Deadly Premonition 2 tritt in die Fußstapfen seines Vorgängers, leider in jeder Hinsicht. Die Entwickler peinigen ihre spannende Mystery-Handlung und die tollen Figuren wieder mit matschigen Texturen und veralteten Gameplay-Mechaniken. Können die inneren Werte wieder über all diese Mängel hinwegtrösten? Unser Test.
von Sophie Neu
12. Juli 2020: Zehn Jahre ist es her, dass wir mit FBI-Agent York den grausamen Morden in Greenvale nachgingen. Schnell wurde das Spiel zum Kulthit für Fans von David Lynch und Stephen King – auch wir waren in unserem Review von der abgedrehten Story fasziniert, nachdem wir das Game aber nach den ersten Spielminuten fast in den Mistkübel befördert hätten. Denn Deadly Premonition bewegte sich damals eher auf dem Stand der PS1 (als PS3- und Xbox 360 Titel wohlgemerkt!) – optisch ein einziger Polygon-Matsch und spielerisch ein Alptraum. Kritiker waren gespalten – das Spiel schaffte es als meist polarisierendes Videospiel sogar ins Guinness Buch der Rekorde.
Umso überraschender war es, als mit Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise eine Fortsetzung angekündigt wurde. Reichte ein Jahrzehnt um diesmal aus einem Rohdiamanten mit groben Polygonecken ein Juwel zu schleifen? Wie uns der Exklusivtitel für Nintendo Switch für 50 Euro gefallen hat, liest du hier im Test.
Auch in Deadly Premonition 2 schlüpfen wir wieder in die Schuhe von FBI-Agent York. Diesmal geht es zurück in die Vergangenheit, noch ehe sich die Ereignisse in Greenvale zugetragen haben. Denn beim Urlaub 2005 im amerikanischen Südstaaten-Örtchen Le Carré wird York in einen Fall hineingezogen, der im Rückblick erstaunliche Parallelen mit dem in Deadly Premonition aufweist. Ohne lange zu warten, mischt sich der Agent in den Fall ein und übernimmt bei den Ermittlungen zum grausamen Mord an der Teenagerin Lise die Leitung. Mit wem er allerdings nicht gerechnet hätte: Die junge Sheriffs-Tochter Patty, die sich schwupps zu seiner Partnerin im Fall ernennt. Schon bald zeigt sich, dass das Verbrechen an Lise nicht das einzige in Le Carré bleiben soll.
Wie auch schon der erste Teil, lebt Deadly Premonition 2 von seiner spannend erzählten Mystery-Story. Dabei entwirft der Titel eine schillernde Gesellschaft in Le Carré. Am Ball halten uns aber vor allem die Charaktere. Allerlei bunte und exzentrische Gestalten bewohnen das kleine Städtchen. Da wäre etwa Hotelbesitzer David, der zeitgleich Koch, Concierge und Pagen spielt – uns aber immer wieder versichert, dass es sich bei seinen Versionen um unterschiedliche Menschen handelt. Oder der mysteriöse Clarkson-Clan, der mit seinem Reichtum und Einfluss ganz Le Carré beeinflusst. In dieser Hinsicht muss man Entwickler Toybox loben. Die markigen Figuren von Deadly Premonition 2 wurden bis ins kleinste Detail perfektioniert. Jeder ist einzigartig und unverkennbar.
Wenn auch sonst die Grafik eher veraltet daherkommt, bei den Menschen von Le Carré wurde sogar Acht auf die Nasenbehaarung gelegt. Generell gibt es verglichen mit Teil 1 ein deutliches visuelles Upgrade – was nicht heißt, dass das Spiel mit anderen aktuellen Titeln mithalten kann. Viel eher ist es jetzt auf einem Level mit späten PS2-Titeln. Das hat in Teilen durchaus seinen Charme. Plötzlich fühlt man sich in Zeiten von GTA: San Andreas zurückversetzt.
Und natürlich bietet Deadly Premonition 2 wieder eine unüberschaubare Menge an Filmreferenzen. Von den subtilen Kamerafahrten während der Cutscenes bis hin zu den vielen Filmempfehlungen und -anekdoten von Cineast York. Für Freunde des Bewegtbilds ist das Mystery-Game ein wahrer Genuss. Auch der Humor bleibt genauso schräg, wie man ihn aus Teil 1 kennt. York ist immer noch im ständigen Gespräch mit seinem unsichtbaren Freund Zach – was niemanden irritiert. Diesmal gesellen sich zusätzlich die lustigen Diskussionen mit Teenagerin und Co-Ermittlerin Patty dazu.
Die Haupthandlung von Deadly Premonition 2 spielt sich im Kleinstädtchen Le Carré ab. Besonders viel Action erwartet uns dort aber abgesehen davon nicht. Es gibt einige Minigames und Sidequests, wie Bowling (die Steuerung ist archaisch) oder Skaten (die Steuerung ist noch archaischer), mit denen wir uns die Zeit vertreiben können. Nachts schwirren faszinierend schräge Gegner herum, die wir mit unserer Waffe erledigen können. Hier funktioniert das Zielen mit der Pistole ganz ok, einige Ruckler sind aber vorprogrammiert.
Aber abseits davon sind die Straßen leer, durch die wir mit unserem ruckeligen Skateboard düsen. So wie im Endeffekt ein Großteil der Map. Man kann durchaus darüber hinwegsehen, dass die Spielwelt optisch eher an PS2-Zeiten erinnert. Und wir entdecken in den Gebäuden von Le Carré sogar einen gewissen nostalgischen Charme, wenn alle Möbel so klassisch viereckig sind. Hier wurde gestalterisch der Großteil der Zeit investiert. Überall entdeckt man kleine Details.
Aber die Lieblosigkeit mit der ein Großteil der Map einfach ignoriert wurde, ist für einen Vollpreis-Titel um 50 Euro etwas unverschämt. Noch dazu ist auch die Framerate ein Alptraum. EDeadly Premonition 2 ruckelt nicht nur ab und zu. Das Spiel stottert konstant. Vom Ladebildschirm bis zum Spaziergang durch Le Carré, York zittert sich durch die Handlung. Wäre ein Patch, der diesen Mangel behebt in Arbeit, könnten wir ja sagen: Das wird noch. Aber laut bisherigen Berichten scheint eine Lösung des Problems in weiter Ferne zu liegen.
Apropos Ladebildschirme. Die sind in diesem Game der wahre Endgegner. Denn während ihr euch in den Kämpfen mit Yorks Feinden immerhin wehren könnt, verdammen euch die Wartescreens zum minutenlangen, hilflosen Verharren. Das wird besonders nervig, wenn zwischen zwei Ladebildschirmen nur eine Spielzeit von ein bis zwei Minuten liegt. Denn bei jedem Betreten eines Gebäudes erwartet uns dieses Grauen und raubt uns unsere Zeit.
Deadly Premonition 2 ist vermutlich genau das, was sich Freunde des ersten Teils gewünscht haben. Die Story ist toll, die Charaktere faszinierend schräg.
Umso unverständlicher ist, dass es wieder von ähnlich groben Mängeln geplagt wird wie sein Vorgänger. Reichen zehn Jahre nicht aus, um hier seine Hausaufgaben zu machen? Zum Preis von 50 Euro hätten sich Fans zumindest ein Game verdient, das flüssig läuft und dessen Karte nicht halbleer ist.
Wir freuen uns schon auf einen heißen Gaming-Herbst 2020. Du auch? Das sind die Titel
Die 17 heißesten Games im Herbst
Bilder: © Nintendo
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.