Harley Quinns durchgeknallter Frauentrip macht zwar Spaß, ist aber oft selbst für eine extravagante Figur wie sie ein wenig zu chaotisch. Unsere Review.
von Susanne Gottlieb
Ein Solotrip für Harley Quinn. Seit Margot Robbie in der Rolle der Joker-Gesellin quasi der Breakout-Character und einer der wenigen Lichtblicke des wirren Suicide Squad war, hat das Fandom nur darauf gewartet, dass sie bald wieder ihren Baseballschläger über die Leinwand schwingt. In ihrem Solo-Abenteuer emanzipiert sich der Teilzeit-Bösewicht von ihrem nunmehrigen Ex, dem Joker, und erzählt zugleich die Gründungsgeschichte der weiblichen Vigilante-Trupp Birds of Prey. Das klingt nach einer Menge Frauenpower, hat aber leider auch so seine Abstriche. Bei uns lest ihr ein ausführliches Review.
Harley Quinn (Margot Robbie) ist gerade frisch getrennt vom Joker, dem sie Egoismus und wenig Wertschätzung vorwirft. Sie durchlebt wilde Nächte in den Straßen von Gotham. Die Gangsterszene weiß noch nichts von der Trennung, da Harley sich als Jokers Freundin einer Immunität auf den Straßen sicher sein kann. Als sie aber mitbekommt, wie bereits Wetten abgeschlossen werden, ob sie diesmal getrennt bleiben, zieht sie einen für alle sichtbaren Schlussstrich. Was sie nicht bedacht hat ist, dass sie nun bei einigen rachsüchtigen Bekanntschaften auf der Abschussliste steht.
Ein solcher Gegner ist Roman Sionis (Ewan McGregor), auch bekannt als Bösewicht Black Mask. Der ist gerade dabei sein Imperium in Gotham auszubauen – unter anderem, indem er an das Geld des verstorbenen Bertinelli Mafia-Clans kommt. Deren Bankkontodaten wurden in einem Kristall eingraviert, den Sionis zwar besitzt, der ihm aber von der jungen Cassandra Cain (Ella Jay Basco) gestohlen wurde. Sionis setzt daher nicht nur seinen Handlanger Victor Zsasz (Chris Messina) und seine Privatchaffeurin Dinah Lance (Jurnee Smollett-Bell), auch bekannt als Black Canary, auf das junge Mädchen an.
Er gibt der von ihm eingefangenen Harley die Chance, mit dem Leben davonzukommen, wenn er ihr das Mädchen und den Stein besorgt. Doch nicht nur die Gangster sind hinter Cassandra her. Auf der anderen Seite des Gesetzes versucht Detective Renee Montoya (Rosie Perez) ebenfalls an das Mädchen zu kommen und Sionis als Gangster dingfest zu machen. Und da ist noch die mysteriöse Huntress (Mary Elizabeth Winstead), die auf einem persönlichen Rachefeldzug durch die Stadt braust. Eine Jagd quer durch Gotham beginnt.
So geradlinig der Plot vielleicht zunächst klingen mag, so wirr entfaltet er sich oft auf der Leinwand. Harley Quinn erzählt die Geschichte rückblickend als Voice Over und es ist klar, dass bei jemanden wie ihr die Gedanken nicht gerade linear laufen.
Dennoch ist Birds of Prey einer dieser Filme, in dem nach Bedarf nach vorne und hinten gehüpft wird und man nach einer halben Stunde noch immer nicht genau weiß, wohin sich das Ganze entwickeln soll und wer jetzt noch alles als Figur eingeführt wird. Das macht den Film zum Teil sehr anstrengend und ermüdend. Vor allem, weil es sich auf die Charakterisierung der Figuren auswirkt.
Natürlich ist klar, dass Robbie der Star der Show ist und der Film in erster Linie ihre Geschichte erzählt. Dennoch sind die titelgebenden Birds of Prey, bei denen Harley nie ein Mitglied war, etwas unterentwickelt. Man lernt zwar ein bisschen was über Dinah Lance, aber Huntress zum Beispiel wird wie ein deus ex machina (Gott aus der Maschine, eine dramaturgische Bezeichnung für jede durch plötzliche, unmotiviert eintretende Ereignisse, Personen oder außenstehende Mächte bewirkte Lösung eines Konflikts) immer wieder wenn Not am Mann ist in die Szene geworfen und verschwindet kurz danach wieder.
Ebenso verkürzt sind Auftritte wie jener der brillianten Ali Wong als Staatsanwältin. Als Zuschauer erhofft man sich hier ein wenig mehr Substanz. Aber die Relevanz wird dann nicht weiter als zwei kurze Szenen entwickelt. In diesen Momenten fühlt sich das Drehbuch an, als wären gewisse Passagen im Schnittraum geblieben.
Die holprigen Anfänge des Films bügeln sich aber weitgehend im durchaus amüsanten Finale aus. Situiert in einem Set, das aussieht wie das Geisteskind von Tim Burtons und Dr Seuss’ kreativen Synapsen, schlagen die Damen gegen Sionis‘ Schergen zurück und scheinen sichtlich Spaß dabei zu haben. Insofern geht man dann auch ganz zufrieden aus dem Film raus, auch wenn man sich mehr erwartet hätte.
Birds of Prey hat zwar einige klassische Filmkrankheiten wie ein wirres Skript und unterentwickelte Figuren, macht aber trotz allem viel Spaß. Ein definitives Upgrade des Vorgängers Suicide Squad.
… findest du bei uns. Schau einfach in unserer Seher-Rubrik vorbei. Dort gibt es aktuelle Kritiken zu den Blockbustern der Kino- und Streamingwelt.
Alle Fotos: © Warner Bros
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.