah (Camélia Jordana) beginnt ihren ersten Tag als Jus-Studentin an der renommierten Pariser Assas Law School. Was als schönes Ereignis beginnt, ändert sich schlagartig, als sie 5 Minuten zu spät in die Vorlesung von Professor Pierre Mazard (Daniel Auteuil) kommt. Er unterbricht seinen Vortrag, um Neïla vor allen StudienkollegInnen bloßzustellen. Seine verbalen Ausfälle und teils sogar rassistischen Bemerkungen schlagen große Wellen: Es tauchen Videos von der Erniedrigung Neïlas auf Youtube und Facebook auf. Viele verlangen bereits die Entlassung des Professors in einer Petition.
Den Präsidenten der Uni (Nicolas Vaude) bringt das in eine verzwickten Lage. Schon oft musste er seinen Freund Pierre wegen seines auffälligen Verhaltens aus einer prekären Lage retten. Denn der ist als Lehrkraft unersetzlich. Doch nun sind ihm die Hände gebunden. Ein Deal des Präsidenten soll den Namen von Pierre reinwaschen: Er muss Neïla auf den anstehenden und hochangesehenen Rhetorikwettbewerb vorbereiten und ihr zum Sieg verhelfen. Dadurch könnte der Disziplinarausschuss gnädig sein und die Schule würde außerdem an Ansehen gewinnen. Weder Neïla noch Pierre haben Freude mit dieser Zusammenarbeit und so prallen zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Die brillante Mademoiselle Neïla ist ein außergewöhnlicher Film, der gelungen gesellschaftskritische Themen tansportiert und Stereotypen und Vorurteile aufdeckt. Als Neïla und Pierre zusammenarbeiten müssen, was beiden sichtbar gegen den Strich geht, kommt die Story erst ins Rollen.
Neïla weiß zu dem Zeitpunkt nichts vom Deal zwischen dem Präsidenten und Pierre. Die Szenen zwischen den beiden sind unbezahlbar. Sie sorgen immer für einen Lacher oder kurzes Entsetzen, wenn Pierre erneut in seinen Provokations-Modus wechselt. Auch die Verwendung von Kraftausdrücken und Beleidigungen sind Teil des Trainings, was das Ganze besonders unterhaltsam macht. Der Film wirkt sehr realistisch, was für eine hohe Identifikation mit den Figuren sorgt. Während der Privatstunden von Pierre und Neïla fühlt man sich wie ein passiver Mitschüler und nimmt dabei selbst einige Tipps und Tricks in Sachen Rhetorik auf.
In Neïlas Einzelunterricht werden Leute wie Cicer und Aristoteles erwähnt. Am meisten beeindrucken jedoch die 38 Kunstgriffe der Rhetorik aus Arthur Schopenhauers „Die Kunst, Recht zu behalten“. Diese lässt Pierre sie u.a. in der U-Bahn vor fremden Leuten üben, was sich anfangs als recht schwierig erweist. Trotz der Sticheleien und anmaßenden Bemerkungen Pierres, findet Neïla immer mehr Gefallen am Unterricht und nimmt das Beste für sich heraus. Während man sich dank der Dialoge köstlich amüsiert, lernt man gemeinsam mit Neïla was es heißt, die Sprache richtig zu verwenden, welche Schönheit sich hinter den Wörtern verbirgt und dass man alles sagen und behaupten kann, ohne es zu meinen – solange man nur überzeugend ist.
Liebesgeschichte ohne (viel) Drama
Ein wichtiger Aspekt aus Neïlas Leben sind ihre Freunde, die sie unterstützen und hin und wieder für einen gemütlichen Werwolf-Abend sorgen. Mounir ist einer davon, den sie seit ihrer Kindheit kennt. Was sich liebt, das neckt sich. Doch traut sich keiner den ersten Schritt zu wagen. Doch auch da hilft Neïla der Unterricht mit Pierre. Sie wendet die Schopenhauers Kunstgriffe gekonnt an, um Mounir das sagen zu lassen, was sie hören möchte. Es gibt auch noch einen weiteren Studienkollegen, von dem man anfangs meinen könnte, dass er Interesse an Neïla zeigt. Er nähert sich ihr jedoch aus einem anderen Grund. So entsteht kein künstliches Liebes-Drama, was positiv zum Fluss der Story beiträgt.
Die brillante Mademoiselle Neïla ist ein Film, der nicht nur unterhält, sondern auch selbst zum Nachdenken und Mitdenken anregt. Man ertappt sich dabei, jeden Ratschlag selbst aufmerksam zu verinnerlichen. Es wird einem die Schönheit der Sprache und die faszinierede Thematik der Rhetorik näher gebracht. Inhaltlich kriegt man den Kern der Story, der ja nicht gerade durch Unberechenbarkeit überzeugt, schon im Trailer mit. Die ganzen Dialoge und feinen Nuancen in den 95 Spielminuten machen den Film aber erst einzigartig.
Neben Fokussierung auf Sprache wird Rassismus thematisiert. Auch hier gibt es kleine aber feine Elemente, die sich subtil durch den Film ziehen und einem zu Denken geben. So ist Neïla zum Beispiel wegen ihrer anderen Herkunft die Einzige, die zu Beginn ihren Studentenausweis am Eingang der Universität vorweisen muss. Wer eine 0815-Komödie zum Abschalten sucht, ist hier definitiv falsch. Dieser Film ist auf vielen Ebenen eine echte Bereicherung. Wenn euch der Trailer zusagt, lohnt sich der Kinobesuch auf jeden Fall.
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Fotos: © Constantin Film 2018
Die Web-, Manga- und Social Media Expertin zeigt ihre Expertise in Filmreviews, berichtet aber auch von anderen Freizeit-Erlebnissen.