Opulent, opulenter, Bridgerton. Die neue Netflixserie entführt uns in die extravagante und skandalöse Welt der Londoner Highsociety während der Regency-Ära. Aber schlagfertige Dialoge und ausgefallene Optik können nicht ganz über die Längen des Periodendramas hinwegtäuschen. Achtung: Hier gibt es bereits unsere Kritik zu Staffel 2 nachzulesen.
Von Sophie Neu
Wie könnte Netflix das Jahr besser beschließen als mit grandiosen Festen und jeder Menge Drama? Bridgerton, das neue Periodendrama des Streamingdienstes liefert just das. Grey’s Anatomy-Schafferin Shonda Rhimes schafft eine vielschichtige Erzählung basierend auf der Bestsellerreihe von Julia Quinn. Dabei entpuppt sich aber vor allen Dingen die visuelle Komponente von Bridgerton am einnehmendsten. Zwischendurch muss die Serie allerdings mit einigen Längen kämpfen. Unsere Kritik zum heutigen Netflix-Start.
Als älteste Tochter der angesehenen Bridgerton-Familie steht für Daphne (Phoebe Dynevor) endlich ihre erste Saison auf dem Londoner Heiratsmarkt an. Berauschende Feste, romantische Picknicks und Promenaden mit Verehrern winken. Ihr Schicksal scheint unter einem besonders guten Stern zu stehen, als ihr die Queen persönlich Anerkennung zeigt. Doch statt hunderten Beaus, die sie umgarnen, herrscht im Salon der Debütantin schnell gähnende Leere. Der Grund? Die Gerüchteküche brodelt dank dem Klatsch- und Skandalblatt der anonymen Lady Whistledown. Daphne droht der soziale Absturz.
Aber mit der Hilfe von Familienfreund Simon, dem Duke von Hastings (Regé-Jean Page), will sie das Ruder herumreißen. Denn während Daphne auf der Suche nach dem perfekten Heiratspartner ist, läge Simon nichts ferner. Für Geschäfte ist er widerwillig in London und versucht verzweifelt, sich übereifrige Mütter vom Hals zu halten, die auf der Suche nach einem Partner für ihre Töchter sind. Also beschließen sie, so zu tun als wären sie am Anbandeln. Daphne, damit sie für andere Männer begehrenswerter scheint und Simon, damit er seine Ruhe vorm Heiratsmarkt hat. Recht bald stellt Daphne aber fest, dass ihre Gefühle für Simon über ihren Deal hinausgehen. Unter den wachsamen Augen der High-Society und der mysteriösen Lady Whistledown müssen sie ihre Scharade weiter aufrechterhalten, sonst droht Daphne und ihrer gesamten Familie der soziale Ruin.
Die Story von Bridgerton setzt nicht unbedingt neue Maßstäbe für das Genre der Periodendramen. Gerade am Anfang schwächelt sie darin, die wichtigste Komponente der Serie an uns Zuschauer zu bringen. Denn im Gegensatz zur späteren Darstellung wirkt die Familie Bridgerton zu Beginn eher gespalten und disharmonisch. Erst viel zu spät wird klar, dass die Geschwister und die Mutter sich allesamt sehr nahestehen. Abwechslung bringt vor allen Dingen die Klatschzeitung der mysteriösen Lady Whistledown, die öfters an die geheimnisumwitterte Bloggerin aus Gossip Girl erinnert. Gerade während ihrer Erzählungen fühlt man sich wie zu den besten Zeiten von Blair Waldorf und Serena van der Woodsen. Denn ihre skandalösen Gerüchte ziehen ebenso starke Konsequenzen mit sich wie die Updates des Gossip Girls.
Allen voran die Wortgefechte zwischen Daphne und Simon halten das Geschehen aber lebendig und verleihen der konventionellen Handlung pepp. Trotzdem, auch wenn die flotten Diskussionen durchaus unterhaltsam sind, bleiben sie doch meilenweit zurück hinter vergleichbaren Periodendramen aus näherer Vergangenheit wie Emma oder Little Women (hier unsere Kritik). Das liegt allerdings nicht an der schauspielerischen Kompetenz der Hauptdarsteller. Sowohl Phoebe Dynevor als Daphne Bridgerton als auch Regé-Jean Page als Simon Hastings holen das volle Potential aus ihren Rollen heraus. Dazu trägt auch die knisternde Chemie zwischen den beiden bei. Kein Tanz vergeht, in dem sie nicht wie füreinander geschaffen wirken. Kein Spaziergang, während dem nicht klar wird, wie gut sie harmonieren.
Die Stärken des Periodendramas verlagern sich vom Gesagten stark in die Gestik und Mimik der Hauptdarsteller. Wenn Simon Daphne beim Spaziergang dabei hilft, die Knöpfe ihres Kleides am Handgelenk wieder zu schließen. Oder wenn sich die Hände der beiden wie zufällig ganz leicht streifen, in diesen Momenten glänzt Bridgerton. Die Serie weiß die subtile Intimität genau solcher Handlungen gezielt einzusetzen. Insgesamt zeigt sich in der Regency-Serie eine sehr starke physische Komponente, die die ansonsten so prüde Gesellschaft konterkariert. Die sehr präsente Sexualität der Charaktere ergibt im Kontext mit der gesamten Geschichte aber erstaunlich viel Sinn und wirkt im Gegensatz zu anderen Serien und Filmen essentiell für das volle Verständnis der Beweggründe der High-Society.
Die größte Freude machen bei dieser netflixserie aber die extravaganten Feiern und Bälle, die von der Londoner High-Society organisiert werden. Ganz wie man es bei Gossip Girl kennt, spart auch Bridgerton bei den Sets nicht. Riesige Festhallen englischer Anwesen sind mit bunten Blumengestecken geschmückt, dann wieder wird unter freiem Himmel gefeiert, während Blütenblätter auf die anwesende Noblesse hinunterrieseln. Unter erleuchteten Laternennetzen tanzen die Damen und Herren der High-Society in ihren raffinierten Kleidern oder flanieren durch pastellfarbene Parks. All das ist eine wahre Augenfreude und macht das Netflix-Format richtig sehenswert. Zwischen diesen Bällen und Promenaden herrscht in Bridgerton aber in Sachen Spannung Ebbe. Zwar plätschert die Serie angenehm vor sich hin, wirklich der Handlung zuträglich sind die ruhigeren Szenen dazwischen aber oft nicht.
Mit Bridgerton schickt Netflix ein wunderschönes Periodendrama ins Rennen, das leider abseits der berauschenden Optik und der knisternden Chemie zwischen den Hauptcharakteren nicht viel zu bieten hat. Auch wenn das Regency-Gossip Girl Lady Whistledown ab und zu süffisant die Geschehnisse der High-Society kommentiert, bleibt der Humor der Serie weit hinter ähnlichen Titeln zurück. Trotzdem: Die Serie läuft seit dem 25. Dezember auf Netflix.
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Bilder: ©Liam Daniel/ Netflix
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.