Der Queen-Film lässt die Musik für sich sprechen. Auf der Bühne großes Kino und mitreißende Emotionen, dahinter fehlen mitunter tiefere Einblicke in das Leben von Freddie Mercury. Warum wir ihn trotzdem empfehlen können, lest ihr in unserer Bohemian Rhapsody Kritik.
von Christoph König
30. Oktober 2018: Who wants to live forever? Und was bleibt von uns, wenn es uns nicht mehr gibt? Zweiteres beantwortet Bohemian Rhapsody, der ab morgen bei uns im Kino läuft, in fast jeder seiner 135 Spielminuten. Im Fall von Queen sind es die Rock-Hymnen, die den 1991 verstorbenen Freddie Mercury unsterblich machen und uns während des gesamten Films, mal als Background-Musik für dramatische Szenen, mal bei deren Entstehung im Studio oder bei einem Konzert on Stage, begleiten. Ja, sogar schon die berühmte 20th Century Fox Hymne im Vorspann wird in eine rockige Queen-Version verwandelt.
Der Hype um den Film war gewaltig, die Erwartungen riesig. Kein Wunder. Immerhin ist es der Biopic von Rockgöttern, die mit ihrer Musik Emotionen geweckt haben, wie kaum eine andere Band. Deshalb war für uns das entscheidende Kriterium: Schafft es Bohemian Rhapsody wie der gleichnamige Song für Gänsehaut-Momente zu sorgen? Musikalisch ja – so viel sei schon verraten. Von der Story? Jein. Alle Details dazu in unserer Filmkritik.
Bohemian Rhapsody legt es von der Story sehr klassisch an. Anfang und Ende bildet das Live Aid Konzert 1985. Ein absoluter Höhepunkt der Bandgeschichte bei dem Queen in der Prime Time im vollen Wembley Stadion und vor 1,5 Milliarden TV-Zusehern ihre größten Hits voll auf den Punkt bringt und so für einen der legendärsten Auftritte aller Zeiten sorgt. Hier in voller Länge zu sehen. Nach einem kurzen Vorausblick bis zu dem Zeitpunkt an dem Queen die Bühne betritt (ein sehr starker Einstieg) erzählt der Film chronologisch die Geschichte der Band von 1970 weg.
Angefangen damit wie der Flughafen-Gepäckträger Farrokh Bulsara (später Freddie Mercury) aus Sansibar in England auf Bryan May, Roger Taylor und später John Deacon trifft und sie schließlich Queen ins Leben rufen, werden die wichtigsten Episoden ihres Aufstiegs beleuchtet. Die Entstehung des gewagten, weil 6 Minuten langen, Bohemian Rhapsody samt Machtkampf mit dem Plattenboss, Freddies Bruch mit Queen durch sein Soloprojekt, plus das wieder Zusammenraufen vor Live Aid.
Bohemian Rhapsody hätte auch den Untertitel “Making of Queen” tragen können. Die größte Stärke des Films von Bryan Singer (später ersetzt durch Regisseur Dexter Fletcher) ist die Art, wie er die Entstehung der größten Queen-Hits erzählt. Von der Experimentierfreude im Studio, wo die Band schon mal mit Bierdosen, Münzen oder Kanistern arbeitet und auf Konventionen pfeift, bis zu einer Auszeit am Bauernhof, wo krähende Hähne Freddie als Muse für den größten Queen-Song aller Zeiten dienen.
Bei der Story bleibt der Film leider mehr an der Oberfläche als erhofft. Freddies Privatleben wird zwar beleuchtet – das allerdings nur in familienfreundlicher Weise. Den intensivsten Eindruck bekommt man noch von seiner Beziehung mit Mary Austin, von der er sich mit Entdeckung seiner homosexuellen Seite mehr und mehr entfernt. Mercurys Exzesse sind immer nur andeutungsweise zu sehen. Der schwarze Peter wird fast ausschließlich Manager Paul Prenter (gespielt von Allan Leech) zugeschoben – aus dessen schlechten Einfluss sich Freddie befreien muss. Ein interessantes Spannungsfeld, bei dem aber leider viel ungesagt und ungezeigt bleibt.
So wird Bohemian Rhapsody skurillerweise erst da richtig spannend, wo er sich die filmische Freiheit erlaubt, wahre Ereignisse zeitlich zu verlegen, damit sie noch vor dem Live-Aid-Finale in den Film gezwickt werden können. Freddies Aids-Diagnose, der Zeitpunkt, als er es der Band mitteilt oder die Aussprache mit seinem Vater. Das sind die Szenen – neben jenen mit Mary Austin – bei der die unsichere, fast in sich gekehrte Seite des Superstars zum Vorschein kommt und man ein bisschen hinter die Welt des begnadeten Entertainers blicken kann.
Die Musik fügt sich so rund in die gesamte Geschichte ein, dass es ein wahrer Ohrenschmaus ist. Die Schauspieler sind allesamt so gut gecastet, man hat mitunter den Eindruck Queen-Doppelgänger vor sich zu haben. Allen voran Gwilym Lee, der schon fast als eine Kopie von Brian May durchgeht – und dem Ben Hardy als Roger Taylor und Joseph Mazzello als John Deacon um wenig nach stehen. Bei Hauptdarsteller Rami Maleks Gebissprothese wurde vielleicht ein wenig übertrieben, doch “Mr. Robot” hat die Gesten und Bewegungen von Freddie Mercury derart gut studiert, dass es ein Vergnügen ist.
Normalerweise zieht man gerne eine Bilanz wie: Nicht jeder wird den Film mögen, aber für Queen Fans ist er ein Muss. Hier ist das anders. Es gibt für Fans der Kultband genügend Gründe diesen Film zu lieben, aber genauso es nicht zu tun. Nicht mögen könnte man ihn für seine zeitlichen Ungenauigkeiten oder auch dafür, dass er das ausschweifende Privatleben von Freddie Mercury nur andeutungsweise beleuchtet. Alles wirkt ein bisschen, als hätte man ein Ticket für ein geiles Konzert, so richtig zum Superstar hinter die Kulissen wird man aber nicht durchgelassen.
Lieben kann man ihn für die tollen kleinen Anekdoten, die zur Entstehung der Hits erzählt werden. Vor allem aber dafür wie fantastisch rund sich die Queen-Musik in den Film einfügt und für Rami Malek, der Freddie Mercurys Bewegungen und Emotionen auf der Bühne so stark rüberbringt, dass es schon mal ein Tränchen aus den Augen drückt. Das sorgt dann am Ende doch genau für diese Gänsehaut-Momente, die einen solchen Film auszeichnen. Beim großen Live-Aid-Finale hat man überhaupt den Eindruck Rami Malek und Freddie Mercury sind für ein paar Momente zu einer Person verschmolzen. Das ist großes Kino. Daher gibt es für uns trotz aller Kritikpunkte eine Helden-Empfehlung.
Alles was abseits der Bühne ungesagt bleibt, stecken die Filmemacher in Emotionen auf die Bühne. Und so macht dieser Queen-Streifen am Ende das, was er am besten kann. Er lässt die Musik für sich sprechen.
Wenn ihr euch für den Film schon mal warm machen wollt, legen wir euch unser Ranking mit den größten Queen-Hits ans Herz.
Alle Fotos: © 2018 Twentieth Century Fox
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.