Der Hollywoodstar, Ladys Man und Charakterdarsteller ist 50. Wir haben uns angeschaut, was seine Filmographie so zu bieten hat.
von Susanne Gottlieb, 11. 11. 2024
Aus dem Kino der letzten 30 Jahre ist er nicht wegzudenken: Leonardo DiCaprio mag zwar mit Titanic ein Weltstar geworden sein, doch schon als Kinderdarsteller drehte er einige bemerkenswerte Filme. In den Jahren nach dem James-Cameron-Hit stieg er zum Weltstar auf, gewann einen Oscar (dem jahrelange Gags voraus gegangen waren, dass die Academy ihn nicht mag) und er machte vor allem mit Frauengeschichten von sich reden. Model und unter 25 – so ging der Witz langsam in die Popkultur über.
Aber auch als Klimaschützer der ersten Stunde machte DiCaprio von sich reden. Als An Inconvenient Truth 2006 ins Kino kam, waren Filme über den Klimawandel noch eine exotische Ausnahme. Er half, sie salonfähig zu machen.
Aber vor allem zeichnet Leo sich als herausragender, talentierter Darsteller aus. Jemand, der vielleicht irgendwann etwas zu snobbish wurde, und nun fast keinen Film mehr unter dem Prestige eines Martin Scorsese dreht (aktuell dreht er mit Hollywood-Royalty Paul Thomas Anderson). “Keine Superheldenfilme, keine Drogen”, soll er dem jungen Timothée Chalamet gesagt haben. DiCaprio profitierte wie auch andere Jungdarsteller Anfang der 90er von einer Lücke, die der Drogentod von River Phoenix hinterlassen hatte.
Aber gerade weil die ältere Generation, die noch für Jack Dawson schwärmte, und auch die jüngere durch ihn stets daran erinnert wird, was noch qualitatives Autorenkino sein kann, hier zum Ehrentag eine Auflistung zehn seiner (für uns) besten Filme und Rollen. Happy Birthday!
Wer hat damals nicht mit Jack und Rose gelitten? War am Boden zerstört, als Jack in den eisigen Fluten ertrank? Titanic war 1997 der erfolgreichste Film aller Zeiten und machte Leonardo DiCaprio und Kate Winslet zu Weltstars. Abseits der vielen Legenden und Dramen, die sich um den Dreh rankten, war das Casting von DiCaprio schon ein frühes Anzeichen, dass er sich filmisch auf die “Oscar-Schwergewichter”-Schiene einpendeln würde. James Cameron sprach davon, dass DiCaprio keine Hauptrolle spielen wollte. Es war als riesiger Studiofilm auch fern den Indies, die er bisher gedreht hatte. Hätte DiCaprio die Rolle nicht angenommen? Er wäre sicher früher oder später ein Star geworden.Und Jack Dawson ist auf ewig mit seinem blonden bubihaften Anlitz verbunden.
Remakes sind Mist. Eine Erkenntnis, die sich viele Hollywood-Adaptionen ausländischer Stoffe an die Fahne heften können. In diesem Fall war es aber Martin Scorsese, der sich des Hong-Kong-Films Internal Affairs annahm und ihn nach Boston verlegte. DiCaprio und Matt Damon sind Polizist und Gangster, die jeweils undercover im Metier des Anderen ermitteln. Durch und durch ein Ensemblecast (u.a. auch Jack Nicholson, Alec Baldwin oder Mark Wahlberg), war The Departed aber vor allem Scorseses große Stunde. Nach all den Jahren gab es dafür nicht nur der Oscar für den besten Film, sondern auch für die Regie. “Könnt ihr das Kuvert nochmals checken,” witzelte er bei der Verleihung. Und das Jahre vor dem Moonlight-La La Land-Debakel.
Ein weiteres Schwergewicht des modernen Kinos, das hier einen seiner wohl massentauglichsten Filme drehte (abseits der Batman-Trilogie): Chris Nolan schickte in einer seiner besten Arbeiten DiCaprio und sein Team auf eine Reise ins Unterbewusste, wo sie einen Millionär (Cillian Murphy) überzeugen müssen, dass er seine Firma auflöst. Hans Zimmers Soundtrack mit seinen Brummern hängt wohl noch über zehn Jahre später nach. Der Film war das Karrieresprungbrett für Tom Hardy, und DiCaprio bleibt wohl vor allem in Erinnerung, wie er mit Marion Cotillard Sandburgen in der Traumwelt baut. Ein Film, den man immer wieder schauen kann.
Wenn man sagt, unter Scorsese macht es DiCaprio nicht mehr, dann ist das ein weiteres Beispiel dafür. In dieser Black Comedy spielt DiCaprio den Börsenmakler Jordan Belfort, der links und rechts alle betrügt, aber dessen Taten ihn früher oder später einholen. Basierend auf einer wahren Geschichte, feiern Scorsese und DiCaprio hier einen Exzess, den feuchten Traum des schnellen Reichtums. Wofür der Film sonst noch in Erinnerung bleibt: Margot Robbie als Jordans Ehefrau, zugeklebt mit lauter Geldscheinen. Für die Australierin war dieser Film der große Durchbruch.
Eine weitere Scorsese-Kollaboration in der DiCaprio einen Ermittler spielt, der auf einer abgelegenen psychiatrischen Anstalt auf einer düsteren Insel ein Verschwinden ermitteln soll. Basierend auf dem Roman von Dennis Lehane entwickelt sich dieser atmosphärische Thriller ganz anders als erwartet, das Herz bricht mit DiCaprio und Michelle Williams, als die Wahrheit ans Licht kommt. Scorsese beweist abermals, dass er sich in den meisten Genres durchaus wohl fühlt, auch wenn die Kritiker das Werk nicht ganz so wie seine Gangster-Filme liebten.
Die Genese der jahrelangen Martin Scorsese-Leonardo DiCaprio-Kollaboration. Damals noch der Junior zu der Schauspiellegende Daniel Day-Lewis, überzeugte DiCaprio als irisch-amerikanischer Hitzkopf Amsterdam Mallon, der sich an dem Mörder seines Vaters (Day-Lewis) rächen will, und dabei auch in eine schöne Diebin (Cameron Diaz) verliebt. Im Kern eine brutale Anti-Romantisierung-Gründergeschichte New Yorks und Amerikas, spürt man doch die Liebe, die Scorsese mit seiner Heimat verbindet. Und die Legenden, wie Method Actor Day-Lewis zu jedem am Set garstig war, halten sich bis heute.
Eine der frühen Film DiCaprios, die aber schon das Talent des Jungstars bewiesen. Keine 20 Jahre alt, spielte er hier Johnny Depps jüngeren, geistig eingeschränkten Bruder Arnie, um den ersterer sich kümmern muss. Dieser Bruderkonflikt, aber auch die Liebe steht im Zentrum von Lasse Hallströms Film. DiCaprios Darstellung wurde durch die Bank gelobt und brachte ihm eine Oscar-Nominierung ein, was ihn zum siebtjüngsten Nominierten aller Zeiten macht.
Shakespeare kann auch sexy sein. Baz Lurmann weiß schon wie. Vor allem, wenn die Montagues und Capulets in Beachwear den Strand entlang wandern und Romeo und Julia wie DiCaprio und Claire Danes aussehen. Sich sprachlich 1:1 an die Vorlage haltend, schaut der Film wie eine wilde, bunte Orgie an einer US-Küste aus. Kein Wunder, dass der Film in den 90ern ein großer Hit war, und schon vor Titanic die ersten Herzen für “Leo” schlugen. Auch keine unbekannte Anekdote: DiCaprio und Danes kamen während dem Dreh nicht sonderlich gut aus. Aber das kreiert ja oft die beste Chemie.
2015 war DiCaprio schon so oft bei den Oscars leer ausgegangen, dass sich neben seinen Liebesleben ein weiterer Running Gag um diese Tatsache entspann. In just jenem Jahr entwickelte ein besonderer Spaßvogel auch ein Online-Videospiel, in dem er gegen seine Konkurrenz einen Oscar über den roten Teppich jagen musste. Nun kann man natürlich schnippisch sagen, DiCaprio war bereit sich mit einem Bären zu prügeln, nur um die Statue zu gewinnen. Es ist bestimmt auch nicht seine stärkste Rolle, die er je gespielt hat. Aber vermutlich dachte die Academy, es ist einfach Zeit. Und die Rolle des Hugh Glass, der in der Wildnis die Elemente und seine menschlichen Widersacher überleben muss, war sicher auch kein Zuckerschlecken.
Von den eisigen Wassern des Atlantik ab in die Tropen. The Beach von Danny Boyle war die Romanadaption und Geschichte eines amerikanischen Backpackers, der mit einem französischen Paar auf einer thailändischen Insel landet, wo ein Kult unter der mysteriösen Sal (Tilda Swinton) ihnen bald das Leben schwer macht. Von den Kritiker verpönt, hat sich der Film dennoch so etwas wie einen Kultstatus aufgebaut. DiCaprio, noch immer der große Post-Titanic-Mädchenschwarm. Tilda Swinton, bereits gut im Geschäft, aber vor ihrem Superstar-Dasein. Die Maya Bay in Ko Phi Phi Le, damals noch ein Geheimtipp, heute leider als der Strand aus The Beach gnadenlos überannt. Und die Anekdote, dass Danny Boyle und sein Trainspotting-Darsteller Ewan McGregor jahrelang nicht miteinander redeten, weil dieser angenommen hatte, dass dies seine Rolle hätte sein sollen.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.