Die erste von voraussichtlich zahlreichen Mattel-Verfilmungen ist da: Barbie darf als Live-Action-Figur nicht nur Barbieland retten, sondern etwas über das reale Leben lernen. Der Hype um Barbenheimer, den gleichzeitigen Filmstart von Barbie und Oppenheimer (hier unsere Review zum Nolan-Blockbuster), war groß. Lest hier in unserer Kritik, ob der pinke Part dem gerecht wird.
von Susanne Gottlieb
20. Juli 2023: Barbie – heutzutage ist die blonde Puppe oft als unrealistisches Ziel für Körpermasse und Aussehen unter jungen Mädchen verschrien. Dabei wurde die Plastikfigur einst von Ruth Handler erfunden, um diesen eine Alternative zum Mutter-Spielen mit Babypuppen zu bieten. Barbie war nicht nur unabhängig, sie übte auch tolle Jobs aus und lebte genau den (pinken) Lebensstil, der ihr passte.
Das einstige Indie-Darling Greta Gerwig hat aus dem kontroversen Spielzeug nun einen Film gebastelt, der sowohl diese pinke Welt mit offenen Armen empfängt, als auch ein seriöser Kommentar zu Feminismus, gesellschaftlicher Spaltung und den Druck auf junge Frauen sein will. Warum ihr das aber nur bedingt gelingt, das lest ihr in unserer Barbie-Kritik.
In Barbieland ist alles perfekt – Barbie (Margot Robbie) wacht jeden Tag zu bestem Wetter in ihrem Barbie-Traumhaus auf. Sie verbringt den Tag mit allen Barbies und Kens am Strand und schmeißt abends eine Riesenparty in ihrem Haus. Dass sie außerhalb von Barbieland als Spielzeug in der realen Welt existiert ist ihr bewusst. Dort, so glauben sie und die anderen Barbies, hat ihre Präsenz Probleme wie Frauenfeindlichkeit und Diskriminierung schon lange gelöst.
Doch eines Abends auf einer Party, auf der auch ihr Verehrer Ken (Ryan Gosling) anwesend ist, beginnt sie – ganz untypisch – mit Existenzangst über den Tod nachzudenken. Danach läuft alles nur mehr schief. Die Dusche ist morgens kalt, der Toast ist verbrannt, von ihrem Haus fliegen kann sie auch nicht mehr, und ihre Füße sind plötzlich flach. Die anderen Barbies schicken sie zu Weird Barbie (Kate McKinnon). Die erklärt ihr, dass zwischen dem Mädchen, das mit ihr spielt und ihr eine Dissonanz entstanden ist, die gekittet werden muss. Sie müsse in die reale Welt, und das Mädchen finden.
Also macht sich Barbie auf den Weg, wobei Ken sie ungefragt begleitet. Doch die reale Welt ist so ganz anders, als sie sich das vorgestellt hat. Dort haben die Männer das Sagen. Frauen werden objektifiziert und irgendwie werden die beiden auch dauernd verhaftet. Mattel-CEO Mother (Will Ferrel) freut sich gar nicht, dass eine Barbie in der realen Welt ist, seine Angestellte Gloria (America Ferrara) umso mehr. Und Ken, der ewige Zweite in Barbieland, findet auch noch Gefallen an dieser patriarchischen Welt.
Wie macht man aus so einem umstrittenen Produkt wie Barbie, das einerseits Feminismus symbolisieren soll aber gleichzeitig für all die fetischierte Oberflächlichkeit steht, mit der Frauen zu kämpfen haben, einen sensiblen, emanzipierten Film? Greta Gerwig versucht hier etwas fast Unmögliches. Der Überlegung, dass Barbie vielleicht der Funke einer Emanzipierung war, der in einem Produkt endete, das einem männlichen Blick unterliegt, gibt sie dann aber nur begrenzt Raum. “Ich bin nicht böse, ich bin nur so gezeichnet,” sagte Jessica Rabbit einst in Falsches Spiel mit Roger Rabbit. In Barbie hingegen wird das Aussehen nur peripher angerissen, als Barbie von einer Gruppe Teenie-Mädchen gedemütigt wird. Kurz darauf rennt deren Anführerin, Glorias Tochter, aber schon in pink durch das Bild.
Vielmehr versucht Gerwig ein Plädoyer für die Brillianz in allen zu machen, den Barbies eine Naivität zu unterstellen, in der ihr Matriarchat eigentlich nur eine Spiegelung des Patriarchat der realen Welt ist. Unterlegt wird das noch mit ein wenig sanfter Politik-Kritik. So wie der Supreme Court, der Congress, und die Bundesstaaten immer wieder versuchen, die Verfassung auszuheben und die politische Landschaft zu verändern, so wollen die Kens auch das politische Gesamtbild von Barbieland verändern. Während die Barbies einfach nur herzig naiv sind, und alles mit ein bisschen Einsicht gelöst werden kann, gehen ihre männlichen Gegenstücke gleich auf die Barrikaden.
Nun könnte man natürlich mit Barbie mitfiebern, aber hier entsteht das nächste Problem des Films. Margot Robbie mag für die Rolle zwar optisch geboren sein, doch sie und ihre Mitstreiterinnen sind einfach die langweiligere Hälfte des Films. Viel wurde vorab diskutiert, dass es immer nur “Barbie und Ken” heißen würde. Doch die Kens, allen voran Gosling, sind einfach die interessanteren Figuren. Sie sind auch die einzigen, die Sing- und Tanznummern bekommen. Die Barbies dagegen dürfen wohl als Ausgleich im Kongress abstimmen und pinke Undercover-Kleidung tragen.
Doch es wäre nicht die Brillanz von Gerwig am Steuer, wenn hier nicht das eine oder andere Mal ein intelligenter, meta-angereicherter Gag aufblitzen würde. Und die Sets sind detailverliebt rosa mit all dem Spielzeug, das man noch aus seiner Jugend kennt. Die eingestellten Barbie-Figuren sind alle da, Gags wie der flache Fuß sind brillant. Wenn der Film sich nicht allzu ernst nimmt, funktioniert er ironischerweise am besten. Immer, wenn Barbie aber auf die Emanzipierungstube drückt und etwas wichtiges über Feminismus sagen will, ist es nur schwer ernst zu nehmen. Das wird vor allem im letzten Drittel offensichtlich, wenn Mattel sich allzu sehr selber auf die Schulter klopft.
Einst gab es einen pointierten Saturday Night Live-Sketch, der suggerierte, dass wenn Mädchen mit President Barbie spielen, die auch noch aussieht wie Hillary Clinton, sie ihren Beitrag zum (kommerztauglichen) Feminismus getan haben. Der Film will das eigentlich genau nicht. Doch wenn ein paar Barbies letztendlich den Tag retten, scheint das fast wieder stellvertretend für eine ganze Bewegung zu stehen.
Barbie ist bunt, spaßig und hat einige tolle Musiknummern. Doch die große feministische Offenbarung ist er nicht – auch wenn er das immer wieder von sich behaupten will.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.