In Beckett schickt uns Regisseur Filomarino auf eine Reise ins schlimmste Urlaubsszenario. Dabei liefert er eine packende Verfolgungsjagd durch Griechenland, die einen bis zum Schluss mit Wendungen ans Sofa fesselt, aber ihre Ursache nicht immer ganz glaubwürdig vermitteln kann.
von Sophie Neu
13. August 2021: Griechenland – da denkt man in den Sommermonaten erstmal an wunderschöne Urlaube – wie hier auf Santorin. Und nicht an einen Polit-Thriller mit Tenet-Star John David Washington. An der Kombination von beidem hat sich jetzt Regisseur Ferdinando Cito Filomarino versucht. So ganz geglückt ist ihm die filmische Umsetzung des Mystery-Romans Born to be Murdered von Elinor Denniston im Endeffekt nicht. Trotzdem: Die actiongeladene Story und ein überzeugender Hauptdarsteller halten Zuschauer bis zum Schluss der Verfolgungsjagd am Ball.
Zum heutigen Netflix-Start liest du in unserer Beckett-Kritik, um was es genau geht und wie sehenswert der Film ist.
Eigentlich sollte alles so schön sein auf Becketts (John David Washington) Roadtrip mit seiner Freundin April (Alicia Vikander) durch Griechenland. Aber als er hinter dem Steuer einschläft und von der Straße abkommt, geraten beide in einen folgenschweren Unfall, den April nicht überlebt. Wenig später erwacht Beckett in einem griechischen Krankenhaus mit der Erinnerung an einen rothaarigen Teenager am Unfallort, der von einer Frau davongezerrt wird. Als er bei der Polizei seine Aussage zum Autounfall gibt, bestreitet der Polizist (Panos Koronis) allerdings, dass dort jemand leben würde.
Den Tod von April immer noch nicht ganz fassend, kehrt Beckett noch einmal zum Ort des Geschehens zurück. Gerade, als er glaubt, allein zu sein und langsam Aprils Tod begreift, eröffnen eine fremde Frau (Lena Kitsopoulu) und der Polizist vom Revier das Feuer auf Beckett. Es beginnt eine wilde Verfolgungsjagd quer durch Griechenland. Denn Beckett hat etwas gesehen, was nicht für seine Augen gedacht war.
Ein Hauptgrund für viele, sich Beckett überhaupt anzusehen, dürfte Hauptdarsteller John David Washington sein. Feierte er letztes Jahr in Tenet (hier geht’s zu unserer Kritik) bereits einen Riesenerfolg, gibt er in Beckett einen überzeugenden Gejagten ab. Vom verwirrten amerikanischen Touristen, der in eine ihm unverständliche politische Verschwörung hineingeworfen wird, entwickelt er sich zum immer entschlosseneren Protagonisten, der den Mut findet, sich gegen seine Verfolger zu wehren. Man nimmt Washington den traumatisierten, immer paranoider werdenden Urlauber durchaus ab. Nur manchmal, wenn die Kamera gefühlt eine Minute auf seinem Gesicht verweilt, verfehlen als dramatisch introspektiv gedachte Szenen ihre Wirkung und driften ins Alberne ab.
Generell fehlt es Beckett an Feingefühl für die grundlegende Erzählstruktur. Teasert der Thriller zu Beginn politische Unruhen am Urlaubsziel an, bleiben sie doch kontextlos. So wirkt in letzter Instanz auch der Grund, aus dem Beckett den rothaarigen Teenager überhaupt beim Unfall begegnet, auch gelinde gesagt an den Haaren herbeigezogen – wie auch die schießwütige Reaktion der Frau und des Polizisten. Eher grobschlächtig wird hier versucht, eine Handlung plausibel zu machen, die nicht unplausibler sein könnte. Wenig hilfreich ist es auch, dass der Film von Setting zu Setting hastet und nur am Rande immer mal wieder die politischen Unruhen andeutet, die im Endeffekt zentral für Becketts Schicksal sind.
Sieht man aber darüber hinweg, ist Beckett durchaus unterhaltsam. Die packenden Verfolgungssequenzen führen den Helden durch pittoreske griechische Dörfchen, wilde, felsige Natur bis hin zum chaotischen Athen. Immer wieder begegnet er Helfern, die allesamt aber blass und unausgefeilt wirken. Sei es die Jägerbande, die ihn erstversorgt oder die Aktivistinnen, die ihn nach Athen schmuggeln wollen – Beckett gibt keinem anderen Charakter im Film die Chance, überhaupt an Tiefe zu gewinnen. Am enttäuschendsten ist und bleibt das aber bei seinen Verfolgern. Denn hier sieht man durchaus als Zuschauer immer mal wieder das Potential dafür. Enttäuschend ist das aber auch bei den Aktivistinnen, die im Finale keine unbedeutende Rolle spielen. Zwar bekommen sie immerhin großzügigerweise Namen, aber für viel mehr Charakter reicht es nicht.
Trotzdem bleibt Beckett im Endeffekt spannend. Denn nur allmählich wird klar, wie der Autounfall mit den politischen Unruhen im Land zusammenhängt und wie viele Parteien eigentlich involviert sind. Unterhaltsam macht es aber auch Becketts Resilienz und zunehmende Entschlossenheit, den Grund dafür aufzudecken, dass er überhaupt gejagt wird. Manchmal driftet es aber ins Absurde ab, wenn Beckett trotz Schusswunde sowie multipler Verletzungen weiterkämpft und seine Verfolger abschüttelt. Aber auch die erzeugte Paranoia in Beckett hält Zuschauer gebannt. Denn nicht zuletzt durch die Sprachbarriere, auf die der Held immer wieder trifft, schlägt ihm zunächst einmal als Ausländer das Misstrauen von Passanten, Zugpassagieren und generell aller anderen entgegen.
Beckett ist ein spannender, aber handwerklich nicht ganz ausgereifter Netflix-Thriller, mit dem man durchaus das Sommerloch füllen kann. Im Endeffekt kann die Handlung aber nicht ihr volles Potential entfalten, weil ihr an vielen Stellen die nötige Tiefe fehlt, um die Ursache der Verfolgungsjagd glaubwürdig an Zuschauer heranzutragen. Immerhin lohnt es sich für einen überzeugenden John David Washington und schöne griechische Szenerien einzuschalten.
Diese Highlights von Netflix und Co. solltest du dir nicht entgehen lassen.
Kritik: Promising Young Woman
Netflix-Neuerscheinungen August
Superintelligence
Bilder: (c)Yannis Drakoulidis
Die Journalistin ist bei Videospiel-Tests und Wien Guides voll in ihrem Element. Seit 2021 verstärkt sie die Redaktion des KURIER.