Man muss das Rad nicht immer neu erfinden. Mit Destroyer beweist Hollywood, dass auch altbekannte Handlungsmuster noch unterhalten können, wenn man sie richtig umsetzt. Lest in unserer Kritik, warum das den Machern hier gelungen ist.
von Susanne Gottlieb, 22. 3. 2019
In Destroyer schickt US-Regisseurin Karyn Kusama Nicole Kidman als gebrochenen Cop auf einen Rachefeldzug gegen eine Gruppe Bankräuber, gekoppelt an eine schmerzliche Reise in die eigene Vergangenheit. Der Film kommt ohne allzu große inhaltliche Überraschungen daher, ist aber solide gemacht und versteht es, Altbekanntes ausreichend aufzumischen. Man weiß zwar genau, was als nächstes passiert. Es belibt aber trotzdem von Anfang bis zum Ende spannend.
Heute hat der Film seinen Kinostart. In unserer Filmkritik lest ihr auf heldenderfreizeit.com, warum sich der Weg ins Kino durchaus lohnt. Übrigens: Dieses Wochenende startet auch der fantastische neue Horrorfilm von Jordan Peele WIR – lest hier unser Review.
LAPD-Detective Erin Bell (Nicole Kidman) schlurft nicht nur im Schritt und wirkt verwahrlost, sie ist es auch emotional. Vor rund 20 Jahren, als sie mit ihrem Partner Chris (Sebastian Stan) Undercover in einer Bankräuberbande eingeschleust war, ging eines Tages alles schief und Menschen starben. Die Täter tauchten unter. Ein Ereignis, für das Bell sich selbst die Schuld gibt. Nun scheint es, als sei Anführer Silas (Toby Kebbell) wieder in LA aufgetaucht. Eine Leiche mit der Bandentätowierung und einem verfärbten Geldschein aus jenem letzten fatalen Bankraub taucht entlang verlassener Gleise auf.
Bell, die von ihren Kollegen aufgrund ihrer Schroffheit und Probleme mit Argwohn betrachtet wird, klingt sich aus der Polizeimaschinerie aus und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Auf ihrer Suche nach Silas arbeitet sie sich langsam von einem ehemaligen Bandenmitglied zum nächsten vor, während sie gleichzeitig versucht, ihre rebellische Tochter davor zu bewahren, auf die schiefe Bahn zu geraten. Aber da ist noch etwas, was sie quält. Ihr Gedächtnis wird immer wieder von Erinnerungen geflutet. Von einer Zeit, als sie noch jung und abenteuerlusig war. Als die Undercover Mission nicht nur ein Job, sondern eine Chance war, sich selbst etwas zu beweisen und im Leben eine Abkürzung zu nehmen. Nebenwirkungen inklusive. Sich diesen Konsequenzen zu stellen, das wird das Ziel von Erins letzter großer Ermittlung.
Destroyer hätte alle Karten in der Hand gehabt ein Krimi zu werden, der gebeutelt ist von Vorhersehbarkeiten und Standardsituationen. Glücklicherweise entgeht er diesem Schicksal. Regisseurin Kusama versteht es, die Aufmerksamkeit des Zuschauers von der Frage „Was passiert?“ zu „Wie passiert es?“ umzulenken und ihm eine generelle Anerkennung abzuringen, wie unglaublich die Aging und De-Aging Prozesse der Figuren sind. Man könnte glauben, Kusama hätte eine Zeitmaschine angezapft, so überzeugend wandern Kidman, Stan, Kebbell und ihre Co-Stars optisch zwischen zwei Jahrzehnten hin und her.
Destroyers gespenstischer elektronischer Soundtrack erinnert manchmal ein wenig an Trent Reznor. Mit ihm und dem immer wiederkehrenden Fokus der Kamera auf Kidmans Gesicht (in einem Meer aus Hektik um sie herum) entwickelt der Film eine eigene Sprache. Die hebt ihn von der Massenwaren an Crime-Dramas ab. Kusama weigert sich auch, ihm den genretypischen ausgewaschenen Look zu geben. Ihr LA strahlt in den warmen Farben der Sonne, den Grautönen seines Asphaltdschungels und dem bunten Farbtrubel einer unbeschwerten Vergangenheit.
Doch die wahre Geheimwaffe des Films ist Kidman selber. Sie beweist, dass manche im Alter immer besser werden. Gebrochene Figuren sind für sie nichts Neues, gewann sie doch schon den Oscar für The Hours und einen Emmy, Golden Globe und Screen Actor Guild Award für ihre Arbeit in der Serie Little Big Lies. Nun darf sie erneut unter einem Haufen Make-up ihr volles Repertoire entfalten und eine Frau porträtieren, hinter der sich mehr verbirgt als eine bemitleidenswerte Figur, die mit ihrer Existenz hadert. „Ich sehe was du bist,“ erklärt ihr Silas in einem Flashback. Dem Zuschauer wird auch bald klar werden, was damit gemeint ist.
Destroyer ist ein kurzweiliger unterhaltsamer Film, der von seiner kreativen Machart und einer herausragenden Hauptdarstellerin lebt. Die Handlung entpuppt sich zwar als etwas vorhersehbar und entlang bekannter Klischees operierend, der Unterhaltung tut dies aber keinen Abbruch. Es wäre zu wünschen, dass mehr Krimidramen sich so viel Mühe geben würden wie dieser Film. (sg)
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Alle Fotos: © Filmladen
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.