Jeder kennt die Geschichte von König Arthur und seinem Schwert. In der Netflix-Serie Cursed erleben wir sie jetzt aus der Sicht der mythischen Figur Nimue, der Herrin vom See. Comic-Meister Frank Miller und Co-Author Tom Wheeler schaffen ein Fantasy-Abenteuer, das trotz seiner Mängel mitreißt. Unsere Kritik.
von Sophie Neu
17. Juli 2020: Eigentlich kennt man Frank Miller vor allem für seine Comics. Denn er brachte nicht nur Daredevil groß raus, sondern erdachte auch noch Sin City. Zusammen mit Serien-Autor Tom Wheeler hat er sich jetzt der Artus-Sage angenommen und sie auf den Kopf gestellt. Statt dem zukünftigen König Arthur zum Hauptcharakter zu machen, wird er zur Nebenfigur degradiert. An seiner Stelle darf Nimue ans Ruder. Statt wie in den meisten Versionen der Artus-Sage nur eine Randfigur zu sein, die Arthur zu seinem sagenumwobenen Schwert verhilft, ist sie hier eine taffe Kämpferin, die ihr Volk retten will.
Kann Cursed an zuletzt erfolgreiche Netflix-Serien wie The Witcher (hier unsere Kritik) anschließen? Die Antwort darauf und warum es geht, liest du in unserem Review. Denn wir durften die Serie, die heute auf Netflix gestartet ist, bereits komplett für euch sichten.
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Die junge Nimue vom Volk der Fay (Katherine Langford) will eigentlich nichts anderes, als ein glückliches Leben in Britannia führen. Doch ihre friedliche Welt wird erschüttert, als die roten Paladine in ihr Dorf einfallen und alle töten. Die grausamen Mönche wollen alle Fay auslöschen, weil sie sie für Kreaturen der Hölle halten. Nimue gelingt es knapp zu entkommen, doch die roten Paladine heften sich an ihre Fersen. Denn sie führt ein sagenumwobenes Schwert mit sich, das die Kirche um jeden Preis in ihren Besitz bringen will.
Die junge Fay hat hingegen nur eines im Sinn: Den letzten Wunsch ihrer Mutter erfüllen und das Schwert zum Magier Merlin (Gustaf Skarsgård) bringen. Mithilfe des jungen Söldners Arthur (Devon Terrell) und seiner Schwester Morgana (Shalom Brune-Franklin) gelingt es Nimue, den Augen der Roten Paladine zu entgehen. Aber schnell stellt sie fest, dass die Mönche nicht die Einzigen sind, die das Schwert haben wollen.
Man nehme eine ordentliche Portion Artus-Sage, würze mit einer Prise Herr der Ringe, mische ein bisschen Game of Thrones hinzu und schon hat man Cursed in seinen Grundzügen. Und doch ist die neue Netflix-Serie etwas Eigenes. Denn Frank Miller setzt ganz andere Schwerpunkte als die gerade genannten, höchst erfolgreichen Fantasy-Epen. Trotzdem muss man auf nichts verzichten, was man an den Klassikern schätzt. Ganz ähnlich etwa wie in Herr der Ringe soll Nimue das Schwert der Macht (es trägt in der Serie viele Namen) nicht für sich behalten, sondern weitergeben. Trotzdem hat es eine gefährliche magische Anziehungskraft auf sie. Merlin seinerseits hat vor es zu zerstören. Weil die Feuer der Schicksalsberge aber nun mal in Mordor liegen und nicht in Britannien, müssen in Cursed die uralten Fay-Feuer genügen. Und ganz ähnlich wie in Game of Thrones muss sich Nimue mit den vielen unterschiedlichen Fraktionen des Landes herumschlagen und auch diplomatische Methoden anwenden.
Denn egal ob Uthar Pendragon (Sebastian Armesto), König von Britannia oder Vater Carden (Peter Mullan), der die Roten Paladine anführt, alle haben ein großes Interesse daran, Nimues Schwert in ihren Besitz zu bringen. Dafür gehen sie Allianzen ein, morden und intrigieren. Auch wenn es nicht die Komplexität eines GOT erreicht, so bleibt Cursed trotzdem durchgängig spannend. Denn die Welt von Britannia ist komplex. Neben den kirchlichen Mächten mischen auch Wikinger mit. Und die interessiert es herzlich wenig, wer wofür kämpft. Doch gerade auf diese Gruppe wird in Cursed enttäuschend wenig eingegangen. Hier hat man vor allem in späteren Folgen den Eindruck, dass sehr viel herausgeschnitten wurde. Dadurch ist das Auftauchen dieser Figuren mehr ein Augenblick des Wiedererkennens statt der Wiedersehensfreude – auch wenn sie in diesen Szenen wie alte Freunde präsentiert werden.
Anderen Charakteren hingegen wird sehr viel Liebe und Sorgfalt entgegengebracht. Cursed beschäftigt sich eingehend mit ihren Motiven und ihrer Vergangenheit, lässt aber trotzdem noch einiges für eine potentielle zweite Staffel offen. Gerade Antagonist Uther Pendragon kriegt sehr viel Screentime. Oft hastet die Serie aber zu sehr durch ihre Handlung und lässt den Protagonisten kaum Zeit zum Atmen. Womit wir schon bei der größten Schwäche von der Netflix-Serie sind. Statt flüssiger Charakterentwicklung sieht man stellenweise ruckartige Charaktersprünge. Man merkt in vielen Szenen, dass ein bis zwei Folgen mehr einen großen Unterschied gemacht hätten. Vor allem in späteren Episoden erinnert das sehr stark an die letzte Staffel von Game of Thrones.
Doch erstaunlicherweise lässt sich Cursed sehr viel Zeit für die Beziehungen zwischen seinen Charakteren. Gerade zwischen Nimue und Arthur wächst die Verbindung langsam aber stetig. Im Gegensatz zu anderen Fantasy-Serien wird nicht dem billigen Impuls nachgegeben, möglichst viele Nackt- oder Sexszenen einzubauen. Stattdessen ziehen die Charaktere emotional blank. Das zeigt sich schon in den kleinen Szenen. Sie bereden intime Details ihrer Vergangenheit oder betrauern Verstorbene. Etwa wenn Nimue den Verlust ihrer Mutter nicht verschmerzen kann und nicht, wie in anderen Fantasygeschichten, sofort wieder zur Tagesordnung übergeht.
Insgesamt wird die Welt von Cursed sehr detailliert ausgearbeitet. Man hat das Gefühl, dass sie auch außerhalb der Story weiterexistiert und nicht mit Nimue anfängt und endet. Ständig wird man etwa mit den vielen unterschiedlichen Facetten des Hasses in Britannia konfrontiert. Denn nicht nur Fay werden als verdorben angesehen, auch Frauen werden abfällig behandelt. Dabei zeigt Cursed mehrere Wege, wie die Protagonistinnen und Antagonistinnen versuchen, sich in dieser Welt durchzusetzen. Dabei müssen sie durchaus brutale Pfade einschlagen. Gegenspielerin Iris (Emily Coates) etwa entwickelt sich von der friedfertigen Ordensschwester zur gerissenen, fanatischen Fey-Jägerin.
Apropos Brutalität. So sorgsam Cursed mit seinen Hauptcharakteren umgeht, so brutal handeln die in Kampfszenen. Da fliegen Köpfe, Hände und spritzt sehr viel Blut. Das Schwert wird wird von allen politischen Seiten Britannias erbarmungslos geschwungen, dabei aber auch dem Realismus Rechnung getragen. Nimue schleudert ihr Schwert etwa nicht gleich wie ein Profi durch die Gegend. Man spürt das Gewicht ihrer Waffe. So fühlen sich ihre Kampfszenen richtig wuchtig an.
Grob fürs Auge ist leider die Beleuchtung von Cursed. Denn die ist öfters so schlecht, dass die Charaktere so gar nicht zu ihrer Welt gehören scheinen. Wenn Nimue etwa durch ihre Heimatwälder läuft, wirkt das Licht öfters fürchterlich künstlich und reißt Zuschauer aus der Immersion. Hingegen wunderschön sind die vielen Illustrationen von Comic-Veteran Frank Miller, die Nimues Geschichte umrahmen und harmonische Übergänge zwischen verschiedenen Szenen schaffen.
Die neue Netflix-Serie Cursed – Die Auserwählte überzeugt mit einer spannenden Story und einzigartigen Charakteren. Dabei vermeidet sie die ausgetretenen Trampelpfade und Klischees ihrer Fantasy-Vorgänger und erfrischt mit langsam und organisch wachsenden Beziehungen. Ab und an merkt man, dass so einiges gestrichen werden musste, um auf zehn Folgen zu kommen. Nichtsdestotrotz überzeugt die fantasievolle wie brutale Welt von Nimue und lässt auf eine zweite Staffel hoffen.
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Fotos: © Netflix
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.