Nach zwei Jahren ist es so weit: Charlie Brooker hat wieder eine neue Staffel Black Mirror parat. Und auch wenn hier vieles irgendwie bekannt vorkommt, begeistern kann sie nach wie vor.
von Susanne Gottlieb, 11. 4. 2025
Die Kombination von futuristischer Technik und deren Missbrauch, sowie echten Horrormomenten und großen Emotionen waren schon immer das Erfolgsrezept von Charlie Brookers Black Mirror. Und so überrascht es auch nicht, dass die einst kleine Channel 4-Serie schon vor ihrem Wechsel zu Netflix große Hollywood-Namen anzog. Auch in der inzwischen siebten Staffel setzen sich einige A-Lister dem neuesten “Mindfuck” des Serienschöpfers aus.
Wir verraten euch, warum, trotz einiger wiederkehrender Ideen, auch diese Staffel noch funzt und Black Mirror seine Spitzenplatzierung in unserem Ranking der 55 besten Netflix-Serien aller Zeiten erfolgreich verteidigt.
Übrigens: Serienfans sind aktuell überhaupt gesegnet. Denn neben Black Mirror ist nun auch eine neue Staffel von The Last Of Us auf Sky gestartet – hier unsere Review.
Auch dieses Mal gibt es wieder sechs Geschichten zum Mitfühlen und Mitfiebern. In Common People erliegt Amanda (Rashida Jones) beinahe einem Gehirntumor, bis ihr Ehemann Mike (Chris O’Dowd) ihr für das verlorene Gewebe ein Implantat der Firma Rivermind verschafft. Doch das kommt mit der Abofalle. In Bête Noire ist sich Food Developer Maria (Siena Kelly) sicher, dass ihre alte Schul-Nemesis Verity (Rosy McEwen) es nicht nur auf sie abgesehen hat, sondern auch irgendwie die Realität verändern kann. In Hotel Reverie wird Hollywood-Star Brandy (Issa Rae) in ein virtuelles Filmset versetzt, um dort in 90 Minuten kostensparend in der Neuauflage eines britischen Kitschklassikers die romantische, gender-swapped Hauptrolle zu spielen. Doch ihre aus dem Original stammende, virtuell wiedererweckte Partnerin Dorothy (Emma Corrin) sorgt für einige Überraschungen.
In Plaything wird der ältere, offensichtlich verrückte Cameron (Peter Capaldi) von der Polizei verhört, da seine DNA in Verbindung zu einem alten Mordfall stellt. Doch da beginnt er von einem Spiel auf seinem Computer zu fabulieren, den mit einem virtuellen Bewusstsein ausgestatteten “Throng”, und den Problemen der Menschheit. In Eulogy gibt sich der alternde Philipp (Paul Giamatti) mittels eines Guide (Patsy Ferran) auf eine Spurensuche durch alte Fotos und Erinnerungen, warum ihn seine verstorbene Jugendliebe Carol, für die er etwas zur Eloge beitragen will, verlassen hat. Und zu guter Letzt checken wir nochmals auf der U.S.S. Callister ein. In USS Callister: Into Infinity muss die Crew rund um Nanette (Cristin Milioti) um ihr Überleben kämpfen, da Co-Serienschöpfer James (Jimi Simpson) inzwischen jede Aktivität in dem Spiel in ein Bezahlmodell umgewandelt hat.
Bewegt Black Mirror auch noch in Staffel 7? Absolut. Doch man muss auch gewarnt sein. Neu erfinden kann Charlie Brooker das Rad schon lange nicht mehr. Die technischen Provokationen, die gesellschaftlichen Tabus sind Dinge der frühen Staffeln. Wenn inzwischen jemand sein Bewusstsein klont, mittels kleinen Knöpfchen in Alternativwelten abtaucht oder kommerziell ausgebeutet wird, ist das kaum noch schockierend. Vielmehr erinnern einige der Folgen an frühe Klassiker, wie etwa The Entire History of You oder San Junipero. Doch das bedeutet nicht, das Brooker sich wahllos wiederholt. Vielmehr sind es die Geschichten selbst, die noch fesseln. Das Rätselraten zu Beginn, wohin die Geschichte sich diesmal entwickeln wird, ob es eine Kritik der menschlichen Natur ist, der fortschreitenden Technologie, oder beidem. Ob er diesmal seinen Figuren wieder ein glückliches Ende gönnt, oder ob er bei tragisch bis bitter-süß bleibt.
Dabei schadet auch wieder einmal nicht das umfangreiche Budget, das Netflix der Serie hinterherwirft. Dass etwa die Filmwelt von Hotel Reverie nicht nur schwarz-weiß aussieht, sondern auch der Ton so altmodisch rauscht, und Emma Corrin im breiten Transatlantischen Akzent redet, sind detailverliebte Ergänzungen, die die Erfahrung noch immersiver machen. Dass in Common People eine finanzielle Auflage nach der anderen auftaucht, schockiert weniger ob der dreisten Idee, sondern der Tatsache, dass man bereits jetzt unsere gegenwärtige Gesellschaft darin erkennt.
Natürlich kann so eine Staffel nicht durch die Bank brillant sein. Auch in Staffel 7 geben sich bessere und schwächere Folgen die Hand. Für jedes herausragende Hotel Reverie oder Eulogy gibt es ein Bête Noire, das ein paar interessante Ideen aufgreift, dessen Konflikt aber etwas zu hektisch aufgelöst wird und einen fahlen Geschmack hinterlässt. Auch Fans der ersten U.S.S. Callister Folge müssen sich darauf vorbereiten, dass die Folge nicht unbedingt die Weltraumabenteuer bereit hält, die es am Ende der letzten Folge versprochen hat. Was nicht bedeutet, dass die Folge nicht auch einiges an Action und Emotion bietet.
Black Mirror brilliert wie schon in der Vergangenheit am meisten, wenn es um menschliche Tragödien geht, die durch den Gebrauch von Technologie ergänzt und analysiert werden, und weniger ausgelöst. Letztendlich ist die Serie noch immer eine Bestandaufnahme der Seele der Menschheit. Dadurch hat Brooker auch jetzt noch den Spielraum, spannende Geschichten zu erzählen, ohne sich in eine kreative Ecke zu schreiben. Die Serie wird daher auch so lange noch funktionieren, bis ihm wirklich die Ideen ausgehen. Aber man muss trotzdem nochmals dazusagen: Ein gewisser Wiedererkennungswert vieler Ausgangssituationen und Technologien hat sich inzwischen eingeschlichen. Wenn man aber keinen Schlag in die Magengrube, sondern gutes altes “Erzählkino” sucht, ist es die Reise durchaus wieder wert.
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Mehr InformationenBlack Mirror kann auch in der siebten Runde noch immer überzeugen und bietet sowohl einige gelungenere, als auch einige weniger begeisternde Tech-Horror-Geschichten.
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Aufmacherfoto: (c) Netflix
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.