Heiß erwartet und endlich da: Black Mirror Staffel 5. Die Serie, sonst bekannt für ihre mutigen Gedankenspiele zum Umgang mit der modernen Technik, kann ihre Stärken diesmal nicht richtig ausspielen.
8. Juni 2019: So nah an unserer Realität und doch so anders – Black Mirror fasziniert und schockiert mit seinen alternativen Versionen unserer Welt immer wieder aufs Neue. Es ist ein ungewöhnlicher Serien-Hit, denn im Gegensatz zu den meisten erfolgreichen Formaten auf Netflix beschwört die britische Science-Fiction-Serie von Drehbuchautor Charlie Brooker in jeder Folge ein frisches Setting mit anderen Protagonisten. Somit ist jede wie ein Film für sich.
Dabei wirft sie in ihren futuristischen Szenarien stets neue ungewöhnliche moralische Fragen zum technologischen Fortschritt auf. Und weiß in den ersten 4 Staffeln und im Ableger Bandersnatch immer wieder mit völlig unerwarteten Wendungen zu überzeugen und schockieren. Auch in der aktuellen Staffel der Anthologie erwarten den Seher drei Folgen mit verstörenden Zukunftsvisionen, die unangenehm nah an der eigenen Lebensrealität sind.
Die neue, fünfte Staffel ist seit dieser Woche auf Netflix verfügbar. Die Helden der Freizeit haben sie für euch gesichtet und verraten euch in ihrer Kritik, warum sie gut, aber nicht ganz so stark wie ihre Vorgänger ist. Übrigens: Hier gibt es unser Review zur brandneuen letzten Staffel von Jessica Jones. Plus: Hier unseren ultimativen Überblick über alle neuen Netflix-Inhalte im Juni.
Handlung: Als Familienvater Danny (Anthony Mackie) von seinem ehemaligen Mitbewohner und engem Freund Karl (Yahya Abdul-Mateen II) zum Geburtstag das neue VR-Kampf-Spiel Striking Vipers X geschenkt bekommt, entdeckt er eine neue Welt. Abends, wenn Sohn und Frau Theo (Nicole Beharie) tief schlafen, taucht Danny im Körper des Kämpfers Lance (Ludi Lin) in die lebensechte VR-Szenerie von Striking Vipers ein und trifft dort auf Karl, der den weiblichen Charakter der Roxette (Pom Klementieff) überstreift. Sehr schnell entdecken die beiden, dass sich im Spiel nicht nur kämpfen lässt. Denn Striking Vipers ermöglicht es den Spielern virtuell Sex miteinander zu haben. Trotz glücklicher Ehe lässt sich Danny auf das Spiel ein.
Kritik: Die erste Folge der neuen Staffel wirft interessante moralische Fragen auf. Denn wo fängt in einer virtuellen Welt Fremdgehen an? Ist es überhaupt Betrug? Und ist es wirklich Homosexualität, wenn einer der beiden männlichen Charaktere in der Simulation weiblich ist? Black Mirror ist durch diese Art der Gedankenspiele groß geworden und kann auch in dieser Folge damit punkten.
Dabei ragen vor allem Anthony Mackie (Avengers: Endgame) und Yahya Abdul-Mateen II (Wir, Aquaman) als Cast hervor. Die unausgesprochene Spannung zwischen den beiden knistert die ganze Episode über. Insgesamt ist Striking Vipers von Regisseur Owen Harris, der auch schon für die bekannte Black Mirror-Folge San Junipero verantwortlich war, die stärkste Folge von Black Mirror Staffel 5.
Handlung: Protagonist Christopher (Andrew Scott) entführt in der zweiten Folge einen Praktikanten (Damson Idris) der Social Media-Firma Smithereens, um in Kontakt mit dem Gründer des Unternehmens zu kommen. Sehr schnell findet sich Christopher umzingelt von der Polizei in aussichtsloser Lage. In einem Rennen gegen die Zeit versuchen alle Parteien, ihre Ziele zu erreichen. Christopher will mit allen Mitteln Firmengründer Billy Bauer (Topher Grace) erreichen, die Polizei will ihn unschädlich machen und Smithereens betreibt mediale Schadenskontrolle. Erst nach und nach wird klar, was Christopher zur Tat getrieben hat.
In diesem komplexen Themengewirr bleiben die eigentlich zentralen Motive der Social Media-Sucht und dem Datensammeln der Social Media-Giganten vernachlässigt. Stattdessen liegt der Fokus zu stark auf der Polizei-Arbeit. So werden die Zuschauer mit stumpfem Polizei-Drama abgelenkt. Und wirklich futuristische Elemente, wie man sie sonst bei Black Mirror kennt, bleiben aus.
Wobei das Drama durchaus gut geschauspielert ist. Vor allem Andrew Scott (Fleabag, Sherlock) brilliert als verzweifelter Christopher. Unterentwickelt bleibt Topher Grace als Billy Bauer. Zwar legt Grace eine glaubhafte Performance als gottgleicher Technik-Gigant hin, dem sein eigenes Unternehmen über den Kopf gewachsen ist. Aber die Show vergisst ihn als Urheber der App, die zu Christophers Problemen geführt hat, in die Verantwortung zu nehmen.
So kratzt die ganze Folge nur an der eigentlichen Thematik und versinkt trotz toller Schauspieler in oberflächlicher Dramatik ohne tiefergehende moralische Fragen zu stellen.
Handlung: Als vom jungen Popstar Ashley O. (Miley Cyrus) das smarte Spielzeug Ashley Too mit ihrem Charakter und ihrer Stimme auf den Markt kommt, muss ihr junger Fan Rachel (Angourie Rice) es natürlich sofort haben. Sehr zum Missfallen von deren Schwester Jack (Madison Davenport), mit der sie sich ein Zimmer teilt.
Popstar Ashley leidet inzwischen unter dem Management ihrer Tante Catherine (Susan Pourfar).Als der junge Star kurz darauf in ein Koma fällt, entschließt sich Catherine mit modernster Technologie neue Songs aus Ashleys Gehirn herauszulesen, um weiter Profit aus dem Talent ihrer Nichte zu schlagen. Kurz darauf deaktivieren die Geschwister Rachel und Jack bei einer Reparatur von Ashley Too versehentlich die Firewall des kleinen Roboters und schalten damit sein gesamtes Potenzial frei. Das Spielzeug offenbart ihnen, dass Ashley in Gefahr ist. Also machen sich die Schwestern auf, Rachels Idol zu retten.
Kritik: Die finale Folge von Black Mirror Staffel 5 thematisiert im Grunde die Ersetzbarkeit und Digitalisierbarkeit von Menschen. Doch leider werden die Themen nur am Rande abgehandelt. Stattdessen stehen die Abenteuer von Rachel, Jack und Ashley im Vordergrund. Dabei schlägt Black Mirror ungewohnt jugendliche Töne an. Die jungen Talente Angourie Rice (Spiderman: Homecoming) und Madison Davenport (From Dusk till Dawn: die Serie) leisten dafür als Schwesterduo tolle Arbeit. Dadurch gewinnt die Episode einerseits an Entertainment und Dynamik, verliert aber andererseits den für Black Mirror so typischen nachdenklichen Schwergang.
Staffel fünf von Black Mirror hat oberflächlich alles, was ins Erfolgsrezept der Serie gehört. Nachdenkliche Themen, moralische Überlegungen und einige unerwartete Twists. Doch es bleibt leider in weiten Teilen bei der äußerlichen Ähnlichkeit zu vorigen Staffeln. Denn diesmal stehen Drama und Action im Rampenlicht. Obwohl es ihr in Maßen nicht schadet, übertreibt die neue Staffel es damit vor allem in der zweiten und dritten Folge.
Das soll nicht bedeuten, dass Staffel fünf von Black Mirror schlecht ist, aber sie bleibt dennoch hinter ihrem Potenzial zurück. Auch weil die wirklich schockierenden Twists ausbleiben, die die Serie sonst so ausgezeichnet haben und mit der sie sich von der gewöhnlichen Netflix-Unterhaltung so kreativ abhebt. Gegen ihre Vorgänger wirken die neuen Folgen fast zu brav. Wer noch keine Black Mirror Folge gesehen hat, empfehlen wir daher mit den vorigen Staffeln zu beginnen.
Helden-Tipp: Weniger hinter den Erwartungen bleibt aktuell die neue Staffel von Dark – lest hier in unserem Review, warum sie empfelenswert ist. (sn)
Wir haben in unserer Seher-Rubrik immer die neuesten Serien und Filme von Netflix und Co.
Und hier einige Reviews von Netflix-Serien auf einen Blick:
After Life (Staffel 1)
Better Call Saul (Erste 33 Folgen)
Black Summer (Staffel 1)
BoJack Horseman (Staffel 5)
Dark (Staffel 2)
Der Pate von Bombay (Staffel 1)
Disenchantment (Staffel 1)
Dogs of Berlin (Staffel 1)
Élite (Staffel 1)
Glow (Staffel 2)
Happy! (Staffel 1)
Jessica Jones (Staffel 2)
Jessica Jones (Staffel 3)
Maniac (Staffel 1)
Orange is the new Black (Staffel 6)
Sex Education (Staffel 1)
Stranger Things (Staffel 1 und Vorschau Staffel 2)
The Innocents (Staffel 1)
The Kominsky Method (Staffel 1)
Turn up Charlie (Staffel 1)
Umbrella Academy (Staffel 1)
Bilder: ©Netflix
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.