Netflix lädt zur Rückkehr nach Thra. 1982 mussten die Gelflinge Jen und Kira in Der dunkle Kristall ihre Welt vor den bösen Skeksis retten. 37 Jahre nach dem Film von Jim Henson und Frank Oz zeigt uns die zehnteilige Serie Ära des Widerstands, wie sich die Bewohner Thras viele Jahre zuvor erstmals gegen die bösen Lords erhoben. Warum das durchaus sehenswert ist, lest ihr hier.
In einer Zeit vor CGI waren es Künstler wie Jim Henson, die das Fantastische, Außerweltliche für uns verbildlichten. Er oder Frank Oz hauchten mit Geschick aufwändig gestalteten Puppen Leben ein und formten sie mit sensibler Mimik und Gestik zu Charakteren. Oz mag vor allem durch Yoda aus Star Wars bekannt sein, Henson hingegen vor allem durch die Muppets. Doch neben diesem kinderfreundlichen Programm produzierte seine Firma auch düstere Geschichten, wie etwa Labyrinth mit David Bowie und Jennifer Connelly oder eben The Dark Crystal.
Obwohl er ursprünglich als Familienfilm vermarket wurde, war Der dunkle Kristall düsterer als die breite Massenware für die Jüngsten. Die Animatronic und Puppen, die in dem Film genutzt wurden, waren bahnbrechend. Während die Kritiker diesen dunklen Ton kritisierten, wurden vor allem die ästhetischen Mittel und Special Effects gelobt. Der Film erhielt nicht nur Kultstatus, sondern zog auch Comics und ein ganzes Fanlore nach sich. Mit dem 10-teiligen Prequel Age of Resistance (Ära des Widerstands) startet nun ein Herzensprojekt des französischen Regisseurs Louis Leterrier auf Netflix. Leterrier hatte seit 2012 versucht ein Studio für einen weiteren Film zu interessieren. Geworden ist daraus Jahre später eine Serie.
Viele Jahre bevor die Gelfling-Kultur in The Dark Crystal durch die Gier der Skeksis untergegangen ist, lebten auf Thra sieben Stämme ihrer Art. Verbunden waren sie mit ihrem Planeten durch den Kristall, der alles Leben auf ihrem Planeten verkörperte und schenkte. Dessen Hüterin Aughra (Donna Kimball) übertrug die Verantwortung jedoch an die außerirdische Rasse der Skeksis, nachdem sie beschloss sich dem Studium der Sterne zu widmen. In den 1000 Jahren seither haben sich die Skeksis zu den Herrschern über den Kristall und Thra aufgeschwungen. Doch während in den Jahren zuvor die Welt im Gleichgewicht existierte, begannen die Skeksis an den Ressourcen und lebenserhaltenden Fähigkeiten des Kristalls zu zerren. Durch dieses Ungleichgewicht legte sich eine Dunkelheit über das Land.
Zu Beginn der Handlung sind die Skeksis an einem Scheidepunkt angekommen. Der Kristall will ihnen keine Kräfte mehr geben. Doch die Angst vor ihrer eigenen Sterblichkeit lässt sie nach Wegen suchen, um doch seine Kräfte zu nutzen. Dabei entdecken sie, dass sie die Essenz eines Wesens über den Kristall absaugen und so als Jungbrunnen verwenden können. Und kein Wesen wirkt so belebend wie die elfenartige Rasse der Gelflinge. Diese wiederum verehren die Skeksis seit fast 1000 Trin (Jahren) als die Herrscher des Kristalls und sind weit davon entfernt zu erkennen, in welcher Gefahr sie stecken.
Die ersten Hinweise auf eine kommende Bedrohung sieht der junge Rian (Taron Egerton), als er miterleben muss wie seine Freundin Mira als erstes Opfer der Skeksis um ihre Essenz beraubt wird. Er will seinen Clan warnen, wird aber verstoßen und als ihr Mörder gebrandmarkt. Gleichzeitig entdecken die junge Prinzessin Brea (Anya Taylor-Joy) und die naturverbundene Deet (Nathalie Emmanuel) erste Anzeichen der kommenden Dunkelheit und Warnungen von vergangenen Kulturen. Doch in einer Welt, die den Herrschern des Kristalls huldigt, ist es schwer Gehör zu finden, während die Skeksis sich darauf vorbereiten, den Gelflingen ihre Lebenskraft auszusaugen.
Flashback. In Zeiten von Computeranimation ist eine Serie wie Age of Resistance ein seltenes Fundstück, das den Zuseher unweigerlich in eine andere Zeit katapultiert. Der fast schon anachronistisch anmutende Genuss einer Welt, in der Puppen und nicht Motion-Capture-Figuren tragende Rollen spielen, sticht aus Prinzip schon aus der Masse heraus.
Die Henson Company hatte vorab bereits angekündigt, sich rein auf ihre Puppenspielerkünste zu verlassen. CGI wurde nur verwendet, um die Puppenspieler im Hintergrund per Greenscreen verschwinden zu lassen. Ebenso erlaubte es den Machern aufwändigere Sets und Welten auf Thra zu kreieren. Diese bewusste Entscheidung, bei den Wurzeln zu verharren, erweist sich als goldrichtig. Den auch wenn die Serie die Atmosphäre des Originals nicht komplett einfangen kann, so fügt sie sich nahtlos als ein Companion Piece in die Welt von Thra ein.
Obwohl in manchen Settings, wie etwa dem Schloss der Skesis. die CGI Hintergründe sehr offensichtlich werden, haben die Macher ein gutes Mittelmaß zwischen Pixelwelten und Puppenspiel gefunden. Puristen werden vielleicht nicht glücklich sein, aber um im Jahr 2019 den Menschen Puppenspiel noch attraktiv zu machen, kann man nicht mehr rein mit analogen Spiegel- und optischen Effekten arbeiten. Die Welten von Thra schauen berauschend und detailliert durchdacht aus, die Figuren fügen sich fast nahtlos in ihre Umgebung ein. Den kreativen Köpfen der Henson Company gelingt es abermals, den fast menschenhaften Zügen der Gelflinge Emotionen einzupflanzen, die bei den begrenzten Möglichkeiten einer Puppe nicht immer möglich sind.
Mindestens so beeindruckend wie die visuelle Ebene ist der Voice Cast im englischen Original. Angeführt von Egerton, Taylor-Joy und Emmanuel, hört man auch die unverkennbaren Stimmen von Helena Bonham Carter, Lena Headey, Alicia Vikander, Natalie Dormer, Mark Strong, Jason Isaacs, Simon Pegg, Awkwafina, Benedict Wong, Andy Samberg, Keegan-Michael Key oder Sigourney Weaver – nur um einen Teil der Namen zu nennen. Vor allem Pegg macht als neuer säuselnder Skeksis Chamberlain einen hervorragenden Job in einem Fach, für das er vorab nicht unbedingt bekannt war. Mark Hamill, ein alter Synchro-Hase, liefert ebenfalls hervorragende Arbeit.
Das Einzige, woran die Serie wirklich manchmal leidet ist die Beständigkeit, die ein Prequel erfordert. Eine Geschichte und Helden zu formieren ohne dass sie richtig loslegen dürfen. So muss Ära des Widerstands seinen Figuren bewusst Steine in den Weg legen, um zu verhindern, dass Rian, Deet und Brea bereits vorab die Skeksis besiegen können.
Die volle Blüte der noch florierenden Gelfling-Kultur erübrigt auch den bitter-melancholischen Unterton des Originals, das auf verlorenen Kulturen und Welten aufbaut. Im Gegensatz zu anderen Franchises ergibt sich dadurch ein natürlicher Flow im Aufbau. Das mag teils daran liegen, dass hier mit Originalnotizen von Henson und Oz gearbeitet wurde. Andererseits wirkt die Entwicklung der Skeksis und Gelflinge natürlich und nicht zwangsweise herangedichtet. Der Bösewicht und die kommende Prophezeiung werden nicht überanalysiert und interpretiert, und bleiben so unterhaltsam.
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The Dark Crystal: Age of Resistance ist ein guter, altmodischer Ausflug in fantastische Welten. Manche versuchen die 80er fast fetischhaft zu rekreieren, diese Serie schafft es auf sehr natürliche Art mit ihrem Puppenstil. Man kann nur hoffen, dass die Henson Company durch diese Serie und nach dem längst ausgelaufenen Farscape bald wieder ein fantastisches außerweltliches Vehikel finden wird. (sg)
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After Life (Staffel 1)
Better Call Saul (Erste 33 Folgen)
Black Mirror (Staffel 5)
Black Summer (Staffel 1)
BoJack Horseman (Staffel 5)
Dark (Staffel 2)
Der Pate von Bombay (Staffel 1)
Derry Girls (Staffel 1 und 2)
Disenchantment (Staffel 1)
Dogs of Berlin (Staffel 1)
Élite (Staffel 1)
Glow (Staffel 1 und 2)
Happy! (Staffel 1)
Haus des Geldes (Staffel/Teil 3)
Jessica Jones (Staffel 2)
Jessica Jones (Staffel 3)
Maniac (Staffel 1)
Orange is the new Black (Staffel 6)
Orange is the new Black (Staffel 7)
Sex Education (Staffel 1)
Stranger Things (Staffel 1 und 2)
Stranger Things (Staffel 3)
The Innocents (Staffel 1)
The Kominsky Method (Staffel 1)
Turn up Charlie (Staffel 1)
Umbrella Academy (Staffel 1)
Alle Fotos: © Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.