Vampire sterben nie. Weder als Untote noch als Filmgenre. Diesmal darf Jamie Foxx in Day Shift zum Holzpflock und Knoblauch greifen. In unserer Day Shift Kritik erfährst du, warum der neue Netflix-Film, der vielversprechend beginnt, leider stark abbaut.
von Susanne Gottlieb
12. August 2022: Man sieht es nicht mehr allzu oft, aber Vampire sind nicht nur dramatische Liebhaber, sie können auch mal so richtig fies werden. Netflix hat sich daher Jamie Foxx geschnappt und aus ihm einen eiskalten, chaotischen Vampirkiller gemacht. Das ist durchaus unterhaltsam. Aber nicht alles in diesem Netflix Original gelingt. Ob ihr Day Shift unbedingt schauen solltet, das erfährt ihr hier. Die Neuerscheinungen im September findest du in unserem ultimativen Netflix-Monatsüberblick.
Das ganze Poolbusiness ist eigentlich nur ein Vorwand. Im sonnigen L.A. verdient sich Bud Jablonksi (Jamie Foxx) ausgerechnet als Vampirjäger sein Geld. Doch seit er wegen unorthodoxen Methoden aus der Gewerkschaft geflogen ist, muss er seine Beute, die heiß gehandelten Vampirzähne, am Schwarzmark verkaufen. Das bringt ihm aber weniger Geld, und seine entfremdete Frau Jocelyn (Meagan Good) droht ihm zudem, dass sie aufgrund von finanziellen Sorgen gedenkt, mit der gemeinsamen Tochter nach Florida umzuziehen. Das kann Bud natürlich nicht zulassen. Mithilfe seines Vampirjägerfreundes Big John Elliott (Snoop Dogg) möchte er eine letzte Chance bei der Gewerkschaft bekommen. Diese gewähren ihm diese, mit der Auflage, dass ihn von nun an Schreibtischbürokrat Seth (Dave Franco) genau auf die Finger schaut. Dieser soll insgeheim jeden noch so trivialen Grund finden, um Bud erneut auszuschließen.
Als hätte Bud jedoch nicht schon genug Probleme, hat sich auch Elder Vampir Audrey San Fernando (Karla Souza) an seine Fersen geheftet. Diese hat eine offene Rechnung mit Bud, nachdem er ihr etwas genommen hat, was ihr sehr am Herzen lag. Doch nicht nur die Vendetta macht Audrey zu einem gefährlichen Vampir. Sie hat plant auch gleichzeitig die Übernahme von Los Angeles durch ihre Vampire. Ein guter Grund für Bud also, nicht nur seine Familie, sondern auch gleich die ganze Stadt zu retten.
Eigentlich sollte man sich freuen, dass der Film endlich mal wieder richtige Vampire bietet. Hier gibt es Blutsauger, die nicht nur das Sonnenlicht nicht vertragen, sondern auch kein Spiegelbild haben, Knoblauch nicht mögen und dem Weihwasser abgeneigt sind. Was für ein Spaß das hätte werden können. Und einen gewissen Reiz hat das Ganze ja auch. J.J. Perry, der hier sein Regiedebüt gibt, kommt selber aus dem Stuntbereich und wollte diese Liebe für das Physische auch mit in den Film bringen. Sämtliche flinke, äußert dehnbaren Vampire werden von Artisten des Cirque du Soleil dargestellt. Das gibt dem Film vor allem zu Beginn eine feine Reihe an stylisch choreographierten Kampfsequenzen, auch wenn sie sich beizeiten etwas zu lange ziehen.
Auch das Weltenbilden, die Vampirjägergewerkschaft, das Handeln von Zähnen, ein Bild von “Vampirjäger Abraham Lincoln” und lustige Gastauftritte wie von Nazarian Brüdern (Steve Howey, Scott Adkins) machen Spaß. Gleichzzeitig sind sie aber auch die Vorboten, was an diesem Film leider so überhaupt nicht funktioniert. Die Welt, die Day Shift in seinen doch sehr üppigen zwei Stunden Laufzeit aufbauen will, bleibt unvollendet. Figuren, Informationen werden in den Plot geworfen, ohne dass sie in irgendeiner Weise weiter verfolgt werden. Dass die Nazarian Brüder nur für eine Actionsequenz vorbei schauen, ist Verschwendung. Die ausladende Erklärung von Seth, welche Vampirgattungen es gibt, spielt zwar in den Plan der Bösewichtin, trägt aber nichts zur Handlung bei. Und dann ist da noch die ständige Erwähnung eines 700 Jahre alten europäischen Vampirs “El Jefe”. Nur zu Gesicht bekommt man ihn nie. Riecht schwer nach Franchise und Sequel.
Teils originell, aber auch irgendwie schlecht umgesetzt ist die etwas altmodisch-konserative Ummünzung des Vampir-Genres zum Western. Die Vampirjäger sind die neuen Cowboys, Los Angeles die letzte Frontier, in der sie ihre “Wilden”, ihre Vampire, jagen. Das setzt der Film ohne viel Raum für Fantasie mit klingenden Sporen, Cowboyhut und Westernmusik um. Dass der Gegner ausgerechnet eine Einwanderin aus Mexiko ist, unterlegt nochmals diese etwas fragwürdige Mär vom “guten Cowboy und bösen Indianer”. Audreys Plan, Vampire dort anzusiedeln, wo sie vertrieben wurden, speist das nur weiter.
Außerdem repräsentieren Bud und Big John eine romantisierte aussterbende Gattung an Männern: Die wilden Revolverhelden, die erst schießen und dann fragen. Dem gegenübergestellt wird der verweichlichte Bürokrat Seth, der sich nur in die Hose macht, verprügelt wird und dann das größte Opfer bringen muss, um so etwas wie “Männlichkeit” zu erhalten. Die Reise Seth ist aber zumindest eine der wenigen Handlungsbögen, die sich bis zum Ende durchziehen, wenn alle anderen Ideen schon längst über Bord geworfen wurden. Beizeiten wirkt es, als hätte man in der zweiten Hälfte zwei Drehbücher mit Müh und Not zusammengetackert.
Day Shift beginnt mit einer unterhaltsamen Idee, verliert aber zunehmend die Fäden und kann auch nicht mit seinem etwas unangebrachten Symbolismus punkten.
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Aufmacherfoto: (c) Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.