Eine Anwaltsserie, die keine ist. Benannt nach einem Mann, bevor er so heißt. Über einen Anwalt, der keiner mehr sein darf. Die Helden der Freizeit ziehen Zwischenbilanz nach 3 Staffeln und 3 Folgen. Warum Better Call Saul die beste Serie auf unseren Fernsehern, iPads oder Handys ist.
von Christoph Geretschlaeger
Jeder, der Breaking Bad gesehen hat, weiß es. In einigen Jahren wird Saul Goodman zum Go-to-Anwalt der kriminellen Unterwelt Neu Mexikos, der sich auch für ein bissl Versicherungsbetrug nicht zu schade ist. Der Walter White mit Rat und Tat zur Seite steht. Better Call Saul konzentriert sich auf Jimmy McGill bevor er zu Saul Goodman wird. Ein Tunichtgut, der an der Abendschule von American Samoa Jus studiert hat. Entgegen den Wünschen seines älteren Bruders Chuck, selbst erfolgreicher Anwalt und Chef der prestigeträchtigen Kanzlei Hamlin Hamlin McGill. Ein Psychogramm eines windingen Anwalts, der nicht immer Erfolg hat und gerne auf die falsche Spur wechselt.
Tipp! Lies hier schon unsere Vorschau auf das große Finale in Staffel 6.
Es folgen Spoiler für die ersten drei Staffeln Better Call Saul und Breaking Bad. Ihr wurdet gewarnt!
Nahtlos setzt die vierte Staffel an den Knalleffekt des Staffelfinales an. Chuck ist tot, umgekommen in einem selbst gelegten Feuer. Kim, Jimmys Geliebte, erholt sich langsam von ihrem Autounfall. Ein Arm im Gips, den Kopf aber noch immer ganz bei ihrem großen Klienten. Während Nachos Plan, Don Salamanca umzubringen, nicht ganz geklappt hat, nutzt Gus Fring das Machtvakuum geschickt aus. Und die coolste Glatze seit Kojak, Mike Ehrmantraut, arbeitet für sein Geld, zum Ungemach seiner Chefin.
Stille Momente wechseln sich mit brutalen Feuergefechten ab. Zwischen öden Landstrichen in der Wüste Neu Mexikos und der geschmacklosen Architektur Americanas. Und mittendrin großartige Schauspieler, die keine Supermodels sind. Echte Leute mit echten Problemen. Ein Chef, der seiner Frau einen Staubsauger kauft und deswegen auf der Couch in seinem Büro schlafen muss. Dass gerade dieses Büro überfallen wird, gehört zur Skurrilität der Serie. Es ist dieser Fokus auf scheinbar unnötige Dinge, der Charakterschwächen sichtbar macht. Wie weit normale Menschen gehen, wenn sie in die Enge getrieben werden. Und genau darum geht es in Better Call Saul.
Jimmy McGill (Comedian Bob Odenkirk in der Rolle seines Lebens) ist ein Verkäufer durch und durch. Der ehemalige Trickbetrüger kann selbst nach dem abgeschlossen Jus-Studium nicht die Finger von krummen Dingern lassen. Nach dem Einbruch ins Haus seines Bruders und der darauffolgenden vorübergehenden Sperre vom Anwaltsdasein sucht Jimmy das schnelle Geld. Ausgerechnet ein kleiner bayrischer Junge soll seine Geldsorgen beenden. Sein schwieriges Verhältnis zu seinem Bruder zeigt sich auch in dessen Testament. Nur das absolute Minimum hinterlässt ihm der erfolgreiche Chuck, zusammen mit einem bewegenden Brief, der Kim zu Tränen rührt, Jimmy aber nur weiter emotional abstumpfen lässt.
Als einzige praktizierende Anwältin in Jimmys Umfeld hat Kim Wexler (Rhea Seehorn, vor Better Call Saul auch im komödiantischen Fach zuhause, in Sitcoms) alle Arme voll zu tun. Blöd nur, dass sie sich einen davon bricht, nach stressbedingtem Sekundenschlaf am Steuer. Kim steht voll hinter Jimmy, hält ihm immer die Stange. Die große Frage ist, warum sie in Breaking Bad nie erwähnt wird, warum sie in Saul Goodmans Leben nicht vorkommt. Wird sie etwa sterben und ist es ihr Tod, der Jimmy endgültig in die Rolle des schmierigen Anwalts treibt? Oder hebt vielleicht ihre Karriere erst so richtig ab, wenn sie sich über kurz oder lang von Jimmy lossagt?
Apropos Breaking Bad. Breaking Bad zu kennen gibt Better Call Saul eine weitere Ebene, auf der man die Serie verfolgen kann. Notwendig fürs Verständnis ist es jedoch nie. Von einigen Charakteren kennt man dadurch zwar ihr Ende, doch interessanter sind ihre Entscheidungen am Weg dorthin. Wie schon bei Breaking Bad ist das Spannendste die Entwicklung und Wandlung der Charaktere. Erst in der letzten Folge sehen wir Bösewicht Gustavo Fring beispielsweise im Gespräch mit Walter Whites Vorgänger/Assistent Gale. Der Mann, der ultimativ Hanks Theorie über Walter White bestätigt und definitiv kein Happy End bekommt.
Better Call Saul ist die beste Serie, die momentan auf Netflix läuft. Überhaupt im Fernsehen oder auf Streaming-Plattformen. Glaubhafte Charaktere, großartige Skripts der Breaking-Bad-Macher und grandiose Schauspieler. Absolute Helden-Empfehlung.
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Aufmacherfoto: © Netflix
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.