Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist Captain Marvel – wir sind hier schließlich nicht im DC-Universum. Brie Larson düst seit heute als übermächtige Superheldin über unsere Kinoleinwände und sorgt dabei für explosive Action. Wo viel Licht, ist aber auch ein wenig Schatten. Unser Review.
7. März 2019: Die Frau hat Feuer, so viel steht fest. In Marvels neuester Installation brilliert Brie Larson als Captain Marvel und lässt vorausahnen, dass sie Thanos im nächsten Avengers ordentlich einheizen wird. Unter den fähigen Händen der Regisseure Anna Boden und Ryan Fleck ist Captain Marvel zu einem unterhaltsamen Superhelden-Film mit einer Extraportion Neunziger-Jahre Flair geworden.
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Worum geht’s? In ihrem ersten Einsatz als Soldatin der Starforce unter Yon-Rogg (Jude Law) wird Vers (Brie Larson) von den verfeindeten Skrull entführt. Ihr Anführer Talos (Ben Mendelsohn) ist hinter einer mächtigen Energiequelle her. Und wichtige Informationen dazu verbergen sich tief in Vers Erinnerungen. Aber hier wird es für alle Beteiligten kompliziert, denn Vers kann sich nur an die letzten sechs Jahre ihres Lebens erinnern. Dank schlagkräftiger Argumente (darunter ihre Superkräfte) gelingt es ihr sich aus den Fängen der Skrull zu befreien und von deren Raumschiff zu fliehen.
Wie es der Zufall will, landet sie auf dem Planeten C-53, hierzulande als „Erde“ bekannt. Nachdem sie bei ihrer Landung mitten in das Amerika der Neunziger einen Blockbuster-Laden in Schutt und Asche gelegt hat, trifft Vers auf Nick Fury (Samuel L. Jackson). Der hilft ihr, nach anfänglichem Zweifel an der ganzen Alien-Sache, die drohende Skrull-Invasion abzuwenden und dem Mysterium von Vers Vergangenheit auf die Spur zu kommen.
Captain Marvel ist eine Lichtgestalt im Marvel-Universum, sowohl sprich- als auch wortwörtlich. Zum einen glüht Vers, alias Captain Marvel, des Öfteren hell wie die Sonne. Zum anderen ist sie erfrischend neu. DC hat es mit Wonder Woman ja schon vorgezeigt. Endlich bietet auch Marvel einer weiblichen Superheldin die alleinige Hauptrolle in einem Film. Und dann ist sie auch noch gefühlt stärker als so ziemlich alle anderen Helden zusammen. Bonuspunkte gibt es auch dafür, dass nicht darauf rumgeritten wird, dass sie eine Frau ist. Stattdessen wird es einfach von Anfang an als gegeben akzeptiert.
Kinoseher erleben eine Captain Marvel, wie man sie vielleicht nicht erwartet hätte. Im Grunge-Look und passend rebellischer Art. Diese betont freche Haltung wirkt manchmal übertrieben. Wodurch man sich oft fragt, ob es sich bei der Heldin um eine Erwachsene oder einen Teenager handelt. Diese unangenehmen Momente sind aber glücklicherweise selten. Meistens ist der Marvel-Neuzugang dafür zu sehr mit der Suche nach der eigenen Vergangenheit und Identität beschäftigt. Und dazwischen wird natürlich die Welt gerettet.
Hier offenbart sich die größte Schwäche des Films und die ist, so paradox es scheint, die verhältnislose Stärke der Superheldin. Captain Marvel hat keinen Schwachpunkt. Locker vernichtet sie mit ihren Energiestrahlen alles was sich ihr in den Weg stellt. Wie Fliegen klatscht sie alle Gegner an die Wand und düst Raumschiffe schiebend in Lichtgeschwindigkeit davon. Im schlimmsten Fall sind ihre Haare nach dem Kampf ein bisschen durcheinander.
Hingegen sehr gelungen: Der Film kredenzt nicht nur Captain Marvel eine Origin-Geschichte, sondern auch Nick Fury, dem berühmt-berüchtigten S.H.I.E.L.D.-Agenten mit Augenklappe. Aus vielen Marvel-Filmen bekannt, erfährt man hier endlich, wie es zur Gründung der Avengers und zu seiner Augenverletzung kam. Alleine die vielen Comedy-Einlagen mit ihm, machen den Film sehenswert. Unglaublich komisch sind vor allem seine zahlreichen Auseinandersetzungen mit dem süßen Kätzchen Goose, das Captain Marvel hartnäckig nachstellt.
Erfahrungsgemäß sind Marvel-Filme schön anzusehen. Da macht auch Captain Marvel keine Ausnahme und wartet mit allerlei hübschen Effekten auf. Fantastisch choreografierte Kampfszenen und tolle CGI überzeugen. Wie bei den meisten Superheldenfilmen stehen imposante außerirdische Schiffe, Explosionen und Schlachten auf dem Programm. Dabei muss sich Captain Marvel hinter den anderen Ablegern des Marvel-Universums nicht verstecken und liefert gewohnte Qualität.
Unter seinesgleichen sticht der Film vor allem durch seinen schmissigen Neunziger-Jahre Soundtrack heraus. Nirvana und Co. geben ihm eine eigene Note und passen gut zu Vers bissigem Humor. Die Regisseure Boden und Fleck kopieren hier sehr schlau von Guardians of the Galaxy, das vor allem für seinen großartigen Soundtrack mit Hits der 70er und 80er in Erinnerung geblieben ist.
Aber auch abseits der Musik bietet der Film jede Menge Neunziger-Jahre Flair. Nur zu gern verpasst Captain Marvel der archaischen Technik der Neunziger humoristische Seitenhiebe. Sitzt Captain Marvel in einem Augenblick noch im Hightech-Raumschiff, müht sie sich im nächsten am Straßenrand mit einer altmodischen Falt-Karte ab.
Brie Larson geht in ihrer Rolle als Vers/Captain Marvel voll auf. Sie versteht es, den bissigen Humor der etwas verlorenen jungen Soldatin einzufangen und gleichzeitig ihre Stärke und Hartnäckigkeit zu demonstrieren. Und auch Samuel L. Jackson kann in Captain Marvel zeigen, was er draufhat. Dank Entalterungs-Technik, wie man sie auch schon bei Nicole Kidman in Aquaman gesehen hat, wirkt Jackson plötzlich 25 Jahre jünger. Als Zuschauer fühlt man sich da auch gleich verjüngt. Man merkt Jackson an, dass er große Freude daran hat, den jüngeren und alberneren Nick Fury zu mimen.
Der neue Marvel-Ableger bietet ein rundum tolles Kino-Erlebnis. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass Marvel seinen Captain nur aus der Mottenkiste geholt hat, um dem Bösewicht Thanos im nächsten Avengers etwas entgegensetzen zu können. Es wirkt etwas lieblos gegenüber der neuen Superheldin, sie so kurz vor Release des letzten Avenger-Films erst ins Marvel-Film-Universum einzuführen und lässt damit einige Logik-Lücken offen. Denn warum hat Fury sich nicht schon früher bei ihr gemeldet?
Für sich allein gesehen ist Captain Marvel ein gelungener Kinofilm, der großen und kleinen Superhelden-Fans gute Laune bereitet. Tolle Action und flotte Comedy-Szenen machen ihn absolut sehenswert.
In unserer Seher-Rubrik gibt es noch mehr Helden. Egal, ob aus Serien oder Blockbustern, wir haben sie alle – und berichten in unseren Reviews, was sie drauf haben.
THE UMBRELLA ACADEMY – KRITIK: SUPERHELDEN ERFRISCHEND ANDERS
ALITA: BATTLE ANGEL – FILMKRITIK: GELUNGENE MANGA-ADAPTION
Fotos:© Marvel Studios 2019/ © Chuck Zlotnick
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.