Bei Biohackers fühlt man sich, als säße man mit Doktortitel in einer Erstsemestrigen-Vorlesung. Denn so vorhersehbar und dünn ist leider die Handlung der neuen deutschen Netflix-Serie, die seit 20. August verfügbar ist. Da reißt das Herumschwafeln über CRISPR und Co. auch nichts mehr raus. Unsere Kritik.
von Sophie Neu
22. August 2020: Zugegeben, Netflix-Hits wie Dark oder How to Sell Drugs Online (fast) haben unsere Erwartungen an deutsche Produktionen nach oben geschraubt. Trotzdem würde sich die neue Minserie Biohackers nicht einmal im Nachmittagsprogramm des deutschen Fernsehens positiv hervortun. Immerhin – als Werbevideo für die malerischen Straßen und Ecken Freiburgs kann sie überzeugen. Warum uns die Thrillerserie wenig überzeugen konnte, liest du im Review.
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Die ehrgeizige Studentin Mia (Luna Wedler) zieht es zum Medizinstudium ins wunderschöne Freiburg. Doch die Wahl ihres Studienorts ist weniger an die Lage im idyllischen Schwarzwald gekoppelt, als an die Professur der renommierten Medizinerin Tanja Lorenz (Jessica Schwarz). Mit der verbindet Mia offensichtlich so einiges aus der Vergangenheit. Die smarte Erstsemestlerin arbeitet sich schnell zur Hilfswissenschaftlerin der genialen DNA-Forscherin vor. Aber ihre Pläne gehen weit über einen guten Notenschnitt hinaus. Denn sie ist illegalen Genexperimenten auf der Spur, die nicht nur ihr Leben auf den Kopf gestellt haben.
Und damit ist der Großteil der Handlung auch schon erzählt – dementsprechend dünn fällt die auf sechs Episoden gestreckte Story aus. Denn Mias Weg ist eigentlich schon in den ersten 15 Minuten absolut vorhersehbar – das liegt auch daran, dass Biohackers gleich mit einem Blick in die Zukunft beginnt. Statt dadurch aber die Spannung zu steigern oder die Geschichte unvorhersehbar zu machen, gelingt der Serie das genaue Gegenteil – sie verschenkt ihre ganze Sprengkraft in fünf Minuten. Ab da wird man als Zuschauer nicht mehr wirklich überrascht. Wenn Plottwists als solche dargestellt werden, dann hat man das meistens schon einige Folgen vorher kommen sehen. Die einzigen Momente der Spannung sind, wenn Mia mal wieder schnell und heimlich etwas auf einen USB-Stick kopieren muss, ohne erwischt zu werden.
Als Auflockerung sind da die „lustigen“ Szenen in Mias WG gedacht. Ihre Mitbewohner entpuppen sich als total individuelle studentische Genies – im Endeffekt werden in ihnen aber nur altbekannte Stereotype repliziert. Da wäre etwa das nerdige Genie Chen Lu (Jing Xiang), die so schnell redet, dass man ihr nicht folgen kann und nur über ihre Biologie-Experimente nachdenkt. Oder der nicht weniger nonkomformistische Ole (Sebastian Jakob Doppelbauer), der sich andauernd Youtube-Videos zu Bodyhacks reinzieht und die auch gleich anwendet. Die Szenen sind im übrigen wirklich eklig. Und natürlich, weil wir hier jedes Klischee abklappern müssen, zuletzt auch noch Mitbewohnerin Lotta (Caro Cult), die vorrangig mit Partys und Partnersuche beschäftigt ist. Sie alle kommen mit pseudo-jugendlich-flotten Sprüchen daher, die im Endeffekt aber nur zum Fremdschämen sind. Wenig hilfreich sind da die nicht immer so präsenten schauspielerischen Künste der Darsteller.
Das setzt sich auch bei Mias Love Interests Jasper (Adrian Julis Tillmann) und Niklas (Thomas Prenn) fort. Denn, wie könnte es anders sein, hat die hübsche wie geniale Studentin gleich zwei junge Männer an der Angel. Für viel mehr als seichtes Drama reicht dieses Dreiergespann nicht. Die Beziehungen sind merklich eindimensional und als Zuschauer bleibt man im Endeffekt etwas ratlos zurück, warum sich anscheinend jeder Kerl außerhalb Mias WG in sie verknallt. Denn statt Gesprächen gibt es nur ein paar tiefe Blicke und dann wird auch schon losgeknutscht. Besonders merkwürdig wirkt das, weil Jasper und Niklas eigentlich beste Freunde sind. So wird nicht nur Niklas zum Antipathieträger, sondern vor allem Mia selbst.
Denn sie weiß am allerbesten, wieviel den beiden Männern an einander liegt und trotzdem treibt sie ohne schlechtes Gewissen einen Keil zwischen sie. Lobend ist hier zumindest die schauspielerische Performance der Hauptdarstellerin zu erwähnen. Trotz der vielen anderen überzeichneten Charaktere spielt Wedler eine sehr vielseitige Mia. Und das so effektiv, dass sie im Endeffekt mit ihren eigenwilligen Entscheidungen mindestens so unsympathisch wie Antagonistin Professorin Lorenz wirkt.
Dort ist der Antipathie-Effekt allerdings gewollt. Gut geschrieben ist der Charakter dafür trotzdem nicht. Denn auch die Bösewichtin ist so stereotyp, wie es nur geht. In ihrem Größenwahn, alle Erbkrankheiten der Welt durch Genmanipulation auszulöschen, schreckt sie natürlich nicht vor Opfern zurück. Für das größere Wohl – das im Endeffekt nur ihr eigener Ruhm ist, nimmt sie schon mal den Tod von ein paar Menschen in Kauf. Ihre Motivation teilt sie damit wohl mit so ziemlich sämtlichen verrückten Wissenschaftlern der Filmgeschichte. Nicht gerade visionär für das so hip aufgemachte Biohackers. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Lorenz in ihrem Seminar keine Toleranz für veraltete Ideen aus ihrem Fach toleriert.
Aber während uns die Serie Lorenz’ Größenwahn als überraschende Wendung vermitteln will, weiß man als Zuschauer schon in der ersten Folge Bescheid. Zu offensichtlich und ungeschickt werden die Hinweise gestreut. Spätestens wenn Mia gleich beim Einzug in ihre WG einen Ordner mit Zeitungsausschnitten zu Lorenz versteckt, ist jede Überraschung dahin. Im Endeffekt haben diese „kleinen“ Ankündigungen die Subtilität eines Vorschlaghammers. Trotzdem versuchen die Regisseure Christian Ditter und Tim Trachte wiederholt uns Zuschauern einzuhämmern, wie unerwartet die Twists in der Handlung doch seien.
Sehenswert sind an Biohackers im wahrsten Sinn nur die malerischen Landschaften rund um Freiburg und die coolen Studentenpartys, die mitunter auch im tiefsten Wald stattfinden. Da beeindrucken hübsche Neoneffekte und klinisch reine Laborsettings mit einem gewissen Stil. Aber abseits der Optik bietet die Netflix-Serie leider wenig.
So gerne Biohackers auch über die Zukunft sinniert, so sehr hängt die neue Miniserie auf Netflix erzählerisch in der Vergangenheit. Es ist ein Format, das man schon viel zu oft in der deutschen TV-Landschaft gesehen hat. Dementsprechend helfen auch keine pseudowissenschaftlichen Gespräche oder kitschtriefende Dreiecksbeziehungen mehr dabei, dieses Forschungsprojekt zu retten. Im Endeffekt gilt für Biohackers hoffentlich, was auch für die Wissenschaft gilt: Auch wenn die Studie nicht die erhofften Ergebnisse bringt, kann man immerhin etwas für die Zukunft daraus lernen.
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Bilder: © Netflix/Marco Nagel
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.