Dawson’s Creek ist zurück – zunächst auf Netflix, jetzt auf Joyn. Warum uns mit dem Coming-of-Age-Drama eine ewige Hass-Liebe verbindet.
von Christoph König
Dawson’s Creek ist wie ein Unfall, bei dem man nicht wegschauen kann. Okay, das ist vielleicht ein wenig hart ausgedrückt und doch bringt es die Gefühle, die man mit dieser Serie verbindet so ziemlich auf den Punkt. Denn kalt ließ sie damals, als sie zwischen 1998 und 2003 lief, so ziemlich niemanden.
Einerseits war es dieses Lebensgefühl des Erwachsenenwerdens, dass sie so gekonnt transportierte, die frühe Liebe, die Probleme, die in diesem Alter dreimal so groß wirken und andererseits diese übertriebene Gefühlsduselei begleitet von bedeutungsschwangeren Sätzen, die des öfteren peinlich berührtes Fremdschämen auslösten. Nun ist die Serie auf unterschiedlichen Streamingdiensten abrufbar (zuletzt Joyn) und macht mit uns eine Zeitreise in eine Welt, wo man sich seine Filme noch in der Videothek abholte und mit dem Booterl auf ein persönliches Plauscherl zu Freunden schipperte, statt einfach zum Smartphone zu greifen.
Höchste Zeit für uns, mit diesem Emotionschaos ins Reine zu kommen und mit euch (ganz Dawson’s Creek like) unsere Gefühle zu teilen, die uns beim Serien-Comeback in den Sinn kommen. Was wir an ihr also am meisten lieben und hassen:
Was an Dawson’s Creek am meisten nervt? Dawson. Der weinerliche Musterschüler und Moralapostel. Oberschlauer Filmliebhaber, Spielberg-Fanboy, nicht smart genug zu erkennen, dass die hübsche Schwarzhaarige von Nebenan, nicht nur aus freundschaftlichen Absichten zu ihm ins Zimmer klettert, selbst immer wieder daran scheitert, ihr seine Liebe zu gestehen, dann Pacey die Freundschaft kündigt, wo der sich bei Joey weit geschickter anstellt. Dawson, der wandelnde Männerschnupfen, immer schwankend zwischen edler Ritter und Selbstmitleid-King mit dem berühmtesten Heul-GIF. Und doch haben wir (zugegeben) oft mit ihm mitgelitten. Denn wer von uns war nicht mal unglücklich verliebt oder fand sich selber ganz arm? Hier nochmal zum Mitheulen:
Auch Joey ist nicht immer leicht zu ertragen. Okay, sie würde sicher jeden “Liab-Dreinschau-Contest” der Welt gewinnen. Da verlegen auf die Lippe gebissen, dort die Haare hinters Ohr gestreift. Hinter ihrem fröhlich, verlegenen Auftreten ist sie aber oft verkopft und steht ihrem Glück selbst im Weg. Immerhin streift sie die Rolle des unschuldigen, schützenswerten Mädels mehr und mehr ab und gewinnt Folge für Folge an Taffness.
Hiobsbotschaft für alle Dawson’s Creek Fans. I don’t wanna wait, das berühmte Introlied von Paula Cole ist bei neueren Streamingversionen nicht enthalten – eine rechtliche Geschichte. Dafür müssen wir mit Run like Mad von Jann Arden Vorlieb nehmen. Damit fehlt der Serie beim Comeback doch ein Teil des Zaubers, der sie ausgezeichnet hat. Andererseits hat sich das Cole-Lied doch immer als lästiger Ohrwurm in unser Hirn gekrallt. Und wer will, kann sich vor jeder Folge ja trotzdem nochmal das Original reinziehen. Hier bitteschön, mit den Intros aller 6 Staffeln. Wer Lust hat, macht ein Trinkspiel daraus: Wie oft wird baarfuß durch den Strand gestapft?
Wieder etwas, was die Serie auszeichnet, aber auch sehr nervig macht. Nie und nimmer würden Jugendliche im echten Leben solche geschwollenen Sätze über die Lippen bringen wie “Entschuldigung, dass ich so machohaft unsensibel war. Ich dachte darüber wäre ich hinaus.”. Mit dem Wortschatz eines Literaturprofessors werden peinlich alle Gefühlsinnereien nach außen gekehrt. Es heißt ja, man soll Dinge so schreiben, wie man sie sagen würden. Dawson’s Creek dreht den Spieß um. Hier werden Dinge so gesagt, wie man sie nur schreiben würde.
Ja, man könnte jetzt auch bei den Schauplätzen nörgeln, das wäre doch alles zu perfekt. Dem Charme der malerischen Ostküstenkulisse – gedreht wurde in Wilmington (North Carolina) – kann man sich aber schwer entziehen. Und sie taugt perfekt als Gegenpol zur eben überhaupt nicht so perfekten Welt, mit der sich die Hauptcharaktere herumschlagen müssen.
Für viele die wahren Stars der Serie, weil eben nicht so brave Vorzeigeschüler wie Joey und Dawson. Da Jen, das Großstadt-Problemkind, rebellierend in ihrem “So werde ich wieder anständig”-Bootcamp bei ihrer erzkatholischen Oma. Dort Pacey, der einzige Nicht-Schmähbefreite, der schon mal ein Panscherl mit seiner Lehrerin anfängt. Beide keine Braven, aber mit dem Herz am rechten Fleck. Leider verlieren sie mit Fortdauer der Serie ein wenig an Kanten. Klar ist: Michelle Williams hat vom gesamten Cast die beeindruckenste Hollywood-Karriere hingelegt. Und so ist Dawson’s Creek auch die Chance, einer der großartigsten Charakter-Darstellerinnen in jungen Jahren bei der Arbeit zuzusehen.
Was man Dawson’s Creek zu Gute halten muss. Die Serie scheut nicht davor zurück, schwierige Themen zu behandeln. Egal, ob es der plötzliche Tod eines Familienmitglieds, schwere psychische Probleme, Scheidungskinder oder der Umgang mit Homosexualität in einer Kleinstadt sind. Auch wenn so manche Rollen und Thematiken recht klischeehaft behandelt werden, so werden sie doch sehr gekonnt in das Drama gestrickt und mit ausreichend Screentime versehen.
Zu oft wird die Serie mit Kochlöffeln voller Drama überschüttet. Gerade wenn man froh ist, dass sie wieder ein wenig an Leichtigkeit gewinnt, stirbt da wieder eine wichtige Person im Leben einer Hauptperson oder zerbricht das nächste Herz in tausend Scherben. Andererseits: Wenn man jung ist, erlebt man alles doppelt so tragisch. Aber hier ist manches dann doch übertrieben und zu sehr mit bedeutungsschwangerem Pathos aufgeladen, dass es schmerzt.
Aber hey: Schlussendlich sind es diese Dinge, die die Serie auch so liebenswert machen und wohl dafür sorgen werden, dass wir wieder mal nach Capeside reinschauen. Zumindest bis wir wieder genervt ausschalten.
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Aufmacherfoto: (c) Sony Pictures
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.