Ein bisschen Kindheitnostalgie, ein bisschen Ehrfurcht vor der anhaltenen Brillanz des Studios: Das sind die Top 10 Pixar-Filme der Helden-der-Freizeit-Redaktion – in ihrer geballten Power alle auf Disney+ zu finden.
von Susanne Gottlieb
1995 war in Sachen Animation ein bahnbrechendes Jahr. Toy Story, der erste komplett computeranimierte Film, kam ins Kino. Seither hat sich viel getan. 3D-Filme haben handgezeichnete Streifen fast vollständig abgelöst. Doch eines hat sich nicht verändert. Pixar, das von Steve Jobs und John Lasseter, einem ehemaligen Disney-Trickfilmzeichner, gegründet wurde, steht noch immer wie ein Monolith im kreativen Zentrum dieser Entwicklung.
Zwar mag nicht mehr jeder Pixar-Film so bahnbrechend wie in frühen Jahren sein. Zudem hat das Studio (wohl ab der kompletten Übernahme von Disney in den 2000ern) auch eines seiner Prinzipien über Board geworfen, sich weniger auf Sequels zu konzentrieren. Aber es lässt sich nicht weg argumentieren, dass das Studio mit der zerstörerischen kleinen Lampe als Logo noch immer der wichtigste Player am Markt ist. Und wenn etwas bei Disney Bestand hat, dann dass seine Animationsfilme noch immer deren wichtigster Betriebszweig in punkto Kinomagie sind.
Das zeigt sich einmal mehr auf Disney+, wo wir die Pixar-Filme in geballter Ladung zum Streamen bekommen. Grund genug für unsere Redaktion, die Köpfe zusammen zu stecken und euch unsere 10 Favoriten in diesem Ranking zu präsentieren.
Cars war der letzte Film den Pixar unabhängig in Zusammenarbeit mit Disney produzierte, bevor das Studio komplett übernommen wurde. Die Welt von Cars wird von anthropomorphischen Autos bevölkert, die wie Menschen aber gemäß ihrer Bauart Jobs und Funktionalitäten nachgehen. In dieser Welt möchte das Rennauto Lightning McQueen (im Original von Owen Wilson gesprochen) als Rookie ein wichtiges Rennen gewinnen, geht aber auf der Reise nach Los Angeles in den Wüsten-Ebenen des mittleren Westens verloren. Der Film konnte zwar keinen Oscar verbuchen, lief aber durchaus erfolgreich in den Kinos.
Oben war einer jener Filme, bei denen Pixar entdeckte, dass es unterhalten und gleichzeitig auf die Tränendüse drücken kann. Zudem eröffnete er 2009 die Filmfestspiele von Cannes, eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt. Er erzählt die Geschichte von Carl Fredricksen, einem Pensionisten, der seit dem Tod seiner Frau verbittert ist. Als er mit hunderten an seinem Haus befestigten Ballons wegfliegen will, lernt er den jungen Pfadfinder Ellie kennen und nimmt ihn ungewollt auf seine Reise mit. Wie zu erwarten, weicht dieser sein Herz auf und Ellie bekommt einen Ersatzopa. Der Film gewann zwei Oscars und war unter anderem für “Bester Film” nominiert, der erst zweite Animationsfilm seit Die Schöne und das Biest (1991), dem diese Ehre zuteil wurde. Taschentücher bereithalten!
Einer der frühen Pixar Filme und wohl in erster Linie als das Konkurrenzprodukt von Antz des damals noch verfeindeten Dreamworks Studios (bei Bedarf mal den Werdegang von Jeffrey Katzenberg nachlesen). Das große Krabbeln musste sich dem Druck stellen nach dem Überraschungshit Toy Story der zweite Film des Studios zu werden. Bei weitem nicht so gut, selbstredend, aber trotzdem ganz unterhaltsam. Hier muss sich eine Ameisenkolonie gegen die feindliche Übernahme ihrer Gebiete durch Grashüpfer erwehren. Für TV Comedy Fans der 90er – einfach mal in das englische Original reinhören. Hier tummelt sich die damalige Starriege – Dave Foley (NewsRadio), Julia Louis-Dreyfus (Seinfeld), Richard Kind (Chaos City), David Hyde Pierce (Frasier) und Brad Garrett (von Everybody Loves Raymond).
Einer der erinnerungswürdigsten Momente hinter den Kulissen dieses Films ist, dass er Billy Crystal in einer der Hauptrollen castete. Jenem Billy Crystal, der eine Rolle in Toy Story abgelehnt hatte, weil er nicht an das Potenzial des Films geglaubt hatte. Hier konnte er das wieder wett machen. Die Monster AG nimmt sich der alten Kinderangst “Monster unter dem Bett” an und sagt ja, die gibt es. Diese Monster sind sogar sehr wichtig, denn durch die Schreie der Kinder wird ihre Welt mit Energie versorgt. Doch dann fällt den Monstern Mike und Sulley ein kleines Mädchen in die Hände, die ihnen ins Monsterland gefolgt ist. Nun müssen sie die Kleine schnell wieder loswerden. Das Resultat war übrigens so erfolgreich, dass es der dritterfolgreichste Film des Jahres 2001 wurde.
Pixar hat die Gabe seinen Zuschauer immer wieder aufs neue zu überraschen. So war einer der Hauptschlagzeilen als Wall-E herauskam, dass es der Film schafft mit praktisch null Dialog, seine ganze Laufzeit zu unterhalten. Wall-E erzählt die Geschichte eines Müllsammelroboters, der allein auf der unbewohnbaren verlassenen Erde lebt und dort den Müll einsammelt. Er wird von einer Sonde des Raumschiffs Axiom heimgesucht, die überprüfen soll ob die Erde wieder bewohnbar ist. Diese Sonde enthält den Roboter EVE, in den Wall-E sich verliebt und dem er quer durch die Galaxis zurück auf das Raumschiff folgt. Wall-E gilt bei Fans und Kritikern als einer der besten Filme 2008. Ein weiterer Taschentuch-Kandidat.
Es gibt ein oft hinter der Hand ausgesprochenes Übereinkommen, dass Pixar den einzigen “echten” Fantastic Four Film geschaffen hat. Etwas, woran Fox vor der Disney-Übernahme jahrelang gescheitert ist. Nicht, dass Pixar diese Charaktere wirklich verwendet hätte. Aber Die Unglaublichen nimmt die altbekannten Elemente Superhelden, eine Familie (wenn auch hier im biologischen Sinn) und schafft genau jene emotionalen Anknüpfungspunkte, die man sich für das Marvel Franchise gewünscht hätte. Die Familie Parr, bestehend aus zwei Superhelden Eltern und ihren nicht minder begabten Kindern, müssen sich Mr. Parrs, auch bekannt als Mr. Incredible, ehemaligen Superfan stellen. Denn der hat sich wegen verschmähter Gefühlen in einen Superbösewicht verwandel Entwickelt wurde der Erfolgsfilm übrigens von Brad Bird. Der Regisseur war von seinem Box Office Flop Der Gigant aus dem All (1999) gezeichnet – ein Film, der heute übrigens Kultstatus hat und als moderner Animationsklassiker gilt.
Wenn Kinder heutzutage Clownfische und Paletten-Doktorfische im Aquarium entdecken (im öffentlichen hoffentlich, nicht im privaten daheim), dann wird da schon mal gern gerufen “Schau, da ist Nemo”. Findet Nemo war einer der großen Pixarfilme der frühen 2000er .Die bestverkaufte DVD aller Zeiten und der ertragreichste G-rated (General Audiences, also keine Altersbeschränkung) Film aller Zeiten bis Toy Story 3 diesen Rekord brach. Ebenfalls ein Trändendrüsen-Drücker, macht sich Clownfish Marlin auf die Suche nach seinem von Fischern gefangenen Sohn Nemo, der im Aquarium einer australischen Zahnarztpraxis landet. Mit von der Partie: die vergessliche Dorie, im Original gesprochen von Ellen DeGeneres.
Ellen hat übrigens eine besonders starke Bindung zum Film. Die Comedian hatte sich erst kurz davor als lesbisch geoutet. Auch ihrer Sitcom Figur in The Ellen Show (2001-2002) wurde daraufhin ein Coming Out verpasst. Vor 20 Jahren war das aber noch ein Karrierekiller, die Sitcom wurde abgesetzt und DeGeneres’ Karriere schien vorbei. Die Rolle der Dorie holte sie aber aus der Versenkung zurück. Heute moderiert Ellen eine erfolgreiche Talkshow in L.A. Die einzige Kontroverse in ihrem Leben ist nun, dass manche ihr vorwerfen arrogant und republikanerfreundlich geworden zu sein.
Alles steht Kopf folgt der Pixarlogik, alles auf die mikrokosmische Ebene herunterzubrechen. Angefangen von “Was wenn Spielzeuge Gefühle hätten” zu “Was wenn Monster Gefühle haben” zu “Was wenn Roboter Gefühle haben” bis zu diesem Werk, “Was wenn Gefühle Gefühle haben”.
Hauptgefühle im Kopf eines kleinen Mädchens sind Freude, Kummer, Angst, Wut und Ekel. Gemanaged wird dieses Team von Freude, die, um die kleine Riley zu schützen, nie Kummer das Ruder übernehmen lassen will. Als Kummer eine kritische Emotion dann doch als traurig färbt, gehen im darauffolgenden Chaos Freude und Kummer verloren und müssen sich ihren Weg zurück in die Zentrale bannen. Der Film wurde vor allem für seine Darstellung von psychologischen Emotionen gelobt. Wie gelungen der Nachfolger Alles steht Kopf 2 geworden ist – kannst du hier in unserer Kritik nachlesen.
Normalerweise sieht man ja sehr ungern Nagetiere in hygienischen Bereichen wie einer Küche. Aber im Fall von Ratatouille ist die Ratte der eigentliche Star. Die Ratte Remi, die nicht nur von Dreck und Abfällen leben will und insgeheim ein kleiner Gourmet ist, verschafft sich als Koch Zutritt zu der Küche eines Nobelrestaurants. Dort greift er dem unbeholfenen Alfredo Linguini, Sproß renommierter Köche, unter die Arme. Nicht nur muss das ungleiche Paar den Alltag navigieren, es muss sich auch dem intriganten Chef Skinner stellen, der hinter Alfredos Geheimnis kommen will.
Ratatouille unterhält nicht nur, er ist auch ein Fest für die Augen. Die Macher haben viel Detailarbeit in die Darstellung des Essens gesteckt, wofür sie Gastronomen aus den USA und Paris befragten. So auch das Stargericht des Films, der auch als Namensgeber dient: das Ratatouille, ein französisches Gemüse-Schmorrgericht. Ratatouille wurde auf die Liste der 100 besten Filme des 21. Jahrhunderts in einer Kritikerumfrage der BBC gesetzt.
Der erste Platz ist der einzige Fall in unserem Ranking, in dem ein Sequel sein Original überholt. Erstaunlicherweise handelt es sich hier sogar um den dritten Teil einer Saga – die sich für uns auch als Gesamtes diesen Spitzenplatz verdient hätte. Irgendwie schließt sich mit Toy Story 3 auch der Kreis zum Beginn von Pixar. Nach dem Welterfolg des ersten Teils und einem unterhaltsamen Sequel im Jahr 1999 war schon ein gewisses Augenrollen inbegriffen, als man Toy Story erneut aus der Mottenkiste kramte. Aber 2010 war noch vor der aggressiven Sequeloffensive, die Hollywood und vor allem auch Disney von Release zu Release hetzen lässt und die Toy Story Macher haben sich immer viel Raum gegeben, um ihre Geschichten zu entwickeln.
So ist Toy Story 3 auch die natürliche Entwicklung einer Story, die 1995 ihren Anfang genommen hat. Der kleine Andy aus den anderen Teilen ist nun erwachsen und muss sich darum kümmern, dass seine Spielzeuge ein liebevolles neues Zuhause finden. Erwachsenwerden – auch ein wesentlicher Teil der Pixarfilme und der kosmischen Bedingungen eines Kinderfilms. Toy Story 3 ist somit der dritte Animationsfilm, der eine Nominierung als “Bester Film” bei den Oscars erhielt, gewann aber für “Bester Animationsfilm” und “Bester Song”. Der Film spielte über eine Milliarde Dollar ein und wurde der erfolgreichste Film des Jahrs 2010. Ein würdiger Abschluss unseres Rankings.
Von den neuesten Pixar Filmen hat es noch keiner in unsere Top-10 geschafft, hier scheint etwas die Luft draußen zu sein. Sehenswert sind sie dennoch. Erfahr mehr in unseren Reviews und Kritiken:
Alles steht Kopf 2 – Kritik
Elemental – Feuer und Wasser in Love
Soul – so ist der Pixar-Film über Depressionen
Review zum Toy Story Spin-Off Lightyear
10 Disney Songs, bei denen du sofort mitsingst
Aufmacherfoto: (c) Walt Disney / Helden der Freizeit
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.