In den USA kommt es zu einem neuen Bürgerkrieg – mitten im Gefecht drei Kriegsjournalist:innen auf der Suche nach der großen Story. Unser Review zum Start des Films, der in den USA schon ein großer Kassenschlager ist.
von Susanne Gottlieb, 18. 4. 2024
Autor und Regisseur Alex Garland (28 Days Later, Ex Machina) richtet seinen kritischen Blick in Civil War diesmal auf die gespaltenen USA und lässt sie in einem neuen Bürgerkrieg aufeinander los gehen. Ein Szenario, das nicht erst seit dem Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 und der wiederholten Kandidatur von Donald Trump zum Amt des US-Präsidenten nicht so abwegig scheint.
Was dem Film geglückt ist, und wo er noch mehr Feinschliff vertragen hätte? Ich habe ihn für euch vorab gesichtet und verrate es euch. Dazu haben wir hier bereits die besten neuen Filme im Mai.
Gut 200 Jahre nach dem amerikanischen Bürgerkrieg ist erneut Krieg zwischen amerikanischen Fraktionen ausgebrochen. Eine Allianz aus Kalifornien und Texas, die Western Forces, führen Krieg gegen eine Bastion aus Loyalist States, die noch zu dem diktatorischen, eine dritte Amtszeit ausführenden Präsidenten der USA (Nick Offerman) stehen. Im Nordwesten der USA und im Südosten haben sich dagegen die New People’s Army und die Florida Alliance ebenfalls von den USA losgesagt, es herrscht Chaos und das Recht des Stärkeren.
Inmitten dieser fortschreitenden Dehumanisierung, inmitten all dieser Kriegsverbrechen wollen die Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst) und der Reuters-Journalist Joel (Wagner Moura) in das heiß umkämpfte Washington D.C. reisen, um noch ein letztes Interview mit dem Präsidenten zu bekommen. Die Western Forces sind auf dem Vormarsch. Es bleibt nicht mehr viel Zeit um ihn noch lebend zu bekommen.
Beim Trip dabei sind der The New York Times-Veteran Sammy (Stephen McKinley Henderson), Lees alter Mentor, der an die Frontlinie in North Carolina will, und Jungspund Jessie (Caille Spaeny), die gerade erste Erfahrungen sammelt. Doch der Weg von New York nach D.C. ist gepflastert von Gefahren, selbst für Pressevertreter, und voller Impressionen eines zerissenen Landes, die auch mit einem Ende des Krieges nicht verschwinden werden.
Man muss dem Briten Alex Garland lassen, selbst bei einem so uramerikanischen Thema hat er stets den Finger am Puls der Zeit. Einst als Drehbuchautor für Danny Boyles Klassiker 28 Days Later berühmt geworden, stammen auch die sozialkritischen Never Let Me Go, Dredd, Ex Machina und Annihilation aus seiner Feder, sowie später Regiestuhl. Mit Civil War nimmt er sich einem Thema an, das schon länger in kognitiven Bewusstsein einer ganzen Nation spukt. Was, wenn die Spaltung in den USA so schlimm wird, dass es erneut zu einem Krieg der Bürger kommt?
Trotzdem schafft er eine eigene Welt, die nicht allzu heftig Anleihen am gegenwärtigen Geschehen nimmt. Die in jeden Kontext und jeden Konflikt passt. Und vielleicht gerade deshalb auch gewisse Schwächen von Haus aus mitbringt. Sein Präsident ist keine billige Trump-Kopie, wenn auch ein mindestens so großer Angsthase. Auf den ersten Blick wirkt der im Haar grau melierte Offerman sogar richtig seriös. Erst durch die Erzählungen der Figuren wird klar, was für eine faschistische Bedrohung er ist. Eine Lektion in “der Schein trügt”. Ebenso bleibt der genaue Hergang des Konflikts und die Bildung der Fraktionen im Land unklar. Der Film konzentriert sich auf den Fall der Regierung, auf die letzten Momente. Bei 109 Minuten Laufzeit geht es nicht um komplexes Erklären und Weltenbilden.
Das mag helfen, dass man schnell in den Film hinein findet, mehr von Atmosphäre und unmittelbaren Konflikten zerrt. Aber es sind auch die losen Enden, das fehlende Puzzleteil, das sich manchmal präsentiert. Irgendwie hat man stets das Gefühl da hätte noch mehr drinnen gesteckt. Vor allem der Showdown in D.C. kommt etwas zu einfach, so beliebig daher. Doch das mag man in Zeiten von riesig aufgebauschten TV-Serien und exzessiven Fortsetzungs-Filmreihen verzeihen. Garland will hier eine “kleine”, abgeschlossene Geschichte erzählen. Dass er sich dabei auf die zwischenmenschlichen Aktionen, die Dynamik der Figuren und den Verlust der Menschlichkeit der Zivilbevölkerung konzentriert, ist geschickter als Anfangs viel zu erklären.
Dunst glänzt als leicht verbitterte Lee, die sich dennoch der jungen Jessie annimmt, als sie viel von sich in ihr erkennt. Das altbekannte Mentor-und-Schüler-Narrativ funktioniert erstaunlich gut, weil Jessie nicht als zu altklug porträtiert wird, und Lee trotz all ihrer Warnungen auch oft dieselben Fehler macht wie der Nachwuchs. Narcos-Star Wagner Moura könnte mit dem Film endlich seinen großen Leinwand-Durchbruch schaffen, und McKinley Henderson ist die stoische Ruhe in Person wie immer. Der Film verweigert sich allzu epochalen Popcorn-Kino-Gewaltorgien. Die Auseinandersetzungen sind klein und realistisch, oft geht es nur um ein paar Meter Land oder einen Gebäudeblock. In der nächsten Einstellung gibt es dann wieder ungeschönte Massengräber. Erst im Finale wird es dann hollywoodesque. Aber auch das ist ein Luxus – ein Land, dem es gelingt, dass der Krieg irgendwann zu Ende geht.
Civil War ist ein bewegender Einblick in den Alltag von Kriegsjournalisten, dem manchmal ein bisschen der fruchtbare Boden für seine Geschichte fehlt. Dennoch ein gelungener Film, der an den USA bereits ein riesiger Kassenschlager ist.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.