Das war wohl nichts. Netflix will mit deutschem Horror punkten, dieser wirkt aber nur wie ein überladener Abklatsch der großen Vorbilder. Was die besonders Mutigen bei Das Privileg – Die Auserwählten trotzdem erwartet, lest ihr hier in unserer Kritik.
von Susanne Gottlieb
9. Februar 2022: Es ist allgemein bekannt, dass es bei Horror nie nur um den Grusel selber geht. Fast immer spricht er ein tieferliegendes soziales, gesellschaftliches Problem an. Bei Das Privileg ist es wohl … Erwachsenwerden? Erwartungsdruck? Oder, dass die Macher zu viel generische oder auch kultige US-Horrorfilme gesehen haben. Fans von The Faculty oder sonstigen Body Horror Filmen kommen vielleicht auf ihre Kosten. Alle anderen können das gerne aussitzen.
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Als kleiner Junge musste Finn (Max Schimmelpfennig) miterleben, wie nicht nur ein seltsames Wesen eines Nachts das Haus seiner Eltern heimsuchte, sondern auch wie seine Schwester Anna (Caroline Hartig) scheinbar durchdrehte und sich verfolgt von dem Wesen in den Tod stürzte. Jahre später ist Finn noch immer in Behandlung, seine Eltern lassen ihm regelmäßig Tabletten verschreiben. Eine Party, bei der er sich an sich an seinen Schwarm Samira (Tijan Marei) heranmachen will, endet damit, dass er wieder beginnt düstere Visionen zu haben. Seine Eltern sind unbeeindruckt, seine Schwester Sophie (Milena Tscharntke) dagegen scheint langsam die selben Symptome wie einst Anna zu zeigen. Also beginnt Finn gemeinsam mit seiner besten Freundin Lena (Lea von Acken) selber nachzuforschen, und kommt einem unglaublichen Geheimnis auf die Spur.
Die Regisseure Felix Fuchssteiner und Katharina Schöde müssen große Horrorfans sein. Denn nur so lässt sich erklären, warum dieser Film so überladen ist mit allem, was man in den letzten Jahren schon in besseren Produktionen gesehen hat. Dazu kommt aber das Problem, dass diese ihr Coming of Age Konzept mit einem gewissen Augenzwinkern durchziehen. Das Privileg – Die Auserwählten nimmt sich selbst erstaunlicherweise ernst. Hier wird klassisch düsterer Young Adult betrieben und der Humor aus eher unfreiwillig komischen Szenen wie einer total unnötigen Ménage-à-trois bezogen.
Der Horrorfilm überlässt in seiner klobrigen Art auch nichts der Fantasie. So ziemlich jedes Gebäude ist neumodisch klobig und düster, wie ein erdrückender Würfelbau. Der Staudamm an dem die Figuren ständig vorbei fahren ist trostlos und unheilversprechend. Und das Schauspiel ist vor allem eins – hölzern. Bei manchen Figuren offenbart sich später auch, warum das vielleicht so angelegt sein könnte. Es hilft aber nichts, wenn dann banal schlechte Dialoge wie “Ihr ruiniert mein Leben” oder “Was wollte er denn mit dem Beil?” entstehen.
Was Finn und seine Schwester so dermaßen verfolgt und ihre Bestimmung sind für das geübte Auge sowieso sehr schnell zu erkennen. Da kann der Film keine Punkte mehr wettmachen. Eher nervt es, dass er sich nicht zwischen weltlich-wissenschaftlicher Erklärung und übernatürlichen Seancen und Mythologie entscheiden will. Also haut man einfach beides zusammen und schaut, was hängen bleibt. Dennoch, ein bisschen Spaß macht es am Schluss dann schon, wenn man hier nicht mehr versucht Ansprüche an den Film zu stellen. Der nächste Meilenstein des deutschen Horrors wird trotzdem noch auf sich warten lassen.
Mässig unterhaltsamer, dürftig umgesetzter Teenie Horror aus Deutschland. Das ging schon mal besser.
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Fotos: (c) Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.