Deathloop ist ein Ego-Shooter zum Nachdenken, zum Reflektieren, zum Durchballern und zum Wiederholen. Man nehme eine Prise Hitman, eine gesunde Portion Dishonored und träufele noch etwas Dead Cells drüber, und fertig ist der Hit? Wir haben den neuesten Titel von Arkane Lyon (den Machern von Dishonored und Prey) auf Herz und Nieren für euch durchleuchtet. In unserem großen Deathloop Test erklären wir euch, wo wir die größten Stärken und Schwächen des PS5- und PC-Spiels ausfindig machen konnten.
von Christoph Geretschlaeger
17. September 2021: Ein einsamer Strand, das sanfte Rauschen der Wellen und ein brummender Schädel. So wacht unser Protagonist Colt in Blackreef auf. Erinnern kann er sich an nichts. Es liegt an uns herauszufinden, wieso er hier gestrandet ist, warum er eine mysteriöse Stimme aus dem Radio hört und warum überall Schriftzüge aufleuchten. Am Anfang wird uns eine putzige Maschinenpistole in die Hand gedrückt, mit der wir den einfältigen Bewohnern der Insel auf die Pelle rücken. Antworten müssen her.
Blackreef ist eine Insel, aufgeteilt in vier Gebiete. Und jeder Tag, den Colt durchlebt, hat vier Tageszeiten. Sterben wir, wird die Loop (Schleife) zurückgesetzt und der Tag beginnt erneut. Wenn wir genauer schauen, entdecken wir auf unseren Streifzügen weggeworfene Zetterl, Notizblöcke oder auch E-Mails. Diese Informationen geben Aufschluss über den Aufenthalt von Visionären. Relativ schnell kombinieren wir, dass diese Visionäre die Zeitschleife aufrechterhalten. Nur wenn wir alle an einem Tag töten, entkommen wir.
Was uns alles Positives und Negatives am Spiel aufgefallen ist, liest du in unserem großen Deathloop Test:
Praktisch, dass töten Colt im Blut liegt. Bewaffnet mit immer kreativeren Kugelbeschleunigern (von getöteten Gegnern dankenswerterweise zur Verfügung gestellt) machen wir Jagd auf die Visionäre. Diese Bosse sind immer zu bestimmten Tageszeiten an bestimmten Orten. Mit genug Intel wissen wir in welchem Gebiet sich einer versteckt und wie wir gut an ihn herankommen. Angelehnt an Hitman oder Dishonored erkunden wir unsere Umgebung gründlich, können Gegner markieren und uns einen Schlachtplan überlegen. Oder wir laufen rein und ballern alles um. Ist der „Plan“ erfolgreich exekutiert, finden wir in der Leiche des Visionärs im Normalfall eine besondere Fähigkeit. Mit denen kann Colt sich teleportieren, Gegner durch die Gegend werfen, sich unsichtbar machen oder mehr aushalten.
Moment, ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Nachdem wir den Visionär um die Ecke gebracht haben, müssen wir mit unseren Schätzen das Gebiet verlassen. Erinnerst du dich noch an die mysteriöse Stimme aus dem Radio? Das ist Julianna – und Julianna mag es, Colt umzubringen. Sie kann in jedem Bezirk mit einem Visionär ihr Unwesen treiben und sogar von einem menschlichen Spieler kontrolliert werden. Ist die KI noch halbwegs gnädig, zeigen Menschen kein Erbarmen bei der Jagd auf Colt/auf uns. Julianna stellt immer einen Störsender auf. Ist der aktiv, können wir nicht flüchten bzw. das Gebiet verlassen. Sie kann sich als ein normaler Gegner tarnen und hat Zugriff zu allen Fähigkeiten, die wir freischalten können (ja, auch die Unsichtbarkeit).
Hat uns Julianna erwischt, ist der Tag vorbei und wir beginnen am Morgen des „gleichen“ Tages. Überleben wir den Hinterhalt, können wir die Tageszeit beenden und unser hart verdientes Residuum (droppen die Bosse oder finden wir in Gegenständen in der Welt) ausgeben. Mit Residuum schalten wir Fähigkeiten, Waffen und Upgrades frei, die uns dann auch bei der nächsten Loop zur Verfügung stehen.
Mit jedem Loop lernen wir dazu. Colt findet neue Waffen, bessere Upgrades und am Wichtigsten: mehr Informationen über die Visionäre und ihre Tagesabläufe. Selten ist ein Run umsonst.
Dishonored ist für seine weit verzweigten Gebiete bekannt, Deathloop setzt genau dort an. Alleine das Erkunden der weitläufigen Bezirke macht richtig Spaß, in jedem Winkel könnte etwas versteckt sein. Ob man durch ein offenes Fenster in eine Wohnung einsteigt oder sich über Eisschollen zu einem verlassenen Bunker manövriert. Leider ist die Welt nicht wirklich lebendig, die normalen Gegner stehen meistens gelangweilt in der Gegend herum oder gehen stumpf ihre Routen ab. Hinzu kommt die recht dumme KI, die ganz überrascht ist, wenn man neben ihr jemanden umhackt. Einzig die Bosse haben etwas interessantere Routinen und stellen hin und wieder eine Herausforderung dar.
Schießen in Deathloop ist passabel. Die Waffen feuern meistens in die richtige Richtung und finden oft ihr Ziel. Zu präzise ist mit Ausnahme des Scharfschützengewehrs keine Waffe. Mit den richtigen Upgrades lässt sich aber zuverlässig der Kopf durchlöchern – oder gerne und durchaus blutig, auch jeder andere Körperteil. Hinzu kommen die, teilweise übermächtigen, Fähigkeiten. Shift, die Teleportation, ist fast zu stark und man fühlt sich bald nackt ohne. Andere Fähigkeiten sind praktisch, verändern deinen Spielstil (bis auf die Unsichtbarkeit) aber nur mäßig. Im Zusammenspiel entwickelt sich eine mörderische Kombination.
Upgrades haben einen großen Einfluss auf deinen Spielstil. Es gibt allgemeine Skills, wie einen Double Jump, oder ganz spezifische, die zum Beispiel deine Hack-Reichweite erhöhen. Hacken kann man übrigens Geschütztürme, Kameras und Türen, um leichter durch die Bezirke zu navigieren. Nur ist das Inventar für diese Upgrades eine völlige Katastrophe. Eigentlich sollte man angezeigt bekommen, was man schon alles permanent mit Residuum freigeschalten hat und was man gerade neu aufgehoben hat. Nur will einem das Spiel partout nicht sagen, ob man ein Upgrade schon hat. So ist man oft gezwungen, wild durch 50 Einträge zu suchen.
Die Geschichte von Deathloop ist faszinierend. Visionäre, Zeitschleifen und mittendrin Colt, der aus allem ausbrechen möchte. Warum sind wir auf dieser Insel? Wer ist Julianna? Und warum können wir uns an nichts erinnern? Hundertprozentig gut umgesetzt ist der Zeitschleifen-Gimmick nicht. Im Endeffekt erzählt das Game eine lineare Story, die es entdecken und abzuarbeiten gilt.
Mit jedem Detail vervollständigt sich das Bild. Irgendwann hat man alles über die Visionäre herausgefunden und kann den perfekten Tag vorbereiten. Freiheiten gibt einem das Spiel dafür keine. Nur mit den richtigen Informationen können die Bosse zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Bezirk gebracht werden. Schade, denn so erkundet man nicht frei die Welt, sondern rennt Missionsmarkern hinterher. Viel spielt da auch die Erwartung mit. Rechnet man mit einem Hitman, wird man enttäuscht sein. Dafür kann man nicht methodisch genug vorgehen und hat vor allem keine Hitman-Vision (zeigt Gegner im Umkreis an).
In unserem Test war der Multiplayer-Aspekt mit Julianna ziemlich verhunzt. Bei der ersten Begegnung war ein menschlicher Widersacher noch so nett, mir eine tolle Waffe und einige Upgrades zu „schenken“. Danach gab es immer wieder Verbindungsprobleme, Lags, herumglitschende Kontrahenten oder welche, die sich zehn Minuten versteckt haben. Begegnet man einer erprobten Julianna, liegt man auch schnell im Dreck und der Tag ist aus. Alle Vorbereitungen zunichte gemacht und alle Pläne auf den nächsten Tag verschoben. Will man seine Nerven schonen, stellt man auf Singleplayer und wird nur von der schwachen KI heimgesucht.
Natürlich wollten wir auch ausprobieren, wie es ist als Julianna zu spielen. Blöd nur, dass wir an den ersten beiden Tagen kaum Spiele gefunden haben. In gut drei Stunden konnten wir nur rund fünf Spielen beitreten. Diese Spiele haben dafür den Blutdruck ordentlich in die Höhe getrieben. Meist auf den Dächern haben sich heiße Duelle entbrannt, mit dem guten Ende fast immer für Colt (ich schieb es mal auf hohe Latenz).
Deathloop ist ein grundsolider Shooter, dessen Mechaniken Spaß machen. Der Anfang zieht sich, bis die ersten besseren Waffen oder Upgrades eintrudeln. Danach ist man eine Zeit lang in einem Sweetspot, man schafft es regelmäßig Visionäre umzubringen und findet immer mehr, immer bessere Ausrüstung, die man sich auch leisten kann. Gegen Ende wird es wieder zäh, wenn man nur den vorgegebenen Spuren hinterher hechelt, um Bosse richtig zu platzieren. Nie wird einem verwehrt seinen eigenen Spaß zu suchen. Doch einfach die stinknormalen Gegner auf immer kreativere Wege umzubringen, wird irgendwann auch langweilig. Besonders hervorheben möchte ich den regen Austausch zwischen Colt und Julianna übers Radio. Die Stimmen haben wahnsinnig viel Charakter. Die Dialoge sind witzig geschrieben und wiederholen sich auch nach über 20 Stunden nicht.
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Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.