In einer vom Massenkino gesättigten Welt kommt es nicht oft vor, dass ein Arthouse-Regisseur, der non-lineare, non-narrative Geschichten bevorzugt, Massentauglichkeit und Kultstatus erhält. David Lynch ist eine der noblen Ausnahmen. Zu seinem 75. Geburtstag haben wir seine zehn Filme gerankt.
von Susanne Gottlieb
20. Jänner 2021: David Lynch hat seit seinem Debüt 1977 mit Eraserhead vielleicht nicht viele Filme gemacht. Die meisten haben aber aus positiven und negativen Gründen Kultstatus erreicht. Außerdem ist er das Mastermind hinter der Serie Twin Peaks, ein Massenphänomen seiner Zeit, dem aufgrund von Studioeinmischung aber am Ende die Luft ausging. Lynch erforscht in den surrealistischen Kaleidoskopen, die das grundlegende Muster seiner Werke sind, die dunklen Seiten der menschlichen Psyche. Und das, obwohl seine Protagonisten stets gute, wohlschaffende Figuren in ihrem Kern sind.
Seine Filme vereint ein stets wiederkehrendes Set an narrativen Elementen: der Fokus auf Träume, bunte Farbenpaletten, eine Vorliebe für Banalität und die ihr gegebene seltsame Natur so wie die Schattenseiten von Amerika. Das Endprodukt mag oft albtraumhaft wirken, aber ist von einer hoffnungsvollen Botschaft durchzogen.
Zu Lynchs 75. Geburtstag (er wurde am 20. Jänner 1946 in Missoula/Montana geboren) haben wir versucht sein oft verschlüsseltes Werk etwas zu entwirren und ein Ranking aufzustellen.
Dune ist eine der größten Misserfolge in der Geschichte des Kinos und bezieht seinen notorischen Kultstatus primär aus dem Fakt, wie misslungen er ist. Die Adaption des Science-Fiction-Buchklassikers von Frank Herbert vereint zwar all die eindrucksvollen visuellen Lynch-Optiken in sich, die Handlung jedoch ist wirr zusammengestückelt. Normalerweise ein Markenzeichen eines Lynch-Films, liegt das hier auch daran, dass der Film einfach schlecht geschrieben und geschnitten wurde. Das Problem liegt zum Teil auch daran, dass Lynch in einem Film einfach nicht die ausufernde Mythologie des Dune-Universums einfangen konnte.
Außerdem übernahm er das Projekt zudem von seinem ebenfalls dem kunstvollen Autorenkino verschriebenen Alejandro Jodorowsky, dessen bunte Fantasie das Projekt schon vorab unadaptierbar gemacht hatte. Das Hineinpfuschen des Studios, den Film in letzter Minute noch zu retten, machte das Ganze nur noch schlimmer, und letztendlich distanzierte sich Lynch auch namentlich von dem Projekt. Man kann nur hoffen, dass Denis Villeneuve ein glücklicheres Händchen mit seinem Dune bewiesen hat.
Nicolas Cage und Laura Dern sind ein Liebespärchen auf der Flucht. Ebenfalls auf einem Roman basierend, in diesem Fall dem gleichnamigen Buch von Barry Gifford, hatte Lynch diesmal mehr Glück in der Adaption eines fremden Werkes. Natürlich fügte er, gemäß seines Mantras, eigene Spins in die Handlung ein und schrieb sogar das Ende um. So darf der Zuschauer sich an Sheryl Lee erfreuen, die aus irgendeinem Grund aus dem Himmel wie eine gute Fee herabsteigt. Aber der Film bietet auch kitschige Höhepunkte und Spaß, was oft auf Nicolas Cages Talent für überzogene Darstellung und Mimik zurückgeht. Generell fehlt Wild at Heart aber das Fingerspitzengefühl anderer Lynch-Werke.
The Straight Story ist Lynchs familienfreundlichster Film. Basierend auf einer wahren Geschichte erkundet Lynch den amerikanischen mittleren Westen. Der Film folgt einem kränklichen 70-jährigen Mann, der eine mehrere Staaten umfassende Reise auf einem Rasenmäher auf sich nimmt, um seinen ebenfalls kranken Bruder zu besuchen und sich zu versöhnen. Unterwegs trifft er mehrere gute Seelen, die ihn auf seiner Reise unterstützen. Die typischen Lynch Kunstgriffe wie Träume, Gewalt oder verfaulende Körperöffnungen sucht man diesmal vergebens. Es ist einfach ein im Grund netter, hübsch anzuschauender Film, einer der wenigen Ausreißer in Lynchs Filmographie.
Laura Dern verbringt über eine Laufzeit von drei Stunden und 17 Minuten ihre Zeit damit ihren Verstand zu verlieren. Doch wer sie genau ist, das ist nicht klar. Ist sie eine Schauspielerin mit verschiedenen Rollen oder ist sie psychisch verwirrt? Klar ist nur, der Zuschauer wird mit einer Masse an nicht zusammenhängenden Szenen konfrontiert, die durch Derns beeindruckende Performance in eine Chronologie geklopft werden. Ein Film für eher hartgesottene Fans von surrealistischer Kunst.
Lynchs anderer Mainstream tauglicher Film. Im Gegensatz zu The Straight Story ist dieser aber ein Darling der Filmgeschichte und wurde auch für acht Oscars nominiert. Basierend auf einer wahren Geschichte erforscht Lynch das menschliche Leid, wenn auch ohne seine üblichen kunstvollen Erhöhungen. John Hurt verschwindet fast vollständig hinter den Tonnen an Make-up, die ihn in den physisch entstellten Joseph Merrick verwandeln. Dennoch ist sein und Anthony Hopkins starkes Schauspiel einer der Höhepunkte des Films. Auch die Inszenierung und die Ausstattung begeistern noch heute. Ungleich Dune konnte Lynch auch hier verhindern, dass das mehrdeutige Ende nicht vom Studio in etwas konventionell Langweiliges umgeschrieben wurde.
Die TV Serie Twin Peaks entwickelte ob ihrer kurzen Lebenszeit und Lynch Abkehr vom Format aufgrund Auseinandersetzungen mit dem Studio Kultstatus. Der Schöpfer kehrte jedoch für das große Finale zurück und warf abermals mehr Fragen in den Raum als Antworten. Ein Jahr später entwickelte Lynch ein Prequel, das ebenfalls nicht die offenen Fragen beantwortete und den verschwurbelten Narrativ in keinster Weise glättete. Und dennoch, Fire Walk With Me ist einer von Lynchs emotionalsten und schönsten Filmen geworden. Für sich allein ist der Film verwirrend, doch Fans und Experten der Twin Peaks Saga werden um die darin vergrabene Schönheit nicht herum kommen.
Eraserhead war Lynchs Spielfilmdebüt und vereint schon all die bizarren Stilelemente des Künstlers, die sein späteres Werk definieren würden. Der Protagonist ist ein junger Vater, dessen monsterhaftes Kind ihn zu mörderischen Fantasien inspiriert. Eraserhead ist kein einfaches Filmerlebnis, da Lynch sehr auf ekelerregende Effekte und aufwühlende Soundeffekte setzt. Der Film ist aber dank dieser Mittel brillant in seiner Verbildlichung des gelebten Albtraums. Was ihn letztendlich zu einem Meisterwerk macht.
Es beginnt mit einem Pärchen, das ein Video von sich selbst vor der Tür entdeckt, das es beim Schlafen zeigt. Und es endet mit einem apokalyptischen Körperwechsel-Albtraum. Lynch durchzieht die Handlung mit Horrorelementen, wenn die Story im Kern auch ein klassisches Whodunnit ist. Wie so oft bei Lynch, wird man am Ende nicht mit einer logischen Erklärung der Ereignisse konfrontiert. Lost Highway funktioniert am besten, wenn man ihn einfach auf sich wirken lässt.
Als einer der besten Filme des 21. Jahrhunderts tituliert, folgt er Naomi Watts und Laura Harring, die im Laufe der Handlung mehrmals Figuren, Namen und Identitäten wechseln. Ihr loser Realitätsbezug und ihre Einbindung in ein mysteriöses Verbrechen entziehen sich einer narrativen Linie. Abermals gibt es keine Auflösung oder allgemein gültige Interpretation der Ereignisse. Aber Lynch bietet wie gewohnt wunderschöne, komplexe Bilder und Erkenntnisse über die dunkle und verdorbene Seite der Menschen.
Blue Velvet bietet die ausgeklügelte Balance zwischen seltsamen und surrealen Elementen, ohne sich einem breiteren Publikum zu entziehen. Inhaltlich erkundet der Film Amerikas Schattenseiten, in denen ein Teenager deren verbotene und gefährliche Verlangen erkundet. Lynch unterlegt die Handlung mit dunkler, sexueller Gewalt, bietet zugleich aber auch fantastische Kameraarbeit und einfühlsames Schauspiel. Auch die Musik hat sich mit ihren eindringlichen Melodien in der Filmkultur zementiert.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.